Neuer Katalog enthält fast 300 Gammapulsare
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik astronews.com
28. November 2023
Ein jetzt vorgestellter Katalog von Gammapulsaren, die
mithilfe des Fermi Gamma-ray Space Telescope der NASA entdeckt wurden,
enthält 294 Pulsare sowie 34 Pulsarkandidaten. Damit sind inzwischen 27-mal mehr
Objekte dieser Art bekannt als beim Start der Mission. Von Forschenden in
Hannover wurden allein 53 der im Katalog enthaltenen Pulsare aufgespürt.
Der gesamte Himmel wie ihn das Fermi Gamma-ray
Space Telescope der NASA sieht. Die Ebene der Milchstraße
verläuft entlang der horizontalen Linie in der Mitte. Die
Grauskala zeigt die Intensität der beobachteten
Gammastrahlung. Kleine blaue Kreise markieren die Pulsare im
nun veröffentlichen Katalog. Gelbe und rote Kreise zeigen die
53 Gammapulsare, die von Forschenden am Max-Planck-Institut
für Gravitationsphysik in Hannover entdeckt wurden. Die gelben
Kreise markieren die mit dem verteilten Rechenprojekt
Einstein@Home entdeckten und die roten Kreise die mit dem
Großrechner Atlas gefundenen Gammapulsare.
Bild: The Fermi-LAT collaboration / MPI für
Gravitationsphysik [Gesamtansicht] |
"Allein die Anzahl von fast 300 Gammapulsaren ist eine fantastische Leistung
und unterstreicht die wichtige Rolle, die das Fermi Gamma-ray Space
Telescope spielt, seit es begonnen hat, unser Universum zu beobachten“,
sagt Colin Clark, Gruppenleiter am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik
(Albert-Einstein-Institut, AEI) in Hannover. "Ich bin sehr stolz darauf, dass
jeder sechste Gammapulsar im Katalog von Forschenden unseres Instituts entdeckt
wurde." Die Beobachtung von Pulsaren ermöglicht weitere Untersuchungen in
mehreren anderen Bereichen der Astronomie, beispielsweise bei der Suche nach
Gravitationswellen und Dunkler Materie oder dem Verständnis kosmischer Strahlung
und der Sternentwicklung. Der jetzt veröffentlichte Katalog enthält umfassende
Informationen über alle 294 bekannten Gammapulsare und die 34 Kandidaten.
Pulsare sind besondere Neutronensterne: Überreste massereicher Sonnen, die
als Supernova explodiert und so groß wie eine Stadt sind. In einer Kugel mit
weniger als 27 Kilometer Durchmesser enthalten sie mehr Masse als unsere Sonne.
Neutronensterne haben starke Magnetfelder, erzeugen Winde von energiereichen
Teilchen und drehen sich schnell – bis zu 700 Mal pro Sekunde. Pulsare senden
auch schmale Energiebündel aus, die wie das Licht von Leuchttürmen den Weltraum
überstreichen, während die Objekte rotieren. Wenn diese Strahlen die Erde
regelmäßig erreichen, beobachtet man Energiepulse.
Der neue Katalog ist das Ergebnis der Arbeit von 170 Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftlernn aus der ganzen Welt. Von den 300 Pulsaren, die in dem Katalog
aufgeführt sind, haben Forschende des AEI Hannover 53 entdeckt. Mithilfe des
Einstein@Home-Projekts und des Großrechners Atlas des Instituts haben sie auch
Gammapulsare aufgespürt, die keine Radiowellen abgeben. Dies erforderte
Millionen Stunden an Computerrechenzeit – ein Prozess, der als Blindsuche
bezeichnet wird.
Das freiwillige verteilte Rechenprojekt Einstein@Home stellt die nötige
Rechenleistung zur Verfügung, indem es zehntausende Computer von
Bürgerwissenschaftlerinnen und Bürgerwissenschaftlern aus der ganzen Welt zu
einem globalen Supercomputer verbindet. Einstein@Home durchsucht Daten der
LIGO-Gravitationswellen-Detektoren, vom Radioteleskop MeerKAT, vom
Gammasatelliten Fermi und Archivdaten des Arecibo-Radioteleskops. Der
neue Katalog enthält auch die von Einstein@Home zuletzt entdeckten 14
Gammapulsare.
Die meisten der 3400 bekannten Pulsare befinden sich in unserer
Heimatgalaxie, der Milchstraße, und lassen sich mittels Radiowellen beobachten.
Nur etwa zehn Prozent sind als Quellen pulsierender Gammastrahlung, der
energiereichsten Form von Licht, beobachtbar. Die Astronomie unterscheidet
verschiedene Arten von Pulsaren. Junge Pulsare sind in der Regel Einzelobjekte,
die bei einer Supernova-Explosion vor mehreren tausend Jahren entstanden sind.
Sie drehen sich typischerweise ein paar bis ein paar Dutzend Mal pro Sekunde.
Die Abstrahlung von Energie verlangsamt allmählich ihre Rotation.
Paradoxerweise drehen sich Pulsare, die Tausende Male älter sind, viel
schneller: bis zu einigen hundert Mal pro Sekunde. Sie werden daher
Millisekundenpulsare genannt. "Fast die Hälfte der Objekte in unserem neuen
Katalog sind schnell rotierende Millisekundenpulsare. Vor Fermi haben
wir noch nie einen Millisekundenpulsar im Gammastrahlenbereich gesehen", sagt
Lars Nieder, Forscher am AEI Hannover. Beobachtungen von Millisekundenpulsaren
in Doppelsternsystemen mit einem Sternenpartner liefern Hinweise zum Verständnis
des Paradoxons. Ist er auf sich allein gestellt, verlangsamt die Abstrahlung
einen Pulsar. Wenn dies geschieht, wird seine Abstrahlung zudem schwächer.
Bildet er jedoch ein enges Paar mit einem normalen Stern, so kann die
Schwerkraft des Pulsars einen Materiestrom von seinem Begleiter anziehen. Dieser
kann die Rotation des Pulsars im Laufe der Zeit wieder beschleunigen.
Die sogenannten "Spinnen"-Systeme bieten einen Einblick in das, was danach
passiert. Sie sind nach Spinnen benannt, die dafür bekannt sind, ihre Partner zu
verspeisen: "Schwarze Witwen" haben massearme Begleiter (mit weniger als fünf
Prozent der Masse unserer Sonne), während "Rotrücken" schwerere Begleiter haben.
Wird die Rotation des Pulsars beschleunigt, so werden seine Abstrahlung und sein
Teilchenwind so energiereich, dass er durch Vorgänge, die nur unvollständig
verstanden sind, seinen Begleiter aufheizt und langsam verdampft. Die
energiereichsten Spinnenpulsare können ihre Begleiter vollständig verdampfen und
einen einzelnen isolierten Millisekundenpulsar zurücklassen.
J1555–2908 ist eine Schwarze Witwe mit Überraschungseffekt – mit ihrem
Gravitationsnetz könnte sie einen vorbeiziehenden Planeten eingefangen haben.
Eine Analyse von zwölf Jahren Fermi-Daten unter Leitung von AEI-Forschenden
zeigt langfristige Schwankungen der Rotation, die viel größer sind als bei
anderen Millisekundenpulsaren. "Wir glauben, dass ein Modell, das den Planeten
als dritten Körper in einer weiten Umlaufbahn um den Pulsar und seinen Begleiter
einbezieht, die Veränderungen etwas besser beschreibt als andere Erklärungen.
Aber wir brauchen noch ein paar Jahre an Fermi-Beobachtungen, um es zu
bestätigen", sagt Clark.
Der neue Katalog enthält auch etwa ein Dutzend Kandidaten für mögliche
Spinnensysteme. "Diese Objekte sehen Spinnenpulsaren sehr ähnlich, aber wir
müssen ihr Pulsieren im Gammastrahlenbereich noch identifizieren", erklärt
Nieder. "Einige von ihnen könnten lohnende Ziele für Suchen mit Einstein@Home
sein. Wir freuen uns darauf, weitere solche Pulsare zu entdecken, indem wir
Beobachtungen von großen optischen Teleskopen nutzen, um die Rechenleistung von
Einstein@Home gezielt einzusetzen."
Fermi misst weiter und spürt neue Quellen von Gammastrahlen auf, und
Hunderte von ihnen sind noch nicht identifiziert. Einige davon könnten neue
Gammapulsare sein, die, wenn sie in der Zukunft entdeckt werden, ihren Weg in
die nächste Version des Fermi-Katalogs für Gammapulsare finden. Der aktuelle
Fermi-Katalog für Gammapulsare wurde in der Fachzeitschrift Astrophysical
Journal veröffentlicht.
|