Laser-Kernanregung macht noch genauere Atomuhren möglich
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) astronews.com
30. April 2024
Atomkern-Uhren könnten die Zeitmessung noch einmal deutlich
präziser machen, tiefe Einblicke in die Quantenwelt erlauben und neue
Erkenntnisse zum Ursprung des Universums und der Existenz Dunkler Materie
bringen. Nun ist einem Team aus Braunschweig und Wien ein lange erhoffter
Durchbruch gelungen, durch den solche Uhren in greifbare Nähe rücken.
PTB-Wissenschaftler Johannes Tiedau mit dem
Laseraufbau und Vakuumsystem für die Untersuchung des
Thorium-229 Kerns.
Bild: PTB [Großansicht] |
Forschenden ist ein herausragender Quantensprung gelungen – sprichwörtlich
und ganz real: Nach jahrzehntelanger Suche konnten sie genau die Laserfrequenz
finden und anwenden, die den Atomkern des Elements Thorium-229 zu einem
Quantensprung von einem Energieniveau auf ein eng daneben liegendes anregt.
Derartige Laser-Kernanregungen öffnen die Tür für neuartige Atomkern-Uhren, die
noch einmal deutlich genauer sein könnten als heutige Atomuhren. "Das ist nach
etlichen Jahren Forschung ein großartiger Durchbruch, der bisher nie gekannte
Präzisionsmessungen möglich machen könnte", freut sich Dr. Ekkehard Peik von der
Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB). "Dies könnte für tiefe Einblicke
in die Quantenwelt sorgen und neue Erkenntnisse zum Ursprung des Universums und
der Existenz Dunkler Materie bringen." Möglich wurde dies in einer Kooperation
der PTB mit der TU Wien.
Im Gegensatz zu Atomkernen ist die Anregung von Elektronen in der Atomhülle
schon lange eine verbreitete Methode: Wenn die Wellenlänge eines Lasers exakt
gewählt ist, wechselt ein Elektron von einem Zustand in einen anderen. So kann
man diese für ein Atom oder Molekül charakteristische Energie sehr exakt
vermessen. Viele Präzisionsmesstechniken beruhen genau darauf, etwa unsere
heutigen Atomuhren, aber auch chemische Analysemethoden. Auch in
Quantencomputern werden Laser verwendet, um Information in Atomen oder Molekülen
zu speichern.
Lange schien es unmöglich, diese Techniken auf Atomkerne anzuwenden, die
ebenfalls unterschiedliche Quantenzustände annehmen können. Doch dafür wäre
mindestens das Tausendfache der Energie im Vergleich zur Elektronenanregung
nötig. Eigentlich wären Atomkerne die perfekten Quantenobjekte für
Präzisionsmessungen: Sie sind von der Elektronenhülle umgeben und somit
geschützt und viel weniger anfällig für Störungen von außen. Prinzipiell würden
sie daher Messungen mit bisher unerreichter Genauigkeit erlauben.
Schon seit den 1970er-Jahren wurde spekuliert, dass sich der Atomkern des
Elements Thorium-229 mit einem Laser gezielt anregen lassen könnte. Er weist
zwei sehr eng benachbarte Energiezustände auf, sodass ein Laser ausreichen
sollte, um den Zustand des Atomkerns zu verändern. Lange Zeit gab es aber nur
indirekte Hinweise auf die Existenz dieses Übergangs. Denn um ihn gezielt
anzuregen, muss die nur ungenau bekannte Energie des Übergangs mit einem Laser
auf ein Millionstel Elektronenvolt genau getroffen werden.
Um dieses Problem zu lösen, haben die PTB und die TU Wien, gefördert vom
Europäischen Research Council, im Jahr 2020 ein Kooperationsprojekt gestartet:
An der PTB wurde ein Lasersystem bei der benötigten ultravioletten Wellenlänge
von etwa 148 nm entwickelt, während an der TU Wien Kristalle hergestellt wurden,
in denen die Thorium-Kerne in großer Anzahl gezielt eingebaut wurden. Beide
Aufgaben waren nicht nur Neuland, sondern auch technisch sehr aufwendig. Sie
haben aber schließlich die Möglichkeit geschaffen, dass schließlich in der PTB
rund zehn Billiarden (1016) Thorium-Kerne gleichzeitig mit dem Laser
getroffen werden können. So kann die Kernantwort auf die Laseranregung verstärkt
werden, die nötige Messdauer verkürzt und die Wahrscheinlichkeit, den gesuchten
Energie-Übergang zu finden, erhöht werden.
Den Forschenden ist es mit diesem Vorgehen gelungen, die Energie des
gesuchten Thorium-Übergangs exakt zu treffen, und die Thorium-Kerne lieferten
zum ersten Mal ein klares Signal: Der Laserstrahl hatte ihren Zustand gezielt
umgeschaltet. Die erfolgreiche Laser-Kernanregung öffnet nun die Tür für eine
Atomkern-Uhr, die noch einmal deutlich genauer sein könnte als die heutigen
Atomuhren. Sie könnte die grundlegenden Fragen der Quantenforschung nach dem
Ursprung unserer Welt – z. B. ob Naturkonstanten seit dem Urknall konstant sind
– beantworten helfen. Und wenn die nun realisierten Thorium-dotierten Kristalle
weiterentwickelt werden, könnten Thorium-Kerne gezielt als Sonden in Kristalle
oder Moleküle eingebaut werden und dort neue Informationen über mikroskopische
Materialeigenschaften zugänglich machen.
Der Fachartikel über die Arbeit erschien nun in der Zeitschrift Physical
Review Letters.
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