Elmshorn ist kleine Sensation für die Meteoritenforschung
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt astronews.com
26. Mai 2023
Es ist extrem selten, kommt aber vor: der Einschlag eines
Meteoriten in ein Haus - wie etwa am 25. April 2023 in Elmshorn nordwestlich von
Hamburg. Nach einer hellen Leuchterscheinung wurden Einschläge auf Dächern und
in Gärten der Stadt dokumentiert. In den folgenden Tagen konnten über drei
Kilogramm des Meteoriten gesammelt werden - ein Glücksfall für die Wissenschaft.
Vom DLR beauftragte Mitglieder des
Arbeitskreis Meteore (AKM) dokumentierten kurz nach dem
Meteoritenfall ein 233,4 Gramm schweres
Steinmeteoriten-Fundstück und die beschädigten Dachpfannen.
Foto: Carsten Jonas, AKM [Großansicht] |
Am 25. April 2023 leuchtete um 14:14 MESZ für etwa zwei Sekunden eine
Tageslicht-Feuerkugel über Schleswig-Holstein auf. Diese helle Leuchterscheinung
wurde von zwei Meteorkameras des Allsky7-Netzwerks aufgezeichnet und von einigen
Augenzeugen in Deutschland und den Niederlanden beobachtet. Kurz darauf
entdeckten drei Einwohner der Stadt Elmshorn Einschläge auf Dächern bzw. in
ihren Gärten und fanden Meteorite von einigen hundert Gramm bis mehrere
Kilogramm Masse.
Journalisten kontaktierten daraufhin Dieter Heinlein aus Augsburg, den
Meteoriten-Spezialisten des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR).
Dieser konnte bereits anhand von Fotos sicherstellen, dass es sich um echte
Steinmeteorite handelt, welche die Schäden an Hausdachpfannen verursacht hatten,
und er organisierte die wissenschaftliche Untersuchung der Himmelssteine.
Dankenswerter Weise stellten die Eigentümer der Meteoritenstücke umgehend
Material für die Analysen zur Verfügung: Ein Glücksfall für die Meteoriten- und
damit auch die Planetenforschung.
Mit der raschen Untersuchung können kurzlebige Radioisotope – instabile und
schwach strahlende Nuklide oder "Sorten" von radioaktiven Elementen – untersucht
werden und wichtige Hinweise zur Herkunft und Geschichte des Steinmeteoriten
liefern. Das als erstes gefundene Meteoritenstück von 233 Gramm war von seinem
Flug durch die Erdatmosphäre sogar noch handwarm. Kreuzen Staubkörner oder eben
auch größere Gesteins- und (viel seltener) Metallfragmente die Bahn der Erde um
die Sonne und treten im "Kollisionsfall" dabei in die Erdatmosphäre ein, werden
sie bei den hohen Geschwindigkeiten von bis zu 200.000 Kilometern pro Stunde und
mehr von der Reibung der dadurch glühend heißen oberen Atmosphäre der Erde
oberflächlich stark erhitzt. Dabei verglühen kleine Fragmente vollständig, was
als Meteoroid oder „Sternschnuppe“ häufig von der Erde aus sichtbar ist.
Größere Eindringlinge aber bilden eine mehrere Sekunden lang am Firmament
sichtbare Feuerkugel, die am Ende der Hochtemperaturphase in mehreren
Zehntausendmeter Höhe mit lautem Knall zerbersten. Nur bei größeren Fragmenten
bleiben Reste mit typischer Schmelzkruste übrig, die nach dem Abbremsen durch
die Luftreibung abkühlen und mit Geschwindigkeiten von 150 bis 300 Kilometern
pro Stunde als Meteoriten auf den Boden fallen.
"Insgesamt wurden in Elmshorn etwa vier Kilogramm Meteoritengestein
gefunden", freut sich Meteoritenexperte Dieter Heinlein, der für das
DLR-Institut für Planetenforschung die Funde sofort eindeutig als Meteoriten
identifizieren konnte. "Das größte Objekt wiegt 3724 Gramm. Das allein ist für
die Forschung großartig. Das Beste an diesem Meteoritenfall ist aber der
Umstand, dass die Funde so schnell gemeldet und dadurch einer sofortigen
Untersuchung zugeführt werden konnten. Der Fall von Elmshorn ist wirklich eine
kleine Sensation für die Meteoritenforschung!"
Tatsächlich ereignete sich ein fast identischer Meteoritenfall nur zwei
Wochen später, am 8. Mai 2023, im Ort Hopewell im US-Bundesstaat New Jersey, als
eine Bürgerin im Schlafzimmer ihres Vaters einen 984 Gramm schweren Meteoriten
auf dem Boden fand – darüber ein Loch in der Decke, durch das der Bote aus dem
All eingedrungen war. Auch in New Jersey wurde kurz vor dem Fund eine Feuerkugel
in der Hochatmosphäre gesichtet. Ein ganz außergewöhnlicher Zufall, die beiden
Ereignisse stehen aber in keinem astronomischen Zusammenhang.
Dieter Heinlein kontaktierte für die sofortige Untersuchung von "Elmshorn"
das Institut für Planetologie der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und
das VKTA – Strahlenschutz, Analytik & Entsorgung Rossendorf e. V. in Dresden. Am
VKTA analysiert Dr. Detlev Degering einen der gefundenen Meteorite aktuell im
Untertagelabor "Felsenkeller" per Gammaspektrometrie auf vorrangig kurzlebige
kosmogene Radionuklide, die allerdings extrem schwach strahlend sind und keine
Gefahr für die Finder darstellten.
Eine weitere Probe wird gegenwärtig am Institut für Planetologie in Münster
von den Wissenschaftlern Dr. Markus Patzek und Prof. Dr. Addi Bischoff
mineralogisch untersucht und klassifiziert. Unter Leitung der beiden
Planetologen werden weitere Forschungsarbeiten an dem Elmshorn-Meteoriten
koordiniert, an denen unter anderem Institute aus Deutschland, Frankreich und
der Schweiz beteiligt sind.
Vorläufige Ergebnisse bestätigen die zuvor gemachten Beobachtungen: Bei dem
Meteoritenfall von Elmshorn handelt es sich um einen Chondriten vom Typ H, der
intensive Brekziierung aufweist. Unter Brekzien versteht man Gesteine, die aus
Gesteinsbruchstücken zusammengesetzt oder durch Hitze zusammengebacken wurde.
Das bedeutet für den Elmshorn-Meteoriten, dass er ein Zeugnis komplexer
Vermischung und Verfestigungsprozesse durch vorherige Impakte im
Asteroidengürtel ist. Entstanden sind diese Gesteinsbrocken zusammen mit den
Planeten des Sonnensystems vor viereinhalb Milliarden Jahren. Zwischen den
Planeten Mars und Jupiter hätte sich aus Millionen dieser Planetesimale noch ein
weiterer Planet bilden können, was die Gravitation Jupiters, des mit Abstand
massereichsten Planeten des Sonnensystems, verhinderte. Auf zumeist stabilen
Bahnen umkreisen diese Überbleibsel der Planetenentstehung die Sonne.
Nach dem Meteoritenfall von Flensburg im Jahr 2019 ist es der nächste
beobachtete Meteoritenfall in Deutschland, bei dem Bruchstücke eines fremden
Himmelskörpers, der mit der Erde kollidierte, gefunden wurden. Wenige Kilogramm
schwere Meteoritenfälle wie "Elmshorn" oder 2002 "Neuschwanstein" erzeugen in
der Natur einen meist nur wenige Dezimeter tiefen Krater. In besiedeltem Gebiet
kann der Fall natürlich Schaden an Gebäuden verursachen. Das ist extrem selten
und passierte aufgezeichnet in den vergangenen beiden Jahrhunderten nur wenige
Male, so zum Beispiel am 25. April 2023 in Elmshorn.
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