Was Gravitationswellen verraten könnten
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Mainz astronews.com
16. März 2021
Nach ersten Hinweisen auf sehr niederfrequente
Gravitationswellen haben zwei Mainzer Wissenschaftler untersucht, ob sich
dahinter eine neue Physik jenseits des Standardmodells verbergen könnte. Das
mögliche Signal ist offenbar sowohl mit einem Phasenübergang im frühen Universum
als auch mit der Existenz eines vielversprechenden Kandidaten für Dunkle Materie
vereinbar.
Repräsentative Darstellung der in die
Raumzeit eingebetteten Erde, die durch die
Hintergrund-Gravitationswellen deformiert wird,
und deren Auswirkungen auf die Radiosignale von
beobachteten Pulsaren.
Bild: NANOGrav / Tonia Klein [Großansicht] |
Gravitationswellen öffnen ein Fenster ins frühe Universum. Während der
allgegenwärtige kosmische Mikrowellenhintergrund keine Aussagen über die ersten
300.000 Jahre unseres Universums erlaubt, ermöglichen sie einen Blick bis zurück
zum Urknall. "Gerade dieses ganz frühe Universum ist für die Teilchenphysik aber
so spannend", erläutert Pedro Schwaller, Professor für Theoretische Physik am
Exzellenzcluster PRISMA+ der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. "Denn in
dieser Zeit bildeten sich erst die Quarks und Gluonen als Elementarteilchen und
aus ihnen die Bausteine der Atomkerne."
Das Besondere an den Gravitationswellen, für die die NanoGrav-Kollaboration
nun erste Hinweise gefunden hat: Sie weisen mit 10-8 Hertz eine sehr
niedrige Frequenz auf, die etwa einer Schwingung pro Jahr entspricht.
Entsprechend groß ist ihre Wellenlänge – und entsprechend groß muss auch ein
Detektor sein, um sie nachzuweisen. Da ein solcher Detektor auf der Erde nicht
zu realisieren ist, nutzen die Astronomen bei NanoGrav weit entfernte Pulsare
und deren Lichtsignale als riesige Detektoren. NanoGrav steht dabei für
North American Nanohertz Observatory for Gravitational Waves.
"Obwohl die Daten bisher nur einen ersten Hinweis auf niederfrequente
Gravitationswellen liefern, ist es für uns trotzdem sehr spannend, uns mit ihnen
auseinanderzusetzen", beschreibt Wolfram Ratzinger von der Universität Mainz die
Motivation hinter der Studie. "Denn solche Wellen könnten durch verschiedene
Prozesse im frühen Universum entstanden sein. Bereits anhand der vorhandenen
Daten können wir gegebenenfalls entscheiden, welche von ihnen überhaupt infrage
kommen könnten und welche von vorneherein nicht zu den Daten passen."
Die Mainzer Wissenschaftler haben dabei vor allem zwei Szenarien genauer
unter die Lupe genommen, die die beobachteten Gravitationswellen hervorgerufen
haben könnten: Phasenübergänge im frühen Universum oder ein Dunkle-Materie-Feld
aus extrem leichten axion-artigen Teilchen. Solche Phasenübergänge könnten in
der Ursuppe, in der es kurz nach dem Urknall sehr turbulent zuging, mit Absinken
der Temperatur schlagartig erfolgt sein – ebenso wie die Dunkle Materie sind sie
jedoch im Standardmodell nicht vorgesehen.
Aufgrund der Datenlage interpretieren Schwaller und Ratzinger die Resultate
ihrer Analyse einerseits entsprechend vorsichtig: "Es zeigt sich eine leichte
Tendenz hin zu dem Szenario des frühen Phasenübergangs." Andererseits, so die
beiden Physiker, zeige aber die Tatsache, dass sie selbst anhand begrenzter
Daten schon gewisse Tendenzen herausarbeiten können, das Potential der Analyse
auf. "Insofern ist unsere Studie ein erster, aber wichtiger Schritt – sie stimmt
uns sehr zuversichtlich, dass wir mit präziseren Daten verlässliche Aussagen
treffen können, welche Botschaft uns die Gravitationswellen aus dem frühen
Universum überbringen."
"Zudem", so Schwaller abschließend. "können wir bestimmte Eigenschaften der
Szenarien schon jetzt eingrenzen – wie die Stärke des Phasenübergangs und die
Masse der Axionen."
Über ihre Untersuchungen berichten Ratzinger und Schwaller in einem Fachartikel, der
nun in der
Zeitschrift SciPost Physics veröffentlicht wurde.
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