Blick ins Innere des Roten Planeten
Redaktion
/ Pressemitteilung der Eidgenössischen Technische Hochschule Zürich astronews.com
23. Juli 2021
Die Auswertung von Seismometer-Daten der NASA-Sonde InSight lieferte
nun erstmals einen detaillierten Blick ins Innere des Mars: Der flüssige Kern
des Roten Planeten ist danach größer als bisher angenommen, und der darüber
liegende Mantel hat eine Struktur, die dem oberen Mantel der Erde ähnelt. Die
Kruste, also die äußerste Gesteinsschicht des Planeten, ist weniger dick als
bislang vermutet.
Blick vom NASA-Lander InSight am 20. Juli
2021: Vor dem Lander ist das Seismometer SEIS zu
erkennen, das Marsbeben erfasst. Bild: NASA
/ JPL-Caltech [Großansicht] |
Seit Anfang 2019 haben Forschende im Rahmen der NASA-Mission
InSight Marsbeben aufgezeichnet und ausgewertet. Möglich gemacht hat das
ein Seismometer, dessen Datenerfassungs- und Steuerungselektronik an der ETH
Zürich entwickelt wurde. Mithilfe dieser Daten haben die Forschenden nun Kruste,
Mantel und Kern des Roten Planeten vermessen – Daten, die helfen werden, die
Entstehung und Entwicklung des Planeten besser zu erschließen.
Von der Erde weiß man, dass sie aus Schalen aufgebaut ist: Auf eine dünne
Kruste aus leichtem, festem Gestein folgen der dicke Erdmantel aus schwerem,
zähflüssigem Gestein und darunter der Erdkern, der größtenteils aus Eisen und
Nickel besteht. Bei den terrestrischen Planeten und damit auch beim Mars wurde
ein ähnlicher Aufbau vermutet. "Nun bestätigen seismische Daten, dass der Mars
einst wohl vollständig geschmolzen war und sich heute in eine Kruste, einen
Mantel und einen Kern unterteilt hat, die sich aber von der Erde unterscheiden",
sagt Amir Khan, Wissenschaftler am Institut für Geophysik der ETH Zürich und am
Physik-Institut der Universität Zürich. Er hatte zusammen mit seinem
ETH-Kollegen Simon Stähler die Seismometer-Daten der Mission InSight
ausgewertet, an der die ETH Zürich unter der Leitung von Professor Domenico
Giardini beteiligt ist.
Die Forschenden haben herausgefunden, dass die Marskruste unter dem
Landeplatz der Sonde in der Nähe des Marsäquators eine Dicke von 15 bis 47
Kilometer hat. Eine solch dünne Kruste muss einen relativ hohen Anteil an
radioaktiven Elementen enthalten, was die bisherigen Modelle zur chemischen
Zusammensetzung der gesamten Kruste infrage stellt. Unter der Kruste folgt der
Mantel mit der Lithosphäre aus festerem Gestein, die bis in eine Tiefe von 400
bis 600 Kilometern reicht, doppelt so tief wie auf der Erde. Dies könnte daran
liegen, dass es auf dem Mars heute nur eine einzige Kontinentalplatte gibt, im
Gegensatz zur Erde mit ihren sieben großen, in Bewegung befindlichen Platten.
"Die dicke Lithosphäre passt gut zum Modell vom Mars als 'One-Plate-Planet'",
fasst Khan zusammen. Die Messungen zeigen zudem, dass der Marsmantel
mineralogisch dem oberen Erdmantel gleicht. "So gesehen ist der Marsmantel eine
simplere Version des Erdmantels", so Khan. Die Seismologie enthüllt aber auch
Unterschiede in der chemischen Zusammensetzung. Der Marsmantel enthält zum
Beispiel viel mehr Eisen als jener der Erde.
Wie kompliziert man sich die Schichtung des Marsmantels vorstellen muss,
hängt aber auch von der Größe des darunterliegenden Kerns ab und auch hier
gelangten die Forschenden zu neuen Erkenntnissen. Der Kern ist flüssig und
größer als erwartet Der Kernradius beträgt nämlich rund 1840 Kilometer und ist
damit gut 200 Kilometer größer, als man vor 15 Jahren bei der Planung der
InSight-Mission aufgrund der geringen Dichte des Planeten vermutet hatte.
Die Größe des Kerns konnte nun mithilfe seismischer Wellen neu errechnet
werden. "Aus dem jetzt bestimmten Radius können wir die Dichte des Kerns
berechnen", erklärt Stähler. "Ist der Kernradius groß, muss die Dichte des Kerns
relativ niedrig sein", so sein Fazit. "Der Kern muss also – neben Eisen und
Nickel – auch einen großen Anteil leichterer Elemente enthalten." Infrage kommen
Schwefel, aber auch Sauerstoff, Kohlenstoff und Wasserstoff, allerdings müsste
deren Anteil unerwartet groß sein.
Die Forschenden schließen daraus, dass die Zusammensetzung des gesamten
Planeten noch nicht völlig verstanden ist. Die aktuellen Untersuchungen
bestätigen jedoch, dass der Kern – wie vermutet – flüssig ist, auch wenn der
Mars heute über kein Magnetfeld mehr verfügt.
Die neuen Resultate erzielten die Forschenden durch die Analyse verschiedener
seismischer Wellen, die bei Beben entstehen. "Schon früher konnten wir bei den
InSight-Daten die unterschiedlichen Wellen sehen und wussten deshalb,
wie weit weg von der Sonde diese Bebenherde auf dem Mars waren", erläutert
Giardini. Um etwas über die innere Struktur von Planeten sagen zu können,
braucht es auch Bebenwellen, die an oder unterhalb der Oberfläche oder am Kern
reflektiert werden. Nun gelang es den Forschenden erstmals, solche Bebenwellen
auf dem Mars zu messen und zu analysieren.
"Die InSight-Mission war eine einmalige Gelegenheit, diese Daten zu
erfassen", so Giardini. Der Datenstrom wird in einem Jahr enden, wenn die
Solarzellen des Landers nicht mehr genügend Strom produzieren. "Doch wir sind
mit der Auswertung aller Daten noch lange nicht zu Ende – der Mars gibt uns noch
viele Rätsel auf, vor allem die Frage, ob er sich zur gleichen Zeit und aus
demselben Material wie unsere Erde gebildet hat."
Besonders wichtig sei, zu verstehen, wie die innere Dynamik des Mars zum
Verlust des aktiven Magnetfeldes und des gesamten Oberflächenwassers führte.
"Dies ermöglicht uns, zu erahnen, ob und wie diese Prozesse auf unserem Planeten
ablaufen könnten", erklärt Giardini. "Deshalb sind wir auf dem Mars, um seine
Anatomie zu untersuchen."
Über die Ergebnisse berichtet das Team in drei Fachartikeln, die in der
Zeitschrift Science erschienen sind.
|