Gravitationswellenhintergrund wird sichtbarer
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie astronews.com
17. Januar 2022
Auf der Suche nach dem Signal eines
Gravitationswellenhintergrunds ist ein internationales Team nun einen wichtigen
Schritt vorangekommen: In einem jetzt veröffentlichten Datensatz von präzisen Pulsarbeobachtungen fanden sich Hinweise auf ein niederfrequentes
Gravitationswellensignal, dessen Eigenschaften mit den Vorhersagen
übereinzustimmen scheinen.

Künstlerische Darstellung des
IPTA-Experiments: Pulsare, eingebettet in einen
Gravitationswellenhintergrund von Binärsystemen
supermassereicher Schwarzer Löcher. Die Signale
der Pulsare ermöglichen die Untersuchung des
Ursprungs der Gravitationswellen.
Bild: Carl Knox / OzGrav [Großansicht] |
Das International Pulsar Timing Array (IPTA), an dem mehrere
Kollaborationen von Astrophysikerinnen und Astrophysikern aus der ganzen Welt
beteiligt sind, hat jetzt das Ergebnis der gemeinsamen Suche nach
Gravitationswellen vorgestellt. Der jetzt veröffentlichte Datensatz besteht aus
präzisen Zeitmessdaten von 65 Millisekunden-Pulsaren. Dabei handelt es sich um
Überreste von massereichen Sternen, die sich Hunderte Male pro Sekunde um die
eigene Achse drehen. Sie senden dabei stark gebündelte Radiowellen aus, die
aufgrund der Drehung als Pulse sichtbar werden.
Die vorgestellten Gesamtdaten setzen sich zusammen aus der Kombination
mehrerer voneinander unabhängiger Datensätze des European Pulsar Timing
Array (EPTA), des North American Nanohertz Observatory for
Gravitational Waves (NANOGrav) und des Parkes Pulsar Timing Array
in Australien (PPTA), den drei Gründungsmitgliedern des IPTA. Das das EPTA ist
eine Kollaboration von Teams aus Astronomie, Astrophysik und Datenanalyse an den
größten europäischen Radioteleskopen und mehreren angeschlossenen
Forschungsinstituten. Einer der Hauptschwerpunkte des EPTA liegt in der
Kombination von Daten.
"Das European Pulsar Timing Array ist selbst bereits ein
internationales Projekt und wir sind es gewohnt, Daten von bis zu fünf
verschiedenen Radioteleskopen zu kombinieren und sogar gleichzeitig zu
beobachten. Dieses Fachwissen war bei der Erstellung der aktuellen
Datenveröffentlichung sehr hilfreich", sagt Dr. David Champion vom
Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR) in Bonn. Die große Anzahl von 42
Pulsaren und eine lange Basis von bis zu 18 Jahren für die
Zeitreihenuntersuchungen machen einen Großteil der Beobachtungen im Rahmen der
neuen Veröffentlichung aus.
Die verwendete Bayes'schen Methodik wurde zum überwiegenden Teil von den
Europäern entwickelt, um damit Obergrenzen für die Stärke des gesuchten
Gravitationswellenhintergrunds festzulegen und so die Statistik des entstehenden
Signals über die Jahre hinweg verstehen zu können. Die Suche nach einem
Gravitationswellenhintergrund beinhaltet auch einen umfassenden Vergleich der
einzelnen Datensätze von den regionalen Kollaborationen mit dem kombinierten
Gesamtdatensatz.
Diese Suche im Rahmen der neuen Veröffentlichung hat deutliche Hinweise auf
ein niederfrequentes Gravitationswellensignal ergeben, das bei vielen der
Pulsare in den kombinierten Daten entdeckt wurde. Die Eigenschaften dieses
Signals, das bei vielen Pulsaren gemeinsam auftritt, stimmen weitgehend mit dem
überein, was man von einem Gravitationswellenhintergrund erwartet. Das
Hintergrundsignal setzt sich zusammen aus vielen verschiedenen, sich
überlagernden Gravitationswellensignalen, die von einer kosmischen Population
supermassereicher binärer Schwarzer Löcher (darunter versteht man zwei
supermassereiche Schwarze Löcher, die sich gegenseitig umkreisen und schließlich
miteinander verschmelzen werden) ausgesendet werden, ähnlich wie beim
Hintergrundrauschen von vielen sich überlagernden Stimmen in einem überfüllten
Saal.
Das Ergebnis untermauert das allmähliche Auftauchen ähnlicher Signale, die in
den letzten Jahren bereits in den einzelnen (Unter-)Datensätzen der beteiligten
Kollaborationen gefunden werden konnten. "Dies ist ein sehr aufregendes Signal!
Obwohl wir noch nicht den endgültigen Beweis haben, könnten wir am Anfang davon
stehen, einen Hintergrund von Gravitationswellen in den Daten zu entdecken",
sagt Dr. Siyuan Chen, Mitglied der EPTA- und NANOGrav-Kollaborationen.
Dr. Boris Goncharov vom australischen Parkes Pulsar Timing Array
warnt allerdings vor möglicherweise zu weitgehenden Interpretationen solcher
gemeinsamen Signale: "Wir untersuchen auch alternative Interpretationen. Das
Signal könnte zum Beispiel vom Rauschen herrühren, das in den Daten einzelner
Pulsare vorhanden ist und in unseren Analysen nicht korrekt modelliert wurde."
Um den Gravitationswellenhintergrund als Ursprung des niederfrequenten
Signals identifizieren zu können, muss das IPTA auch räumliche Korrelationen
zwischen den Pulsaren nachweisen. Das bedeutet, dass jedes Paar von Pulsaren in
einer ganz bestimmten Weise auf die Gravitationswellen reagieren muss, je nach
dem Abstand der beiden Pulsare am Himmel. "Die Korrelation des Signals zwischen
Paaren von Pulsaren ist der Schlüssel zum Verständnis der Signalquelle.
Gravitationswellen haben ein sehr spezifisches Muster, das auf andere Weise nur
schwer zu erklären ist. Aber wir brauchen ein stärkeres Signal, um diese
Korrelation nachweisen zu können", erklärt Dr. Yanjun Guo, Wissenschaftlerin am
MPIfR.
Interessanterweise liegt der erste Hinweis auf einen
Gravitationswellenhintergrund in einem gemeinsamen Signal, wie es in den
aktuellen IPTA-Daten zu sehen ist. Ob dieses spektral ähnliche niederfrequente
Signal zwischen den Pulsaren in Übereinstimmung mit den theoretischen
Vorhersagen für einen Gravitationswellenhintergrund steht, wird in Zukunft
geklärt werden mit weiteren Datenerhebungen, erweiterten Netzwerken von
systematisch vermessenen Pulsaren und fortgesetzter Suche in größeren
Datensätzen, die einen längeren Zeitraum umfassen.
Konsistente Signale wie dasjenige, das jetzt mit der IPTA-Analyse gefunden
wurde, sind bereits in einzelnen Datensätzen der Unternetzwerke veröffentlicht
worden, die neueren Datums sind als die jetzt veröffentlichen, und zwar von
jeder der drei Gründer-Kollaborationen (EPTA, PPTA & NanoGRAV). "Die Tatsache,
dass das gleiche Signal bereits in dem nur über einen kürzeren Zeitraum gehenden
IPTA-Datensatz zu sehen ist, zeigt die Stärke der internationalen Kombination
und stellt eine große Motivation dar, mehr Daten der aktuellen und neuen
Mitgliederkollaborationen in das Pulsar Timing einzubeziehen", sagt Adytia
Parthasarathy vom MPIfR.
Zusätzlich werden neue Daten des MeerKAT-Teleskops in Südafrika und des
Indian Pulsar Timing Array (InPTA), dem jüngsten Mitglied der IPTA, die
zukünftigen Datensätze erweitern. "Der erste Hinweis auf einen
Gravitationswellenhintergrund wäre so etwas wie das in unseren jetzigen Daten
gesehene Signal. Mit mehr Daten in der Zukunft wird das Signal dann
signifikanter werden und räumliche Korrelationen aufweisen, so dass wir wissen,
dass es sich um das Signal eines Gravitationswellenhintergrunds handelt. Wir
freuen uns sehr darauf, zum ersten Mal mehrere Jahre neuer Daten zum IPTA
beizusteuern, um zu einer möglichen Entdeckung beizutragen", sagt Dr. Bhal
Chandra Joshi, Mitglied des Indian Pulsar Timing Arrays.
Kürzlich produzierte das European Pulsar Timing Array einen neuen
Datensatz mit sechs Pulsaren, mit dem die Beobachtungszeit auf 24 Jahre mit
empfindlicheren Daten erweitert werden konnte. Die Analyse erfolgte sowohl für
die Suche nach einem gemeinsamen Signal über zwei unabhängige Datenanalysekanäle
als auch für eine einzelne Studie zum Rauschen der Pulsare. Es wird weiterhin
daran gearbeitet, die Anzahl der Pulsare auf mindestens 25 zu erhöhen. Dieser
erweiterte EPTA-Datensatz wird dann auch Teil der nächsten IPTA-Datenkombination
werden.
In Anbetracht der zuletzt veröffentlichten Ergebnisse von den Einzelgruppen,
die nun alle das gemeinsame Signal darstellen können, ist das IPTA optimistisch,
was erreicht werden kann, wenn diese Daten wiederum in der nächsten
Datenveröffentlichung kombiniert werden. Die Arbeiten an dieser neuen
Datenveröffentlichung, die aktualisierte Datensätze der vier
Pulsar-Timing-Arrays des IPTA enthalten wird, sind bereits im Gange. Es ist
davon auszugehen, dass die Analyse für die nächste Datenfreigabe innerhalb
weniger Jahre abgeschlossen werden kann.
"Wenn das Signal, das wir derzeit sehen, der erste Hinweis auf einen
Gravitationswellenhintergrund ist, dann ist es auf der Grundlage unserer
Simulationen möglich, dass wir in naher Zukunft genauere Messungen der
räumlichen Korrelationen erhalten werden, die notwendig sind, um den Ursprung
des gemeinsamen Signals eindeutig zu identifizieren", sagt Dr. Maura McLaughlin
von der NANOGrav-Kollaboration. "Das Ganze ist eine echte internationale
Teamleistung. Allein die Forschergruppe bei uns am MPIfR besteht aus einer
vielfältig zusammengesetzten Gruppe von jüngeren und älteren Wissenschaftlern
mit ganz unterschiedlichem kulturellen Hintergrund, die alle am selben Ziel
arbeiten", schließt Michael Kramer, Direktor am MPIfR und Leiter der
Forschungsabteilung "Radioastronomische Fundamentalphysik".
Die Ergebnisse wurden jetzt in der Fachzeitschrift Monthly Notices of the
Royal Astronomical Society veröffentlicht.
|