Suche nach Kräften jenseits des Standardmodells
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Mainz astronews.com
13. Februar 2023
Auf der Suche nach neuen Kräften und Wechselwirkungen
jenseits des physikalischen Standardmodells ist ein internationales
Forschungsteam nun einen guten Schritt vorangekommen: Mit einem neuen Experiment
konnten sie zwar noch keine bislang unbekannten Wechselwirkungen nachweisen,
doch für deren Existenz deutlich strengere Grenzen festlegen.
SAPPHIRE ist ein experimenteller Aufbau, der
die Elemente Rubidium und Xenon nutzt. Grafik aus der jetzt
veröffentlichten Studie.
Bild:
Wang et al. (2023), Sci. Adv., 9, eade0353 (CC-BY-NC) [Großansicht] |
Zahlreiche Theorien sagen die Existenz von exotischen Wechselwirkungen
jenseits des Standardmodells voraus. Sie unterscheiden sich von den vier
bekannten Wechselwirkungen und werden von bisher unbekannten Austauschteilchen
vermittelt. Insbesondere paritätsverletzende Wechselwirkungen, also solche die
nicht spiegelsymmetrisch wirken, erfahren aktuell ein besonderes Interesse. Zum
einen da sie auf eine besondere Art von neuer Physik abzielen, zum anderen da
sich ihre Effekte leichter von falschen systematischen, in der Regel nicht
paritätsverletzenden Effekten unterschieden lassen.
"Im aktuellen Artikel nehmen wir eine solche Wechselwirkung zwischen den
Spins von Elektronen und den Spins von Neutronen unter die Lupe, die durch ein
hypothetisches Z‘ Boson vermittelt wird. In einer gespiegelten Welt würde diese
Wechselwirkung zu einem anderen Ergebnis führen, die Parität ist hier verletzt",
erläutert Prof. Dr. Dmitry Budker von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.
Dieses "Ergebnis" sieht so aus: Die Elektronen-Spins innerhalb einer Quelle
werden allesamt in eine Richtung ausgerichtet, also polarisiert, wobei die
Polarisation kontinuierlich moduliert wird – so entsteht ein exotisches Feld,
das als Magnetfeld wahrgenommen wird und mittels eines Sensors gemessen werden
kann. In einer gespiegelten Welt würde das exotische Feld nicht in die gleiche
Richtung zeigen, wie man es bei einem "richtigen" Spiegelbild erwarten würde,
sondern in die entgegengesetzte: die Parität dieser Wechselwirkung ist verletzt.
"Spin Amplifier for Particle PHysIcs REsearch" - kurz SAPPHIRE - haben die
Forschenden ihren experimentellen Aufbau benannt, der auf den beiden Elementen
Rubidium und Xenon aufbaut. Diese Technik haben sie in ähnlicher Form bereits
verwendet, um nach anderen exotischen Wechselwirkungen sowie nach
Dunkle-Materie-Feldern zu suchen. Konkret werden bei der experimentellen Suche
nach exotischen Spin-Spin-Wechselwirkungen zwei Kammern gefüllt mit dem Dampf
von jeweils einem der beiden Elemente in unmittelbarer Nähe zueinander
positioniert: "In unserem Experiment verwenden wir polarisierte Elektronenspins
von Rubidium-87-Atomen als Spin-Quelle und polarisierte Neutronenspins des
Edelgases Xenon, genauer gesagt das Isotop Xenon-129 als Spin-Sensor", so Budker.
Der Clou: Durch den speziellen Aufbau und die polarisierten Xenon-Atome im
Spin-Sensor wird das in der Rubidium-Quelle erzeugte Feld zunächst verstärkt: So
würde der Effekt, den ein potentielles exotisches Feld auslöst, um einen Faktor
200 größer sein. Nun kommt das Prinzip der kernmagnetischen Resonanz zum Tragen,
also die Tatsache, dass Kernspins auf Magnetfelder reagieren, die mit einer
bestimmten Resonanzfrequenz schwingen. Auch in der Sensorzelle sind dazu
Rubidium-87-Atome zu einem kleinen Anteil vorhanden. Sie wirken dort wiederum
als extrem empfindliches Magnetometer, um die Stärke des Resonanzsignals
bestimmen zu können.
Der Nachweis eines solchen exotischen Feldes im richtigen Frequenzbereich
wäre dann der Hinweis auf die gesuchte neue Wechselwirkung. Weitere spezielle
experimentelle Details sorgen dafür, dass der Aufbau im interessanten
Frequenzbereich besonders empfindlich ist und weniger empfindlich auf
Störeffekte anderer Magnetfelder, die zwangsläufig ebenfalls in dem Setup
entstehen, reagiert.
"Alles in allem handelt es sich um einen ziemlich komplizierten Aufbau, der
eine sorgfältige Planung und Kalibrierung erforderte. Es ist sehr motivierend,
mit unseren langjährigen Kooperationspartnern von der University of Science
and Technology im chinesischen Hefei, wo das Experiment betrieben wird, an
solch anspruchsvollen und interessanten Problemen zu arbeiten", berichtet Budker.
Nach erfolgreichem "Proof-of-Principle" starteten die Wissenschaftler erste
Messreihen, um nach der exotischen Wechselwirkung zu fahnden. Zwar konnten sie
bisher nach 24 Stunden Messzeit kein entsprechendes Signal finden, aber durch
die um fünf Größenordnungen höhere Empfindlichkeit ist es gelungen,
Beschränkungen für die Stärke der Wechselwirkung des neuen Austauschteilchens
mit den Teilchen des Standardmodells festzulegen.
Durch weitere Optimierungen könnte die experimentelle Empfindlichkeit
gegenüber der speziellen exotischen Wechselwirkung gar um weitere acht
Größenordnungen verbessert werden. Dies lässt es möglich erscheinen, mit dem
ultrasensitiven SAPPHIRE-Aufbau eine neue Physik mit potentiellen Z‘ Bosonen
entdecken und studieren zu können.
Über das Verfahren berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Science Advances erschienen ist.
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