Suche nach Gravitationswellenhintergrund mit Gammastrahlen
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie astronews.com
11. April 2022
Die Kollision supermassereicher Schwarzer Löcher in den
Zentren wechselwirkender Galaxien füllt das Universum mit niederfrequenten
Gravitationswellen. Mit großen Radioteleskopen wurde bereits nach diesen Wellen
gesucht. Nun hat ein Team festgestellt, dass offenbar auch hochfrequente
Gammastrahlung für diese Suche genutzt werden kann.
Das Fermi-Teleskop sammelt Gammastrahlen von
Millisekunden-Pulsaren. Ein Meer von
niederfrequenten Gravitationswellen von Paaren
supermassereicher Schwarzer Löcher führt dazu,
dass die Photonen von den Pulsaren zeitverschoben
eintreffen.
Bild: Daniëlle Futselaar / MPIfR (artsource.nl) [Großansicht] |
Im Herzen der meisten Galaxien befindet sich ein supermassereiches
Schwarzes Loch. Galaxien werden durch ihre heftige Gravitation zueinander
hingezogen, und bei ihrer Verschmelzung sinken die zentralen Schwarzen Löcher in
das neue Zentrum. Wenn diese sich nun spiralförmig nach innen bewegen und selbst
miteinander verschmelzen, erzeugen sie extrem langwellige Gravitationswellen mit
Hunderten von Billionen von Kilometern oder mehreren Lichtjahren Abstand
zwischen den Wellenkämmen. Das Universum ist voll von solchen verschmelzenden
supermassereichen Schwarzen Löchern, und sie füllen es mit einem Meer von
niederfrequenten Raumzeitwellen.
Die Astronomie sucht seit Jahrzehnten nach diesen Wellen, indem sie die Pulse
von Pulsaren, den dichten Überresten massereicher Sterne, systematisch
beobachten. Pulsare rotieren mit extremer Regelmäßigkeit, und man weiß daher
genau, wann jeder Puls zu erwarten ist. Das Meer der Gravitationswellen
verändert jedoch auf subtile Weise den Zeitpunkt, an dem die Impulse die Erde
erreichen, und die genaue Beobachtung vieler Pulsare am Himmel kann ihre
Anwesenheit aufdecken.
Bei der bisherigen Suche nach diesen Wellen wurden ausschließlich große
Radioteleskope eingesetzt, die Radiowellen sammeln und analysieren. Nun hat ein
internationales Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern diese
winzigen Schwankungen der Raumzeit in Daten der Gammastrahlung gesucht, die über
mehr als zehn Jahre mit dem Fermi-Satelliten der NASA aufgenommen wurden. Ihre
Analyse zeigt, dass der Nachweis dieser Wellen mit nur wenigen Jahren
zusätzlicher Beobachtungen bereits möglich sein könnte.
"Fermi untersucht das Universum mit Gammastrahlen, der
energiereichsten Form des Lichts. Wir waren überrascht, wie gut es die Art von
Pulsaren aufspürt, die wir für die Suche nach diesen Gravitationswellen
benötigen - bisher haben wir mehr als 100 gefunden", so Matthew Kerr, ein
Wissenschaftler am U.S. Naval Research Laboratory in Washington. "Das
Fermi-Teleskop und die Gammastrahlen haben einige besondere Eigenschaften, die
sie zusammen zu einem sehr mächtigen Werkzeug bei dieser Untersuchung machen."
Licht nimmt viele Formen an. Niederfrequente Radiowellen können einige
Objekte durchdringen, während hochfrequente Gammastrahlen in energetische
Teilchenschauer explodieren, wenn sie auf Materie treffen. Gravitationswellen
decken ebenfalls ein breites Spektrum ab, wobei massereichere Objekte
tendenziell längere Wellen erzeugen. Da es unmöglich ist, einen Detektor zu
bauen, der groß genug ist, um Wellen mit Billionen von Kilometer Wellenlänge
aufzuspüren, die von miteinander verschmelzenden supermassereichen Schwarzen
Löchern erzeugt werden, verwendet die Forschung in der Natur bereits vorhandene
Detektoren in Form sogenannter Pulsar-Timing-Arrays.
Dabei handelt es sich um Ansammlungen von Millisekunden-Pulsaren, die sowohl
in Radiowellen als auch in Gammastrahlen leuchten und sich jede Sekunde Hunderte
von Malen um ihre Achse drehen. Wie Leuchttürme scheinen diese Strahlen
regelmäßig zu pulsieren, wenn sie über die Erde hinwegziehen, und wenn sie durch
das Meer der Gravitationswellen hindurchgehen, wird ihnen das schwache Grollen
entfernter, massereicher Schwarzer Löcher aufgeprägt.
Ursprünglich wurden Pulsare mithilfe von Radioteleskopen entdeckt, und
Pulsar-Timing-Array-Experimente mit Radioteleskopen sind seit fast zwei
Jahrzehnten in Betrieb. Die großen Parabolspiegel sind am empfindlichsten für
die Auswirkungen von Gravitationswellen, aber interstellare Effekte erschweren
die Analyse der Radiodaten. Das Weltall ist größtenteils leer, aber beim
Durchqueren der riesigen Entfernung zwischen einem Pulsar und der Erde treffen
die Radiowellen immer noch auf viele Elektronen. Ähnlich wie ein Prisma das
sichtbare Licht beugt, verbiegen die interstellaren Elektronen die Radiowellen
und verändern so ihre Ankunftszeit. Die energiereichen Gammastrahlen werden auf
diese Weise nicht beeinflusst, so dass sie eine ergänzende und unabhängige
Methode des "Pulsar Timings" darstellen.
"Die Fermi-Ergebnisse sind bereits 30 % so gut wie die Pulsar-Timing-Arrays
im Radiobereich, wenn es darum geht, den Gravitationswellenhintergrund
nachzuweisen", sagt Aditya Parthasarathy vom Max-Planck-Institut für
Radioastronomie (MPIfR) in Bonn. "Wenn wir weitere fünf Jahre lang Pulsardaten
sammeln und analysieren, wird das System genauso gut sein, mit dem zusätzlichen
Vorteil, dass wir uns keine Sorgen um all die verirrten Elektronen machen
müssen." Ein Pulsar-Timing-Array in Gammawellenlängen, das vor dem Start von
Fermi nicht vorgesehen war, stellt eine leistungsstarke neue Ergänzung in
der Gravitationswellen-Astrophysik dar.
"Der Nachweis des Gravitationswellenhintergrunds mit Pulsaren ist in
Reichweite, bleibt aber schwierig. Eine unabhängige Methode, wie sie hier
unerwartet durch Fermi gezeigt wurde, ist eine großartige Neuigkeit,
sowohl für die Bestätigung zukünftiger Ergebnisse als auch für die Demonstration
von Synergien mit Radioexperimenten", schließt Michael Kramer, Direktor am MPIfR
und Leiter der Forschungsabteilung "Radioastronomische Fundamentalphysik".
Über ihre Ergebnisse berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Science erschienen
ist.
|