Einschlag auf Asteroidenmond Dimorphos
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt astronews.com
26. September 2022
Die im letzten Jahr gestartete NASA-Raumsonde DART soll in
der Nacht von Montag auf Dienstag erproben, ob es möglich ist, den Kurs eines
Asteroiden zu verändern. DART wird dann gezielt auf dem 170 Meter großen
Asteroidenmond Dimorphos einschlagen. Dies soll die Bahn des Trabanten um den
Asteroiden Didymos so verändern, dass diese Änderung auch von der Erde
nachweisbar ist.

DART soll in der Nacht auf Dienstag auf dem
Asteroidenmond Dimorphos einschlagen.
Bild: NASA/Johns Hopkins APL
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Die Erde wird von jeher durch Asteroiden bedroht. Zwar bewegen sich fast alle
der ungefähr eine Million bekannten, über einhundert Meter großen Himmelskörper
auf stabilen Bahnen zwischen Mars und Jupiter. Doch haben davon etwa
dreißigtausend Asteroiden solche Bahnen, die sich mit der Umlaufbahn der Erde um
die Sonne schneiden und diese Körper könnten mit unserem Planeten kollidieren.
Bei einer Kollision eines auch nur wenige hundert Meter großen Körpers mit der
Erde würde es zu ganz erheblichen Schäden kommen.
Mit Raumsonden könnte diese Gefahr abgewendet werden, indem der Kurs eines
solchen erdbahnkreuzenden Asteroiden sehr frühzeitig so verändert wird, dass er
an der Erde vorbeifliegt. "Wir leben im Zeitalter der Raumfahrt. Dadurch haben
wir die Möglichkeit, mit Raumsonden die Bahn eines Asteroiden, der auf die Erde
zu stürzen droht, zu verändern", sagt Dr. Jean-Baptiste Vincent vom DLR-Institut
für Planetenforschung. Das DLR beobachtet und charakterisiert seit Jahrzehnten
erdbahnkreuzende Asteroiden. "Zum einen versuchen wir, diese kleinen, aber
manchmal eben auch gefährlichen Himmelskörper zu charakterisieren, ihre
physikalischen Eigenschaften zu verstehen, und zum anderen daraus Schlüsse zu
ziehen, wie wir sie abwehren könnten, sollten die Berechnungen ergeben, dass sie
in der Zukunft mit der Erde zusammenstoßen", erklärt Dr. Stephan Ulamec vom
DLR-Nutzerzentrum für Weltraumexperimente (MUSC) in Köln.
Die beiden DLR-Wissenschaftler sind an der NASA-Mission DART ("Double
Asteroid Redirection Test") beteiligt. DART ist ein würfelförmiger Satellit mit
knapp zwei Metern Kantenlänge und einer Masse von 610 Kilogramm. Die Mission
wurde am 24. November 2021 gestartet und auf einer ellipsenförmigen Bahn zu
ihrem Ziel, dem Asteroidenpaar Didymos und Dimorphos gelenkt. Didymos, der
größere der beiden Körper, hat einen unregelmäßigen Durchmesser von knapp 800
Metern, Dimorphos von etwa 170 Metern. Dimorphos umkreist Didymos – griechisch
für Zwilling – in zwölf Stunden in einer Entfernung von 1200 Metern. Die beiden
Asteroiden umrunden zusammen in 25 Monaten die Sonne auf einem Orbit, der sich
mit der Erdbahn kreuzt und sie zu potentiell gefährlichen NEOs (Near-Earth
Objects) macht. Im Jahre 2003 kamen die beiden Asteroiden der Erde bis auf sechs
Millionen Kilometer nahe.
"Wir gehen davon aus, dass sich die Umlaufzeit von Dimorphos um Didymos durch
den Impuls von DART um einige Minuten verändert", prognostiziert DLR-Forscher
Ulamec. "Allerdings wissen wir nicht, wie Dimorphos beschaffen ist", ergänzt
Vincent. "Ist es ein kompakter Körper oder sind seine Bestandteile nur ganz lose
zusammengefügt? Ist Dimorphos also eine Art Schutthaufen aus Gesteinsfragmenten,
ein 'Rubble Pile', wie wir in der Asteroidenforschung sagen?"
Die Aufgabe der beiden DLR-Wissenschaftler im DART-Team besteht in der
Bestimmung der genauen Form des kleinen Asteroiden, seiner genauen Masse und der
Analyse des Kraters und der Übertragung des Impulses und der Auswürfe, die beim
Einschlag entstehen. Die Raumsonde wird dabei natürlich vollständig zerstört,
aber der Einschlag von DART auf Dimorphos wird von einem bereits am 11.
September erfolgreich ausgesetzten Kleinsatelliten beobachtet.
Der LICIACube wurde von der italienischen Weltraumorganisation ASI
entwickelt, um nach dem Einschlag von DART im Vorbeiflug Beobachtungen des
Asteroiden-Binärsystems Didymos machen zu können. Der Kleinsatellit wird vor,
während und nach dem Impakt direkt mit der Erde kommunizieren. Die zwei Kameras
(LUKE und LEIA) sollen den Einschlag bestätigen und Bilder der Auswurfswolke und
möglicherweise eines Kraters festhalten. Drei Minuten nach dem Impakt von DART
wird er an Dimorphos vorbeigeflogen sein, sich drehen und noch Aufnahmen der
Rückseite von Dimorphos machen, die DART natürlich nicht aus der Nähe zu sehen
bekommt. LICIACube ist die erste rein italienische autonome Raumsonde im
Weltraum. Auch die im vergangenen Jahr zu den Trojaner-Asteroiden auf der
Jupiterbahn gestartete NASA-Mission Lucy wird den Einschlag aus 19
Millionen Kilometer Entfernung beobachten.
Der gezielte Zusammenstoß der DART-Raumsonde mit Dimorphos wird am 27.
September 2022 um 1.14 Uhr MESZ in knapp über elf Millionen Kilometer Entfernung
von der Erde geschehen, der kürzesten Entfernung, die das Doppelasteroidensystem
in unserer Zeit mit der Erde haben kann (erst 2062 wird das Asteroidenpaar in
einer ähnlich geringen Entfernung an der Erde vorbeikommen). Damit sind auch
gute Beobachtungsmöglichkeiten für Teleskope auf der Nachtseite der Erde,
insbesondere von Europa aus gegeben, die für begleitende Untersuchungen während
und nach der Kollision genutzt werden.
Auch in den Nächten nach dem Ereignis werden Teleskope Lichtkurven des
Binärsystems aufzeichnen, um Daten zu der Bahnveränderung von Dimorphos in die
Analyse einzubringen. Beim Einschlag von DART auf Dimorphos werden fast 140
Millionen Kilojoule Energie umgesetzt. Die Forscher gehen davon aus, dass der
Impakt einen Krater von wenigen Zehnermetern Durchmesser erzeugt und sich die
Umlaufzeit des Asteroiden messbar, um wenige Minuten verändert. Das entspricht
in etwa einer Geschwindigkeitsänderung von einem halben Millimeter pro Sekunde.
"Wie effizient die Ablenkung eines Asteroiden durch den Zusammenstoß mit
einer Raumsonde ist, wird entscheidend durch die physikalischen Eigenschaften
des Körpers beeinflusst, also wie porös und fest das Gestein ist", erläutert
Prof. Dr. Kai Wünnemann vom Museum für Naturkunde Berlin, der mit seinem Team
Computersimulationen des Einschlagprozesses erstellt, um möglichst präzise
Vorhersagen zu treffen. Am Museum für Naturkunde Berlin werden verschiedene
Szenarien der Beschaffenheit von Dimorphos durchgespielt und simuliert, um unter
anderem die Kratergrößer zu prognostizieren.
Für die genaue Untersuchung des Einschlags und seiner Folgen wird im Oktober
2024 die mit der NASA abgestimmte Mission Hera der europäischen
Weltraumorganisation ESA gestartet, die maßgeblich in Deutschland entwickelt und
gebaut wird. Die Deutsche Raumfahrtagentur im DLR mit Sitz in Bonn managt die
deutschen ESA-Beiträge für Hera. Im Dezember 2026 wird Hera
das Doppelasteroidensystem erreichen, also etwa vier Jahre nach dem Aufprall von
DART. Heras detaillierte Untersuchungen werden dann das Wissen über die
Möglichkeiten einer Asteroidenabwehr erheblich erweitern. DART und Hera sind
Missionen des internationalen Forschungsprojekts AIDA (Asteroid Impact and
Deflection Assessment).
Für die vor uns liegenden Jahrzehnte gibt es gegenwärtig keinen Anlass zur
Sorge, dass ein Asteroid die Erde trifft. Doch dies geschah in der viereinhalb
Milliarden Jahre langen Geschichte der Erde immer wieder. Spuren davon sind
Krater, die beim Einschlag von Asteroiden zurückbleiben, wie das Nördlinger Ries
in Süddeutschland oder der Barringer-Krater in Arizona. Der von
Einschlagskratern übersäte Mond macht deutlich, dass Asteroidenkollisionen
früher viel häufiger waren – auf der dynamisch sich ständig verändernden Erde
sind fast alle Spuren von Einschlägen ausgelöscht. Das Aussterben der
Dinosaurier ist vor 65 Millionen Jahren durch einen Asteroidentreffer ausgelöst
worden.
Dass die Gefahr von Asteroidentreffern auf der Erde auch heute, wenn auch in
viel geringerem Maße, real bleibt, wurde am 15. Februar 2013 deutlich. Damals
trat ein unbekannter Asteroid in die Erdatmosphäre ein und explodierte über der
russischen Stadt Tscheljabinsk. Die Schockwelle der komprimierten Luft der
Erdatmosphäre verursachte erhebliche Schäden in der Stadt. Tausende von
Fensterscheiben barsten, dabei wurden mehr als 1.600 Menschen verletzt. Der
Gesamtschaden wurde auf 30 Millionen Euro geschätzt. Dabei war das Objekt in
Tscheljabinsk nur etwa 18 Meter groß.
Über den Einschlag in der Nacht informiert die NASA live über NASA TV.
Update (27. September 2022): Die Raumsonde DART ist in der
vergangenen Nacht wie geplant auf dem Asteroidenmond Dimorphos zerschellt. Von
der Erde aus konnten die Folgen des Aufschlags in Form einer kurzzeitigen
Helligkeitszunahme und einer Staubwolke verfolgt werden. Aufnahmen von DART
zeigten die Annäherung an den Asteroidenmond bis kurz vor dem Aufprall.
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