Weltweite Suche nach Partikeln der Dunklen Materie
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Mainz astronews.com
21. Januar 2022
Mit GNOME, einem weltweiten Netzwerk aus optischen
Magnetometern, wurde erstmals nach bestimmten Partikeln gefahndet, aus denen die
Dunkle Materie bestehen könnte. Bei der Analyse der Daten aus einem einmonatigen
Dauerbetrieb fand man jedoch noch keinen entsprechenden Hinweis. Für das
internationale Team ist das Ergebnis trotzdem interessant.
Die Mainzer Station des GNOME-Netzwerks.
Foto: Hector Masia Roig [Großansicht] |
GNOME steht für "Global Network of Optical Magnetometers for Exotic Physics
Searches". Dahinter verbergen sich über den Globus verteilte Magnetometer in
Deutschland, Serbien, Polen, Israel, Südkorea, China, Australien und den USA.
Mit GNOME wollen die Forscherinnen und Forscher insbesondere die Suche nach
Dunkler Materie vorantreiben – eine der aufregendsten Herausforderungen der
Grundlagenphysik im 21. Jahrhundert. Denn schon lange ist bekannt, dass viele
rätselhafte astronomische Beobachtungen, wie die Rotationsgeschwindigkeit von
Sternen in Galaxien oder das Spektrum der kosmischen Hintergrundstrahlung, am
besten durch Dunkle Materie erklärt werden können.
"Als einer der vielversprechendsten Kandidaten für Dunkle Materie gelten
heute extrem leichte bosonische Teilchen. Zu ihnen zählen unter anderem
sogenannte Axion-like Particles – kurz ALPs", erklärt Prof. Dr. Dmitry Budker,
Professor am Exzellenzcluster PRISMA⁺ der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
und des Helmholtz-Instituts Mainz, einer institutionellen Kooperation der
Universität Mainz und des GSI Helmholtzzentrums für Schwerionenforschung in
Darmstadt. "Sie können auch als klassisches Feld, das mit einer bestimmten
Frequenz oszilliert, betrachtet werden. Eine Eigenheit solcher bosonischen
Felder ist, dass sie – so ein mögliches theoretisches Szenario – Muster und
Strukturen bilden können. Im Ergebnis könnte die Dichte der Dunklen Materie in
vielen verschiedenen Regionen konzentriert sein. Es könnten sich zum Beispiel
diskrete Domänenwände bilden, die kleiner als eine Galaxie, aber viel größer als
die Erde sind."
"Durchdringt eine solche Wand die Erde, wird diese nach und nach durch das
GNOME-Netzwerk erkannt und kann in den Magnetometern vorübergehende
charakteristische Signalmuster hervorrufen", erläutert Teammitglied Dr. Arne
Wickenbrock. "Noch dazu sind die Signale miteinander in bestimmter Weise
korreliert – je nachdem, wie schnell sich die Wand bewegt und wann sie den
jeweiligen Standort erreicht."
Mittlerweile besteht das Netzwerk aus 14 Magnetometern, die über acht Länder
weltweit verteilt sind – neun von ihnen lieferten Daten für die aktuelle
Analyse. Das Messprinzip beruht auf einer Wechselwirkung der Dunklen Materie mit
den Kernspins der Atome im Magnetometer. Die Kernspins dieser Atome werden mit
einem Laser mit einer bestimmten Frequenz angeregt und dabei alle in einer
Richtung ausgerichtet. Ein potenzielles Dunkle-Materie-Feld kann diese Richtung
stören, was messbar ist.
Im übertragenen Sinn kann man sich vorstellen, dass die Atome in dem
Magnetometer zunächst durcheinandertanzen, verdeutlicht Hector Masia-Roig,
Doktorand in der Budker-Gruppe und ebenfalls an der aktuellen Studie beteiligt.
"Wenn sie die richtige Frequenz an Laserlicht 'hören', drehen sie sich alle
zusammen. Dunkle Materieteilchen können die tanzenden Atome aus dem
Gleichgewicht bringen. Diese Störung können wir sehr genau messen." Und dann
wird das Netzwerk an Magnetometern wichtig: Wenn die Erde sich durch eine
räumlich begrenzte Wand aus Dunkler Materie bewegt, werden nach und nach die
tanzenden Atome in allen Stationen gestört.
Eine dieser Stationen steht in einem Labor am Helmholtz-Institut in Mainz.
"Erst wenn wir die Signale aller Stationen abgleichen, können wir beurteilen,
was die Störung ausgelöst hat", so Masia-Roig. "Übertragen auf das Bild der
tanzenden Atome heißt das: Wenn wir die Messerergebnisse aller Stationen
vergleichen, können wir entscheiden, ob es nur ein mutiger Tänzer war, der aus
der Reihe getanzt ist, oder tatsächlich eine weltweite Störung durch Dunkle
Materie."
Für die aktuellen Studie hat das Forschungsteam die Daten aus einem
einmonatigen Dauerbetrieb von GNOME untersucht, statistisch signifikante Signale
sind in dem untersuchten Massebereich von einem Femtoelektronenvolt (feV) bis
100.000 feV aber nicht aufgetreten. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die
Forscher den Bereich, in dem solche Signale der Theorie nach zu finden sein
könnten, noch weiter als bisher einschränken können. Für Szenarien, die auf
diskrete Dunkle-Materie-Wände setzen, ist das ein wichtiges Ergebnis, "auch wenn
wir mit unserer weltweiten Ringfahndung eine solche Domänenwand bisher nicht
nachweisen konnten", so Joseph Smiga, ebenfalls Doktorand in Mainz und Autor der
Studie.
Die zukünftige Arbeit der GNOME-Kollaboration wird sich darauf konzentrieren,
sowohl die Magnetometer selbst als auch die Datenanalyse zu verbessern. So soll
insbesondere ein Dauerbetrieb noch stabiler möglich sein. Das ist wichtig, um
zuverlässig nach Signalen zu suchen, die länger als eine Stunde anhalten. Zudem
sollen die bisherigen Alkali-Atome in den Magnetometern durch Edelgase ersetzt
werden. Unter dem Titel "Advanced GNOME" erwarten die Forscher dadurch für
künftige Messungen eine erheblich bessere Empfindlichkeit bei der Suche nach
ALPs und Dunkler Materie.
Über ihre Ergebnisse berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Nature Physics erschienen ist.
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