Zweifel an der Entdeckung von Exomonden
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung astronews.com
12. Dezember 2023
Bei nur zweien der mehr als 5300 bekannten extrasolaren Planeten wurden bisher
Hinweise auf Monde gefunden. Doch gibt es sie wirklich? Neue Auswertungen der
Beobachtungsdaten mit einem neu entwickelten Computer-Algorithmus wecken nun
ernsthafte Zweifel. Naheliegender erscheinen Interpretationen der Daten, die
ohne Mond auskommen.
Künstlerische Darstellung des Planeten
Kepler-1625b und seines potentiellen Mondes.
Bild: NASA, ESA und L. Hustak (STScI)[Großansicht] |
Dass ein Planet von einem oder mehreren Monden umrundet wird, ist in unserem
Sonnensystem eher die Regel denn die Ausnahme: Abgesehen von Merkur und Venus
schmücken sich alle anderen Planeten mit solchen Begleitern; im Fall des
Gasriesen Saturn sind es sogar mehr als 140. Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler halten es deshalb für wahrscheinlich, dass auch ferne
Sternsysteme Monde beherbergen. Hinweise auf solche Exomonde gab es bisher
jedoch nur in zwei Fällen: bei den Exoplaneten Kepler-1625b und Kepler-1708b.
Diese geringe Ausbeute verwundert nicht. Schließlich dürften ferne Trabanten
naturgemäß deutlich kleiner sein als ihre Heimatwelten – und somit deutlich
schwerer zu finden. Zudem ist es ausgesprochen aufwändig, die Messdaten
tausender Exoplaneten auf Hinweise von Monden zu durchkämmen.
Um die Suche zu erleichtern und zu beschleunigen, setzen die beiden Autoren
der jetzt vorgestellten Studie auf einen selbst entwickelten, für die Suche nach
Exomonden optimierten Such-Algorithmus. Im vergangenen Jahr hatten sie ihre
Methode veröffentlicht; der Algorithmus steht als Open-Source-Code allen
Forschenden zur Verfügung. Angewandt auf die Messdaten von Kepler-1625b und
Kepler-1708b ergab sich nun Erstaunliches: "Gerne hätten wir die Entdeckung von
Exomonden um Kepler-1625b und Kepler-1708b bestätigt", so Dr. René Heller vom
Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) in Göttingen. "Doch leider
zeigen unsere Auswertungen etwas anderes", fügt er hinzu.
Der Jupiter-ähnliche Planet Kepler-1625b hatte vor fünf Jahren zum ersten Mal
Schlagzeilen gemacht. Forscher der Columbia University in New York
berichteten von statistisch deutlichen Hinweisen auf einen Riesenmond in seiner
Umlaufbahn, der alle Monde des Sonnensystems in den Schatten stellen würde.
Ausgewertet hatten die Wissenschaftler Messdaten des NASA-Weltraumteleskops
Kepler, das in seinem ersten Missionsabschnitt von 2009 bis 2013 mehr als
100.000 Sterne beobachtete und auf diese Weise mehr als 2000 Exoplaneten
entdeckte. Doch in den folgenden Jahren lieferte der Exomond seinen Entdeckern
eine Art kosmisches Versteckspiel: In erneuten Auswertungen derselben Daten
zeigte er sich nicht mehr; doch in weiteren Messungen des Weltraumteleskops
Hubble fanden sich wieder Hinweise. Im vergangenen Jahr dann bekam der
launisch anmutende Exomond Verstärkung: Auch um den Jupiter-großen Planeten
Kepler-1708b kreise ein kleinerer Körper, so die New Yorker Forscher.
"Exomonde sind so weit entfernt, dass man sie auch mit leistungsstarken
Teleskopen leider nicht direkt sehen und nachweisen kann", erklärt Heller.
Stattdessen zeichnen Teleskope die Helligkeitsschwankungen ferner Sterne auf.
Diese Daten werden als Lichtkurve bezeichnet. Darin suchen die Forschenden dann
nach Anzeichen von Monden. Zieht ein Exoplanet von der Erde aus betrachtet vor
seinem Stern entlang, verdunkelt er während dieses sogenannten Transits den
Stern in regelmäßigen Abständen um einen winzigen Bruchteil. Ein Exomond, der
den Planeten begleitet, würde sich ähnlich auswirken. Allerdings wäre dessen
Spur in der Lichtkurve nicht nur deutlich schwächer. Wegen der Bewegung, die
Mond und Planet um ihren gemeinsamen Schwerpunkt vollziehen, würde diese
zusätzliche Verdunklung in der Lichtkurve auch einem recht komplizierten Muster
folgen. Zudem variiert die Helligkeit eines Sterns ganz ohne Planeten und Monde
ständig. Und schließlich erzeugt auch das Teleskop, das die
Helligkeitsschwankungen beobachtet, eine Art Rauschen in den Messdaten.
Um die Monde dennoch aufzuspüren, berechnen sowohl die New Yorker Forscher
als auch ihre deutschen Kollegen zunächst Abermillionen "künstliche" Lichtkurven
für alle denkbaren Größen, Abstände und Ausrichtungen möglicher Planeten und
Monde. Ein Algorithmus vergleicht diese simulierten Lichtkurven dann mit der
gemessenen Kurve und sucht die beste Übereinstimmung. Die Forscher aus Göttingen
und Sonneberg nutzten nun dafür ihren Open-Source-Algorithmus Pandora,
der auf die Suche nach Exomonden optimiert ist und diese Aufgabe um mehrere
Größenordnungen schneller lösen kann als früher verwendete Algorithmen.
Im Fall des Planeten Kepler-1708b können Szenarien ganz ohne Mond die
Messdaten genau so treffend erklären wie solche mit Mond, so die Forscher in der
aktuellen Studie. "Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Mond um Kepler-1708b kreist,
ist eindeutig geringer als bisher berichtet", so Michael Hippke vom Sonneberg
Observatorium. "Die Daten legen die Existenz eines Exomonds um Kepler-1708b
nicht nahe." Vieles spricht dafür, dass auch Kepler-1625b ohne kleineren
Begleiter seine Runden zieht. Transits dieses Planeten vor seinem Stern wurden
zuvor schon mit dem Kepler-Teleskop und dem Hubble-Teleskop beobachtet.
Die Forscher argumentieren, dass in der ursprünglichen Auswertung der
kombinierten Daten unter anderem die Mitte-Rand-Verdunklung des Sterns nicht
ausreichend berücksichtigt wurde. Als Mitte-Rand-Verdunklung bezeichnen man in
der Astronomie das Phänomen, dass uns vom Rand eines Sterns weniger Strahlung
erreicht als von seiner Mitte. Der Rand der Sonne etwa, erscheint auf Aufnahmen
deshalb dunkler. Je nachdem, ob man den Heimatstern von Kepler-1625b durch das
Kepler- oder das Hubble-Teleskop betrachtet, sieht die Mitte-Rand-Verdunklung
allerdings verschieden aus. Das hängt mit dem Wellenlängenbereich des Lichtes
zusammen, das die Teleskope verarbeiten.
Die Forscher aus Göttingen und Sonneberg konnten zeigen, dass ihre
Modellierung dieses Effekts die Daten schlüssiger erklärt als ein riesiger
Exomond. Ihre neuen, umfangreichen Analysen legten zudem nahe, dass Exomond-Suchalgorithmen
nicht selten zu falschpositiven Ergebnissen kommen: Immer wieder "entdecken" sie
einen Mond, wo gar keiner ist. Im Fall einer Lichtkurve wie der von Kepler-1625b
dürfte die Quote der "falschen Treffer" bei etwa elf Prozent liegen. "Die
frühere Exomond-Behauptung der Kollegen aus New York war das Ergebnis einer
Suche nach Monden um dutzende Exoplaneten", so Heller. "Nach unseren
Abschätzungen ist ein falschpositiver Fund gar nicht verwunderlich, sondern
geradezu zu erwarten", fügt er hinzu.
Die Forscher nutzten zudem ihren Algorithmus um zu prüfen, welche Art von
Exomonden sich überhaupt durch deutlich auffindbare Spuren in Lichtkurven
verraten würden. Demnach sind nur besonders große Monde, die in großem Abstand
um ihren Planeten kreisen, nach heutigem Stand der Technik auffindbar. Im
Vergleich zu den vertrauten Monden unseres Sonnensystems wären es allesamt
Sonderlinge: mindestens doppelt so groß wie Ganymed, der größte Mond des
Sonnensystems und damit fast so groß wie die Erde. "Die ersten Exomonde, die wir
in zukünftigen Beobachtungen wie etwa von der PLATO-Mission entdecken werden,
werden sicher sehr ungewöhnlich und somit aufregend zu erforschen sein", so
Heller.
Die Ergebnisse von Heller und Hippke wurden in der Fachzeitschrift Nature
Astronomy veröffentlicht.
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