Astrophysik im Untergrund
Redaktion
/ Pressemitteilung des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf astronews.com
26. August 2014
Die Astrophysik wird ein hartnäckiges Problem nicht los: Das
Element Lithium kommt nicht in den Mengen in Sternen vor, die rechnerisch für
die Lithium-Entstehung direkt nach dem Urknall vorhergesagt werden. Doch die
Berechnungen stimmen - das konnte jetzt erstmals auch experimentell im
Untertagelabor im italienischen Gran-Sasso-Bergmassiv bestätigt werden.
Lithium
entstand, so die Theorie, im Universum direkt
nach dem Urknall und damit noch vor den ersten
Sternen.
Bild: NASA/JPL-Caltech |
Lithium ist neben Wasserstoff und Helium eines der drei Elemente, die
nicht erst innerhalb von Sternen erzeugt werden müssen. Stattdessen - so die
Theorie - sind sie schon früh durch die sogenannte primordiale Nukleosynthese
entstanden. Das heißt: Im nur wenige Minuten alten Universum haben sich
Neutronen und Protonen zu den Kernen der ersten drei Elemente verbunden. Am
Laboratory for Underground Nuclear Astrophysics (LUNA) wurde die
Kernentstehung von Lithium nun von einem internationalen Forscherteam
nachgestellt. Daran beteiligt waren auch Wissenschaftler der Technischen
Universität Dresden und des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR).
In dem italienischen Untertagelabor feuerten die Wissenschaftler Heliumkerne
auf schweren Wasserstoff (sogenanntes Deuterium), um Energien wie kurz nach dem
Urknall zu erreichen. So sollte gemessen werden, wie viel Lithium unter
Bedingungen entsteht, die denen im Frühstadium des Universums ähneln. Das
Ergebnis des Experiments: Die Daten bestätigten die theoretischen Vorhersagen,
die mit den beobachteten Lithium-Konzentrationen im Universum nicht vereinbar
sind.
"Zum ersten Mal überhaupt konnte mit unserem Experiment die
Lithium-6-Produktion in einem Teil des Urknall-Energiebereichs untersucht
werden", erklärt Daniel Bemmerer vom HZDR. Lithium-6 (drei Neutronen, drei
Protonen) ist eines der beiden stabilen Isotope des Elements. Die Entstehung von
Lithium-7, welches über ein zusätzliches Neutron verfügt, wurde bereits 2006 von
Bemmerer am LUNA untersucht.
Mit den neuen Ergebnissen bleibt das Lithium-Problem somit eine harte Nuss:
Einerseits sprechen nun alle Labor-Ergebnisse der Astrophysiker dafür, dass die
Theorie der primordialen Nukleosynthese korrekt ist. Andererseits zeigen viele
Beobachtungen von Astronomen, dass die ältesten Sterne in unserer Milchstraße
nur halb so viel Lithium-7 enthalten wie vorhergesagt.
Aufsehenerregende Berichte von schwedischen Forschern, die in solchen Sternen
außerdem deutlich mehr Lithium-6 entdeckten als vorhergesagt, müssen wohl auch
aufgrund der neuen LUNA-Daten noch einmal überprüft werden. "Sollten in Zukunft
wieder ungewöhnliche Lithium-Konzentrationen beobachtet werden, wissen wir dank
der neuen Messung, dass die Erklärung nicht in der Urknall-Nukleosynthese liegen
kann," so Bemmerer.
Wichtig für die Untersuchungen war auch die besondere Lage von LUNA: Im
Bergmassiv Gran Sasso d’Italia halten 1.400 Meter Felsgestein störende kosmische
Strahlung fern. Zusätzlich ist das Labor in eine Bleihülle gekleidet. Nur durch
eine solch gute Abschirmung können die seltenen Wechselwirkungen zwischen den
Kernen präzise erfasst werden.
Schon im nächsten Jahr soll aber auch in Dresden ähnliche Forschung möglich
sein. Dann wollen die Technische Universität Dresden und das Helmholtz-Zentrum
Dresden-Rossendorf das Beschleunigerlabor "Felsenkeller" in Betrieb nehmen. In
dem ehemaligen Brauerei-Keller schirmen zwar nur 45 Meter Fels die natürliche
Strahlung ab, dies reiche laut Bemmerer vom HZDR für viele Messungen aber
bereits aus. Zudem habe das neue Labor einen mehr als zwölfmal so starken
Teilchenbeschleuniger zu bieten: "Dort können wir dann unsere Experimente
erweitern und die Entstehung der Elemente in höheren Energiebereichen
erforschen."
Die aktuellen Ergebnisse wurden jetzt in der Fachzeitschrift Physical
Review Letters veröffentlicht.
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