Nur ruhender Vulkanismus in Cerberus Fossae?
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt astronews.com
28. Oktober 2022
Das Seismometer an Bord des NASA-Landers InSight
konnte Heiligabend 2021 den Einschlag eines Meteoriten auf dem Mars
registrieren, dessen Krater wenig später auch aus dem Orbit fotografiert wurde.
Die Auswertung der Daten lieferte wichtige Informationen über den inneren Aufbau
des Planeten. Andere InSight-Daten lassen vermuten, dass der Vulkanismus in
Cerberus Fossae nicht ganz erloschen ist.
Der Heiligabend 2021 entstandene Krater auf
dem Mars hat einen Durchmesser von 150 Metern.
Foto: NASA / JPL-Caltech / University of
Arizona
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Die NASA-Mission InSight registrierte an Heiligabend 2021 mit ihrem
Seismometer SEIS die Erschütterungen eines Meteoriteneinschlags auf dem Mars,
die so stark waren wie ein Beben der Magnitude 4. Unabhängig davon fotografierte
der Mars Reconnaissance Orbiter der NASA einen neuen, 150 Meter großen
Krater, der sich genau auf diesen 24. Dezember 2021 datieren ließ. Beide
Forschungsteams tauschten sich aus und kamen zu dem Schluss, dass die Quelle der
seismischen Aktivität und der Ort des neuen Kraters zusammenpassen. Dies war das
erste Mal, dass ein Meteoriteneinschlag auf einem anderen Planeten sowohl
fotografisch als auch seismisch registriert wurde. Erstaunlich waren große
Mengen von Wassereis, die durch den Einschlag mit dem offiziellen Namen S1094b
aus dem neuen Krater geschleudert wurden.
Der fotografische Nachweis hat den großen Vorteil, dass damit die
genaue Richtung und Entfernung zum Epizentrum exakt bekannt ist, was sich mit
einem einzelnen Seismometer sonst nur deutlich ungenauer abschätzen lässt.
Dadurch kann viel genauer berechnet werden, auf welchem Weg die seismischen
Wellen durch den Mars gelaufen sind, und welche Eigenschaften die Gesteine
entlang dieses Wegs haben. Die Beobachtung von Meteoriteneinschlägen hilft so,
das Innere des Mars noch besser zu verstehen. Als der Meteorit in der Region
Amazonis Planitia einschlug, sprengte er einen Krater mit einem Durchmesser von
150 Metern und einer Tiefe von 21 Metern in den Marsboden. Ausgeworfenes
Material färbt die Oberfläche bis in etliche Kilometer Entfernung dunkel und ist
vereinzelt noch in 37 Kilometer Entfernung zu sehen.
Mit der seismischen Detektion durch InSight und den nachfolgenden
Bildern des Mars Reconnaissance Orbiter hatten die Forscherinnen und
Forscher das äußerst seltene Glück, die Entstehung eines Kraters dieser Größe zu
beobachten. Mars hat insgesamt eine Vielzahl deutlich größerer Krater, die
allerdings auch mehrere Millionen oder Milliarden Jahre alt sind. Brandneue
Krater bieten Einblicke in die Prozesse der Kraterbildung und legen frische,
noch nicht von Wind, Wetter und Sonnenstrahlung modifizierte Materialien unter
der Oberfläche frei. In diesem Fall wurden große Eisbrocken, die durch den
Einschlag verstreut wurden, von der HiRISE-Farbkamera (High-Resolution Imaging
Science Experiment) des Mars Reconnaissance Orbiter der NASA
aufgenommen, was das Forschungsteam vermuten lässt, dass der Einschlag eine
Eisschicht in 10 bis 20 Metern Tiefe unter der Oberfläche freigelegt hat.
Für zukünftige bemannte Marsmissionen ist es besonders interessant, wo auf
dem Mars unterirdisches Eis für die menschliche Nutzung zu finden ist:
Unterirdisches Wassereis wurde schon mehrmals in den nördlichen Tiefebenen, aber
noch nie so nahe am Marsäquator gesichtet, wo der Mars am wärmsten ist. Nach der
Untersuchung des seismischen Signals des Einschlags nahmen sich das
Forschungsteam auch ältere Daten noch einmal vor, um nach ähnlichen
Seismogrammen zu suchen. Tatsächlich fanden sie, dass das Epizentrum eines
Marsbebens vom 18. September 2021 zu einem frischen Krater von mehr als 100
Meter Größe passt. Dieser Einschlag wird ebenfalls in der Studie beschrieben.
"Es ist außergewöhnlich einen frischen Krater dieser Größe zu entdecken", sagt
Ingrid Daubar von der Brown University in Providence im US-Bundesstaat
Rhode Island, die die wissenschaftliche Arbeitsgruppe für Einschläge bei
InSight leitet. "Das ist ein aufregender Moment in der geologischen
Geschichte des Mars, und wir durften ihn miterleben."
Das Beben, das durch den massiven Einschlag im Dezember 2021 ausgelöst wurde,
war das erste von der Mission beobachtete Beben mit Oberflächenwellen - einer
Art seismischer Welle, die sich entlang der Oberseite der Planetenkruste
ausbreitet. In einer weiteren Studie wurden diese Wellen genutzt, um die
Struktur der Marskruste zu untersuchen. "Die Analysen der beiden
Einschlagsereignisse zeigen, dass sich die Krustenstruktur auf der jeweiligen
Strecke zwischen Impakt und der InSight-Plattform von der Krustenstruktur an der
Landestelle selbst unterscheiden", erklärt Dr. Ana-Catalina Plesa vom
DLR-Institut für Planetenforschung. "Die im Durchschnitt höhere
Ausbreitungsgeschwindigkeiten der seismischen Wellen deuten auf eine andere
Zusammensetzung der Kruste in diesen Bereichen hin. Eine niedrigere Porosität
der Kruste dort könnte ebenfalls eine Ursache sein. Beides wiederum würde auf
eine höhere Krustendichte hinweisen und auf lokale Variationen in der Dichte der
Mars-Kruste, wie wir sie bisher nicht kannten."
Vorläufige Analysen deuten darauf hin, dass die Krustenstruktur der
nördlichen und südlichen Mars-Hemisphäre in den Tiefen von 5 bis 30 Kilometern
ähnlich sein könnten. "Weitere Analysen und der direkte Vergleich von
seismischen Wellen beider Einschlagsereignisse werden uns wichtige Hinweise über
die Bildung und Ausprägung der 'Mars-Dichotomie' geben, die die Teilung in
nördliche Tiefländer und südliche Hochländer auf dem Mars beschreibt", so Plesa
weiter.
In einer weiteren aktuellen Studie werden die in den vergangenen drei Jahren
registrierten Marsbeben in einen geologischen Kontext gesetzt: Die meisten
dieser Beben, für die ein Epizentrum berechnet werden konnte, ereigneten sich im
Gebiet Cerberus Fossae etwa 1500 Kilometer östlich der Position des
InSight-Landers. Dabei handelt es sich um ein Gebiet von relativ jungem
Vulkanismus, dessen letzte Ausbrüche vor etwa 50.000 bis 200.000 Jahren
stattfanden. "Ein auffälliges Merkmal von Cerberus Fossae sind hunderte
Kilometer lange, aber sehr schmale und tiefe Gräben, die sich wie Risse in einem
aufgehenden Teig durch die Landschaft ziehen", erklärt der Seismologe Dr. Martin
Knapmeyer vom DLR-Institut für Planetenforschung. "Solche Gräben können
entstehen, wenn sich vulkanische 'Gänge' bilden, wenn also Magma aus größerer
Tiefe in Risse der oberen Kruste eindringt, und dabei das ganze Gebiet aufwölbt
und anhebt. Im Laufe der Zeit erstarrt das Magma und zieht sich dabei etwas
zusammen. Einige der registrierten Marsbeben fanden an Orten statt, die sich in
der Nähe der zuletzt ausgeworfenen Lava befinden und einige eben auch unter den
sichtbaren Gräben. Dabei zeigen sich Seismogramme, die gut zu abkühlenden
Ganggesteinen passen", so Knapmeyer weiter.
Eine andere "Familie" von Marsbeben dagegen zeigt eine ungewöhnlich langsame
Bruchausbreitung, wie sie aus vulkanischen Gebieten auf der Erde, wie etwa auch
der Eifel, bekannt ist. Diese langsame Bruchausbreitung steht im Zusammenhang
mit der Erwärmung des Gesteins durch das eingedrungene Magma – je wärmer ein
Gestein, desto langsamer die Ausbreitung seismischer Wellen. "Damit zeigen die
Daten von SEIS, dass Cerberus Fossae auch im Untergrund von der Erde bekannten
vulkanischen Gebieten ähnelt, und der Vulkanismus dort vielleicht wie in der
Eifel noch nicht ganz erloschen ist, sondern gegenwärtig nur ruht",
unterstreicht Knapmeyer.
Die Marssonde InSight wurde zum Mars geschickt, um das tiefe Innere
des Planeten - seine Kruste, seinen Mantel und seinen Kern - zu untersuchen, was
den Wissenschaftlern Aufschluss über die Entstehung aller Gesteinsplaneten,
einschließlich der Erde und des Mondes, geben kann. Seismische Wellen sind der
Schlüssel zu diesem verbesserten Verständnis. Seit der Landung im November 2018
hat das SEIS-Experiment (Seismic Experiment for Interior Structrue) auf InSight
1318 Marsbeben aufgezeichnet, darunter mehrere, die durch viel kleinere
Meteoriteneinschläge verursacht wurden. Die meisten Beben haben allerdings
tektonische Ursachen, also Verschiebungen von Gesteinspaketen wie bei Erdbeben,
verursacht.
Wie oft es zu großen Meteoriteneinschlägen kommt ist nicht nur wegen einer
möglichen Gefährdung von zukünftigen Astronauten von Interesse. Die Anzahl und
Größe von Kratern auf anderen Planeten wird herangezogen, um das Alter ihrer
Oberflächen zu bestimmen. In diese statistische Auswertung geht die
Einschlagshäufigkeit ein, welche umso genauer ermittelt werden kann, je mehr
Einschläge unmittelbar nach dem Ereignis entdeckt werden können. Bei dem
kürzlich erfolgten Experiment der DART-Mission schließlich ging es darum,
Einschläge wie jenen von S1094b auf der Erde zu verhindern.
Über die neuen Studien wird in insgesamt drei Fachartikel berichtet, die in
den Zeitschriften Science und Nature Astronomy erschienen
sind.
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