Wie der Zwergplanet zu seinem Herzen kam
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Bern astronews.com
17. April 2024
Eine riesige herzförmige Struktur auf der Oberfläche des Pluto fasziniert seit
dem Vorüberflug der Sonde New Horizons Öffentlichkeit und Wissenschaft.
Ein internationales Forschungsteam glaubt nun, die Entstehung des Herzens
geklärt zu haben - es entstand durch einen gewaltigen Einschlag. Über einen
Ozean unter der Oberfläche dürfte der Zwergplanet danach allerdings eher nicht
verfügen.
Pluto-Aufnahme der Sonde New Horizons.
Bild: NASA / Johns Hopkins University Applied
Physics Laboratory / Southwest Research Institute [Großansicht] |
Seit die Kameras der NASA-Mission New Horizons im Jahr 2015 eine
große herzförmige Struktur auf der Oberfläche des Zwergplaneten Pluto entdeckt
haben, gibt dieses "Herz" Astrophysikerinnen und Astrophysikern aufgrund seiner
einzigartigen Form, seiner geologischen Zusammensetzung und seiner Höhe Rätsel
auf. Ein Team von Forschenden der Universität Bern, darunter mehrere Mitglieder
des Nationalen Forschungsschwerpunkts (NFS) PlanetS, und der University of
Arizona in Tucson, hat mit numerischen Simulationen die Entstehung von
Sputnik Planitia, dem westlichen, tropfenförmigen Teil von Plutos
"Herz"-Oberfläche, untersucht. Ihren Untersuchungen zufolge wurde Plutos frühe
Geschichte durch ein drastisches, plötzliches Ereignis geprägt, aus dem Sputnik
Planitia hervorging: eine Kollision mit einem planetarischen Körper mit einem
Durchmesser von etwa 700 Kilometern. Die Ergebnisse des Teams deuten auch darauf
hin, dass die innere Struktur von Pluto anders ist als bisher angenommen, was
bedeuten könnte, dass es keinen unterirdischen Ozean gibt.
Das "Herz", auch bekannt als Tombaugh Regio, erregte sofort nach seiner
Entdeckung die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit. Es weckte aber auch sofort das
Interesse von Forschenden, weil es mit einem Material mit hohem
Rückstrahlvermögen bedeckt ist, das mehr Licht reflektiert als seine Umgebung,
wodurch seine weißere Farbe entsteht. Das "Herz" besteht jedoch nicht aus einem
einzelnen Element. Der westliche Teil wird Sputnik Planitia genannt und umfasst
eine Fläche von 1200 mal 2000 Kilometern, was einem Viertel der Fläche Europas
oder der Vereinigten Staaten entspricht. Auffallend ist jedoch, dass diese
Region drei bis vier Kilometer tiefer liegt als der größte Teil der Oberfläche
des Plutos.
"Das helle Erscheinungsbild von Sputnik Planitia ist darauf zurückzuführen,
dass es überwiegend mit weißem Stickstoff-Eis gefüllt ist. Das Eis bewegt sich,
und es findet ein Strömungstransport statt, so dass die Oberfläche ständig
geglättet wird. Dieser Stickstoff hat sich höchstwahrscheinlich nach dem
Einschlag aufgrund der geringeren Höhe schnell angesammelt", erklärt Dr. Harry
Ballantyne von der Universität Bern. Der östliche Teil des "Herzens" ist
ebenfalls von einer ähnlichen, aber viel dünneren Schicht aus Stickstoffeis
bedeckt, deren Ursprung den Forschenden noch unklar ist, die aber wahrscheinlich
mit Sputnik Planitia zusammenhängt.
"Die längliche Form von Sputnik Planitia deutet stark darauf hin, dass es
sich nicht um einen direkten Frontalaufprall, sondern um einen Schrägaufprall
handelte", betont Dr. Martin Jutzi von der Universität Bern, der die Studie
initiiert hat. Deshalb hat das Team eine in Bern entwickelte Simulationssoftware
verwendet, um solche Einschläge digital nachzubilden und dabei sowohl die
Zusammensetzung von Pluto und des Einschlagkörpers als auch dessen
Geschwindigkeit und seinen Einschlagswinkel zu variieren. Diese Simulationen
bestätigten die Vermutungen über den schrägen Einschlagswinkel und bestimmten
die Zusammensetzung des Einschlagkörpers.
"Plutos Kern ist so kalt, dass das Gestein sehr hart blieb und trotz der
Hitze des Einschlags nicht schmolz. Und dank des schrägen Einschlagwinkels und
der geringen Geschwindigkeit sank der Kern des Einschlagkörpers nicht in Plutos
Kern ein, sondern blieb auf ihm liegen", erklärt Harry Ballantyne. "Irgendwo
unter Sputnik befindet sich der Restkern eines anderen massiven Körpers, den
Pluto nie ganz verdaut hat", ergänzt Erik Asphaug von der University of
Arizona.
Diese Härte des Kerns von Pluto und die relativ niedrige Geschwindigkeit des
Einschlagkörpers waren der Schlüssel zum Erfolg der Simulationen: Eine geringere
Stärke würde zu einer sehr symmetrischen Oberflächenstruktur führen, die nicht
wie die von New Horizons beobachtete Tropfenform aussieht. "Wir sind
daran gewöhnt, uns Planetenkollisionen als unglaublich intensive Ereignisse
vorzustellen, bei denen man die Details ignorieren kann, mit Ausnahme von Dingen
wie Energie, Impuls und Dichte. Aber im fernen Sonnensystem sind die
Geschwindigkeiten so viel langsamer und das feste Eis so stark, dass man bei
seinen Berechnungen viel genauer sein muss. Da fängt der Spaß an", so Asphaug.
Die beiden Teams arbeiten seit langem zusammen und erforschen bereits seit
2011 die Idee planetarer "Splats", um zum Beispiel Merkmale auf der Rückseite
des Mondes zu erklären. Nach unserem Mond und Pluto plant das Team der
Universität Bern, ähnliche Szenarien für andere Körper des äußeren Sonnensystems
zu erforschen, wie zum Beispiel für den Zwergplaneten Haumea.
Die aktuelle Studie wirft auch ein neues Licht auf Plutos innere Struktur.
Tatsächlich ist es sehr viel wahrscheinlicher, dass ein riesiger Einschlag wie
der simulierte sehr früh in Plutos Geschichte stattgefunden hat. Dies wirft
jedoch ein Problem auf: Es ist anzunehmen, dass sich eine riesige Vertiefung wie
Sputnik Planitia im Laufe der Zeit aufgrund der physikalischen Gesetze langsam
in Richtung des Pols des Zwergplaneten bewegen würde, da sie ein Massendefizit
aufweist. Doch sie befindet sich in der Nähe des Äquators. Die bisherige Theorie
besagt, dass Pluto, wie mehrere andere Planeten im äußeren Sonnensystem, einen
unterirdischen Ozean aus flüssigem Wasser besitzt. Gemäß dieser Theorie wäre die
Eiskruste des Pluto in der Region Sputnik Planitia dünner, so dass sich der
Ozean dort ausbeult, und da flüssiges Wasser dichter ist als Eis, entstünde ein
Massenüberschuss, der eine Wanderung von Sputnik Planitia in Richtung Äquator
bewirken würde.
Die neue Studie bietet jedoch eine alternative Perspektive. "In unseren
Simulationen wird der gesamte ursprüngliche Mantel des Pluto durch den Einschlag
ausgehöhlt, und wenn das Kernmaterial des Einschlagkörpers auf dem Kern des
Pluto angelagert wird, entsteht ein lokaler Massenüberschuss, der die Wanderung
in Richtung Äquator ohne einen unterirdischen Ozean, oder höchstens einen sehr
dünnen, erklären kann", sagt Jutzi. Dr. Adeene Denton von der University of
Arizona, ebenfalls Mitautorin der Studie, führt derzeit ein neues
Forschungsprojekt durch, um die Geschwindigkeit dieser Wanderung zu bestimmen.
"Dieser neuartige und kreative Ansatz, den Ursprung von Plutos herzförmiger
Struktur zu erklären, könnte zu einem besseren Verständnis von Plutos Ursprung
führen", hofft sie.
Die Ergebnisse wurden jetzt in der Fachzeitschrift Nature Astronomy
veröffentlicht.
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