Neuer Blick auf das Wasserstoffbrennen massereicher Sterne
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf astronews.com
17. Oktober 2023
Im Dresdner Felsenkeller-Beschleuniger wurde jetzt eine
Kernreaktion untersucht, die im Inneren massereicher Sterne abläuft. Sie ist der
erste Schritt des sogenannten CNO-Zyklus und wurde bereits zuvor mit
Beschleunigern erforscht. Doch in der neuen Studie erlebten das Team eine
Überraschung: Der bislang akzeptierte Wert für den Wirkungsquerschnitt muss wohl
korrigiert werden.
Neuer Blick auf eine altbekannte
Kernreaktion: Beim Zusammenprall eines Kohlenstoffkerns mit
einem Wasserstoffkern entsteht das Isotop Stickstoff-13 und
Gammastrahlung wird frei.
Bild: Bernd Schröder / HZDR [Großansicht] |
"Wir haben eine altbekannte Kernreaktion unter die Lupe genommen, die für die
Elemententstehung in massereichen Sternen bedeutsam und darüber hinaus eine der
frühesten ist, die im Labor mit Beschleunigern untersucht wurde: Die Kollision
eines Wasserstoffkerns mit einem Kohlenstoffkern, in deren Folge das Isotop
Stickstoff-13 entsteht und Gammastrahlung freigesetzt wird. Sie ist der erste
Schritt des sogenannten CNO-Zyklus, auch als Bethe-Weizsäcker-Zyklus bekannt.
Wir waren vor allem am Wirkungsquerschnitt dieser Reaktion interessiert, der
Auskunft über die Wahrscheinlichkeit ihres Auftretens gibt", sagt Prof. Daniel
Bemmerer vom Institut für Strahlenphysik des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf
(HZDR).
Diesen Parameter hat ein Team aus italienischen, ungarischen, schottischen
und deutschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern im Untertagelabor
Felsenkeller nun mit bisher beispielloser Präzision bestimmt. Das überraschende
Ergebnis: der bisher akzeptierte Wert muss um rund 25 Prozent nach unten
korrigiert werden. Das Ergebnis legt nahe, dass das Einbrennen des CNO-Zyklus
länger gedauert hat als bisher gedacht und die Emission solarer 13N-Neutrinos im
Mittel näher am Zentrum der Sonne stattfindet als vermutet. Die neuen Daten
erlauben zudem genauere theoretische Vorhersagen für das Verhältnis der
Kohlenstoff-Isotope 12C/13C in Sternen, die wiederum helfen, Modelle für die
Vorgänge in deren Innerem zu überprüfen und zu verbessern.
Sterne beziehen ihre Energie aus der Fusion von Wasserstoff zu Helium. In
Abhängigkeit der Masse des Himmelskörpers sind dafür unterschiedliche Prozesse
bekannt. So läuft in massearmen Sternen wie unserer Sonne vor allem die
sogenannte Proton-Proton-Kette ab. In massereichen Sternen pressen die starken
Gravitationskräfte die Wasserstoffkerne jedoch so sehr zusammen, dass hier
deutlich höhere Temperaturen herrschen. Dadurch können die Wasserstoffkerne
zusätzlich mit Kohlenstoffkernen reagieren. Obwohl diese keine zwei Prozent der
interstellaren Materie ausmachen, aus der Sterne entstehen, reicht diese
Konzentration aus, um den CNO-Zyklus in Gang zu bringen und am Laufen zu halten.
Sie wirken dabei als Katalysator: Sie beschleunigen die Reaktion, ohne jedoch
selbst dabei verbraucht zu werden. Die Netto-Reaktion ist am Ende die gleiche
wie beim Proton-Proton-Zyklus: die Fusion von Wasserstoff zu Helium.
Doch in Sternen mit CNO-Zyklus läuft diese Reaktion wesentlich schneller ab.
"Als Targets verwenden wir Scheiben aus Tantal, auf die Kohlenstoff aufgedampft
ist. Darauf schießen wir Protonen, die aus unserem 5-MV-Pelletron-Beschleuniger
stammen und einen relativ weiten Energiebereich überstreichen. Die bei der
Reaktion entstehenden Gammaquanten können wir mit 20 empfindlichen
Reinstgermanium-Detektoren nachweisen", schildert Bemmerer das experimentelle
Vorgehen.
Das gemeinsam vom HZDR und der TU Dresden betriebene Untertagelabor
Felsenkeller im Plauenschen Grund ist für solche Messungen optimal. Eine 45
Meter dicke Felsschicht im Stollen des ehemaligen Eislagers der Dresdner
Felsenkeller-Brauerei schützt die Detektoren vor kosmischer Strahlung, deren
Hintergrundsignale die Ergebnisse verfälschen können.
Die aktuelle Arbeit ist darüber hinaus ein gutes Beispiel für die
innereuropäische Zusammenarbeit in der Astrophysik-Community: Ein Doktorand der
Universität Padua forschte während des Experiments für sechs Monate am
Felsenkeller. Die Teilnahme weiterer Messgäste aus Italien, Ungarn und
Schottland wurde von der EU im Rahmen des Projekts ChETEC-INFRA finanziell
unterstützt.
Über die Ergebnisse berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Physical Review C erschienen ist.
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