Die Kruste des Mars ist dicker als die von Erde und Mond
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der ETH Zürich astronews.com
17. Mai 2023
Dank eines starken Bebens auf dem Mars und Messungen der
NASA-Sonde InSight konnte nun die globale Dicke der Kruste des Planeten
bestimmt werden. Im Durchschnitt ist die Marskruste mit 42 bis 56 Kilometern
viel dicker als die der Erde oder des Mondes. Auch für die markanten
Unterschiede zwischen Nord- und Südhalbkugel des Roten Planeten fand sich eine
Erklärung.
Der Mars ist auffallend zweiteilig:
Tiefländer (blau) dominieren die Nordhalbkugel, Hochebenen die
Südhalbkugel.
Bild: MOLA Science Team [Großansicht] |
Im Mai 2022 registrierte der Marsbebendienst an der ETH Zürich das stärkste
jemals auf einem anderen Planeten beobachtete Beben: Das Ereignis mit der
geschätzten Magnitude von 4,6 war vom Seismometer der InSight-Mission der NASA
auf der Marsoberfläche erfasst worden. "Dieses Marsbeben sandte starke
seismische Wellen aus, die sich entlang der Marsoberfläche bewegten", sagt
Doyeon Kim, Seismologe am Institut für Geophysik der ETH Zürich. Darauf hatten
die Forschenden schon lange gehofft, denn Oberflächenwellen bewegen sich nicht
nur vom Bebenherd zur Messstation, sondern umlaufen mehrmals den gesamten
Planeten. Sie liefern deshalb nicht nur Informationen über bestimmte Bereiche
des Planeten, sondern ermöglichen eine globale Sicht.
"Von diesem größten, während der gesamten InSight-Mission aufgezeichneten
Beben beobachteten wir Oberflächenwellen, die bis zu dreimal den Mars
umkreisten", erzählt der Seismologe. Um Aufschluss über die durchlaufenen
Strukturen zu erhalten, maßen die Forschenden, wie schnell sich diese Wellen bei
verschiedenen Frequenzen ausbreiten. Diese seismischen Geschwindigkeiten geben
Aufschluss über den inneren Aufbau in verschiedenen Tiefen. Zuvor erlaubten die
beobachteten Oberflächenwellen, die von zwei Meteoriteneinschlägen ausgingen,
nur begrenzte, regionale Erkenntnisse entlang der spezifischen Ausbreitungspfade
dieser Bebenwellen. "Dank dieses starken Bebens haben wir seismische
Beobachtungen, welche die globale Struktur darstellen", sagt Kim.
Ihre neu gewonnenen Resultate kombinierten die Forschenden mit bestehenden
Daten zur Schwerkraft und Topografie des Mars, und konnten so die Dicke der
Marskruste bestimmen. Sie beträgt durchschnittlich 42 bis 56 Kilometer. Am
dünnsten ist die Kruste im Bereich der Isidis-Tiefebene mit durchschnittlich
zehn Kilometern, am dicksten in der Provinz Tharsis mit 90 Kilometern. Zum
Vergleich: Die Erdkruste hat aufgrund seismischer Daten eine mittlere Dicke von
21 bis 27 Kilometer; die Dicke der Mondkruste, welche die Seismometer der
Apollo-Missionen eruierten, liegt zwischen 34 und 43 Kilometer. "Damit ist die
Marskruste viel dicker als die Kruste der Erde oder des Mondes", sagt Kim.
Generell hätten kleinere Planetenkörper in unserem Sonnensystem eine dickere
Kruste als größere, sagt der Forscher: "Wir hatten Glück. Auf der Erde wäre es
für uns schwierig gewesen, mit einem vergleichbar starken Beben wie dem auf dem
Mars die Dicke der Erdkruste zu bestimmen. Der Mars ist kleiner als die Erde, er
kann aber auch die seismische Energie effizienter transportieren."
Eines der wichtigsten Ergebnisse der Studie betrifft den Unterschied zwischen
der Nord- und Südhalbkugel des Mars. Diesen Kontrast beobachtet man, seit es
Teleskope gibt; auf Bildern von Marssatelliten ist er besonders gut zu sehen:
Der Norden besteht aus flachen Tiefebenen, während es im Süden hohe Berge gibt.
Die Aufteilung in nördliches Tiefland und südliches Hochland wird
Mars-Dichotomie genannt. "Man könnte annehmen, dass sich dieser Unterschied
durch zwei verschiedene Gesteinszusammensetzungen erklären ließe", sagt Kim:
"Das eine Gestein wäre dichter, also schwerer als das andere." Oder aber die
Zusammensetzung ist im Norden und Süden dieselbe, doch die Dicke der Kruste
unterscheidet sich. Wenn die Kruste im Süden dicker ist, befindet sich weniger
von dem dichteren Material des Marsmantels unter ihr, während unter einer
dünneren Kruste im Norden mehr von diesem schwereren Material vorhanden ist.
Genau dies konnten die Forschenden nun nachweisen. "Anhand der seismischen
Beobachtungen und der Gravitationsdaten zeigen wir, dass die Dichte der Kruste
im nördlichen Tiefland und im südlichen Hochland ähnlich ist", so die Studie.
Dagegen reicht die Kruste auf der Südhalbkugel in eine größere Tiefe als auf der
Nordhalbkugel. "Diese Erkenntnis ist spannend und ermöglicht es uns, eine
langjährige wissenschaftliche Diskussion über den Ursprung und die Struktur der
Marskruste zu beenden", sagt Kim. Denn bereits im vergangenen Jahr lieferte die
Analyse von Meteoriteneinschlägen auf dem Mars Hinweise dafür, dass die Krusten
im Norden und Süden aus demselben Material bestehen.
Aus der Dicke der Marskruste lassen sich noch weitere Schlüsse ziehen.
"Unsere Studie erklärt, wie der Planet Wärme erzeugt und wie er sich thermisch
entwickelt hat", so Kim. Als Planet, der anders als die Erde nur über eine
einzige Platte verfügt, erzeugt in seinem Inneren vor allem der Zerfall von
radioaktiven Elementen, wie Thorium, Uran und Kalium, Wärme. Die Studie ergibt,
dass sich 50 bis 70 Prozent dieser Wärme produzierenden Elemente in der
Marskruste befinden. Diese starke Anreicherung könnte erklären, dass es darunter
lokale Regionen gibt, in denen bis heute möglicherweise Schmelzprozesse
stattfinden.
Die Ergebnisse wurden jetzt in einem Fachartikel veröffentlicht, die in der
Zeitschrift Geophysical Research Letters erschienen ist
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