Eine Sammlung ganz besonderer Galaxien
von
Stefan Deiters astronews.com
3. Juni 2022
Die europäische Weltraumagentur ESA hat eine Sammlung von
Bildern des Weltraumteleskops Hubble aus den Jahren 2003 bis 2021
veröffentlicht, die eine besondere Gruppe von Galaxien zeigen: In allen Systemen
wurden Cepheiden und Supernovae vom Typ Ia beobachtet. Beide Phänomene spielen
bei der Bestimmung von Entfernungen eine wichtige Rolle.
Ganz besondere Galaxien: In all diesen Systemen wurden sowohl
Cepheiden als auch Supernovae beobachtet.
Bild: NASA / ESA [Großansicht] |
Das kürzlich von der europäischen Weltraumagentur ESA veröffentlichte Bild
zeigt eine Sammlung von Spiralgalaxien, die für die Astronomie aus einem ganz
bestimmten Grund von einiger Bedeutung sind: In jeder dieser Galaxien wurden
sogenannte Cepheiden entdeckt und zusätzlich eine spezielle Klasse von Supernovae
beobachtet. Bei Cepheiden handelt es sich um pulsierende Sterne, deren
Helligkeit regelmäßig schwankt. Die in den Galaxien beobachteten Supernovae vom
Typ Ia sind Explosionen von Sternen, an denen mindestens ein Weißer Zwergstern
beteiligt ist. Beide Phänomen erlauben es, Entfernung im All zu messen.
Solche Messungen sind nämlich gar nicht so einfach, zumindest dann nicht, wenn man sich in
für irdische Verhältnisse unvorstellbaren Entfernungsbereichen bewegt. Die
Helligkeit allein beispielsweise kann täuschen: Objekte, die leuchtschwach und
der Erde relativ nah sind, können ähnlich hell erscheinen, wie Objekte, die
leuchtstark und weit entfernt sind. In der Astronomie behilft man sich daher mit
der sogenannten "kosmischen Entfernungsleiter": Dabei arbeitet man sich mithilfe
verschiedener Entfernungsindikatoren immer weiter ins All vor und gleicht
Indikatoren, die sich in relativer Nähe befinden mit solchen ab, die man auch in
größerer Entfernung beobachten kann.
Genau hier kommen nun Cepheiden und Supernovae ins Spiel: Cepheiden waren
lange Zeit in anderen Galaxien kaum beobachtbar und erst Edwin Hubble konnte in
den 1920er Jahren diese Sterne in der Andromadagalaxie nachweisen - und damit
zeigen, dass der "Andromedanebel" keine Nebel, sondern eine eigenständige
Galaxie ist. Mit dem Weltraumteleskop Hubble sollten dann Cepheiden
auch in weiter entfernten Galaxien aufgespürt werden, was auch eindrucksvoll
gelang. Cepheiden sind deshalb so interessant, da sich ihre tatsächliche
maximale Helligkeit aus der Periode ableiten lässt, mit der ihre Helligkeit
schwankt. Kennt man aber die wirkliche Helligkeit, kann man auf ihre Entfernung
schließen.
Doch auch Hubble kann Cepheiden nicht in beliebigen Entfernungen
identifizieren. Und genau deshalb sind die sehr viel weiter zu beobachtenden
Supernovae vom Typ Ia von Bedeutung. Von diesen glaubt man, ihre maximale
Leuchtkraft zu kennen, so dass sich auch mit ihnen eine Entfernung berechnen
lässt. In der jetzt vorgestellten Galaxien-Sammlung sind die von Hubble
beobachteten Systeme enthalten, in denen Cepheiden und mindestens eine Supernova vom
Typ Ia beobachtet wurden, was einen direkten Vergleich dieser beiden
Entfernungsindikatoren erlaubt.
Die möglichst exakte Messung von Entfernungen ist auch in der Kosmologie von
großer Bedeutung, da sich damit die sogenannte Hubble-Konstante berechnen lässt,
also die Expansionsrate des Universums. Beobachtungen aus den letzten 30 Jahren
haben ergeben, dass die Hubble-Konstante einen Wert von etwa 73 Kilometer pro
Sekunde und Megaparsec hat. Der Fehler wird dabei mit etwa einem Kilometer pro
Sekunde und Megaparsec angegeben. "Genau dafür wurde das Hubble-Weltraumteleskop
gebaut. Sie erhalten das Standardmaß für das Universum vom Goldstandard unter
den Teleskopen", unterstreicht Nobelpreisträger Adam Riess von der Johns
Hopkins University in Baltimore, Maryland, der ein Team leitete, das die
Hubble-Konstante aus Supernova-Beobachtungen errechnet hat. "Dies ist Hubbles
Meisterwerk."
Viele glaubten, dass mit Hubble, seinen präzisen Beobachtungen und
der dadurch möglichen Bestimmung der Hubble-Konstante der jahrzehntelange
wissenschaftliche Streit um die genaue Größe ihres Wertes beendet sein würde.
Doch weit gefehlt: Die aus Beobachtungsdaten der Teleskope ermittelte
Expansionsrate liegt über dem Wert, der mithilfe kosmologischer Missionen wie
Planck bestimmt werden kann, die die kosmische Hintergrundstrahlung
beobachtet haben. Diesen Unterschied zu erklären, ist gerade eine der
spannendsten Problemstellungen der Kosmologie.
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