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Der bisher umfassendste Vergleich der Isotopen-Zusammensetzung von Erde, Mars und bestimmten Meteoritenarten lieferte jetzt neue Erkenntnisse über die Entstehung der Planeten im inneren Sonnensystem: Mars und Erde bildeten sich danach vorwiegend aus Material, das aus dem inneren Sonnensystem stammte und nicht von jenseits der Jupiterbahn - sowie aus "verlorenem Baumaterial".
Erde und Mars sind aus Material entstanden, das zum größten Teil aus dem inneren Sonnensystem stammt; nur ein kleiner Anteil der "Baustoffe" dieser beiden Planeten haben ihren Ursprung jenseits der Umlaufbahn des Jupiters. Zu diesem Ergebnis kommt eine Gruppe von Forscherinnen und Forschern unter Leitung der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster in einer jetzt vorgestellten Studie. Darin legen sie den bisher umfassendsten Vergleich der Isotopen-Zusammensetzung von Erde, Mars und ursprünglichem Baumaterial des inneren und äußeren Sonnensystems vor. Ein Teil dieses Materials findet sich noch heute weitgehend unverfälscht in Meteoriten. Für unsere Vorstellungen vom Entstehungsprozess der sonnennächsten Planeten Merkur, Venus, Erde und Mars haben die Ergebnisse der Studie weitreichende Konsequenzen. Sie widerlegt die Theorie, wonach die vier Gesteinsplaneten durch das Ansammeln von nur Millimeter großen Staubklümpchen aus dem äußeren Sonnensystem auf ihre heutige Größe anwuchsen. In der Geburtsstunde unseres Sonnensystems vor etwa 4,6 Milliarden Jahren kreiste eine Scheibe aus Staub und Gasen um die noch junge Sonne. Zwei Theorien beschreiben, wie sich aus diesem ursprünglichen Baumaterial im Laufe von Millionen von Jahren die inneren Gesteinsplaneten bildeten. Gemäß der älteren Theorie ballte sich der Staub zu immer größeren Brocken zusammen, die im inneren Sonnensystem nach und nach etwa die Ausmaße unseres Mondes erreichten. Aus Zusammenstößen dieser Planeten-Vorgänger gingen schließlich Merkur, Venus, Erde und Mars hervor. Eine neuere Theorie hingegen beschreibt einen anderen Wachstumsprozess: Demnach wanderten millimetergroße Staubklümpchen aus dem äußeren Sonnensystem Richtung Sonne. Auf ihrem Weg stießen sie auf die Planetenvorgänger des inneren Sonnensystems, lagerten sich dort an und verhalfen ihnen Schritt für Schritt zu ihrer heutigen Größe. Beide Theorien beruhen auf Modellrechnungen und Computersimulationen, die die Verhältnisse und Bewegungen im frühen Sonnensystem nachspielen; beide beschreiben einen möglichen Weg der Planetenentstehung. Doch welche hat recht? Welcher Vorgang hat sich tatsächlich zugetragen?
Um diese Frage zu klären, haben die Forscherinnen und Forscher aus Münster, vom Observatoire de la Côte d’Azur in Nizza, vom California Institute of Technology in den USA, vom Museum für Naturkunde in Berlin und von der Freien Universität Berlin auf die genaue Zusammensetzung der Gesteinsplaneten Erde und Mars geschaut. "Wir wollten herausfinden, ob das Baumaterial von Erde und Mars dem äußeren oder inneren Sonnensystem entstammt", erklärt Dr. Christoph Burkhardt aus Münster. Entscheidende Hinweise geben Isotope der seltenen Metalle Titan, Zirkonium und Molybdän, die sich in den äußeren, silikatreichen Schichten beider Planeten in winzigen Spuren finden. Isotope bezeichnen dabei verschiedene Spielarten desselben Elements, die sich allein durch das Gewicht ihres Atomkerns unterscheiden. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gehen davon aus, dass diese und weitere Metallisotope im frühen Sonnensystem nicht gleichmäßig verteilt waren. Vielmehr hing ihre Häufigkeit vom Abstand von der Sonne ab. Die Isotopenhäufigkeiten geben somit Aufschluss darüber, wo im frühen Sonnensystem das Baumaterial eines Körpers entstand. Als Referenz für das ursprüngliche Isotopen-Inventar im äußeren und inneren Sonnensystem dienen den Forschern zwei Arten von Meteoriten. Diese Gesteinsbrocken haben ihren Weg in aller Regel aus dem Asteroidengürtel, dem Bereich zwischen den Umlaufbahnen von Mars und Jupiter, zur Erde gefunden. Sie gelten als weitgehend unverändertes Material aus den Anfängen des Sonnensystems. Während sogenannte kohlige Chondrite, die geringe Anteile an Kohlenstoff enthalten können, jenseits der Jupiterbahn entstanden sind und erst später durch den Einfluss des wachsenden Gasriesen in den Asteroidengürtel umsiedelten, sind ihre kohlenstoff-ärmeren Cousins, die nicht-kohligen Chondrite, echte Kinder des inneren Sonnensystems. Die genaue Isotopen-Zusammensetzung der zugänglichen, äußeren Gesteinsschichten der Erde und die beiden Meteoriten-Arten sind bereits seit einiger Zeit erforscht, vergleichbar umfassende Analysen von Marsgestein gab es bisher nicht. In ihrer aktuellen Studie untersuchte das Team Proben von 17 Marsmeteoriten, die sich sechs typischen Arten von Marsgestein zuordnen lassen. Zudem gingen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erstmals den Spuren gleich drei verschiedener Metallisotope nach. Die Proben der Marsmeteoriten wurden zunächst pulverisiert und chemisch vorbehandelt. Mithilfe eines Multikollektor-Plasma-Massenspektrometers am Institut für Planetologie der Universität Münster spürten die Forschenden die winzigen Mengen von Titan-, Zirkonium- und Molybdän-Isotopen auf. Am Computer wurde dann simuliert, in welchem Verhältnis Baumaterial, das sich heute in kohligen und nicht-kohligen Chondriten findet, eingetragen worden sein muss, um die gemessenen Werte zu reproduzieren. Die Ergebnisse zeigen, dass die äußeren Gesteinsschichten von Erde und Mars nur wenig mit den kohligen Chondriten des äußeren Sonnensystems gemein haben. Ihr Anteil am ursprünglichen Baumaterial beider Planeten beträgt nur rund vier Prozent. "Hätten die Vorgänger-Planeten von Erde und Mars hauptsächlich Staubkörnchen aus dem äußeren Sonnensystem angesammelt, müsste diese Wert um fast das Zehnfache höher liegen", betont Prof. Dr. Thorsten Kleine aus Münster, der zudem Direktor am Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Göttingen ist. "Diese Theorie von der Entstehung der inneren Planeten können wir somit nicht bestätigen." Doch auch zu dem Material der nicht-kohligen Chondrite passt die Zusammensetzung von Erde und Mars nicht genau. Die Modellrechnungen legen nahe, dass weiteres, anders geartetes Baumaterial im Spiel gewesen sein muss. "Diese dritte Art von Baumaterial muss ihren Ursprung im innersten Bereich des Sonnensystems haben. Das lässt sich aus der Isotopenzusammensetzung schließen, die unseren Rechnungen zur Folge vorliegen muss", erklärt Burkhardt. Da Gesteinsklümpchen aus solch großer Sonnennähe so gut wie nie in den Asteroidengürtel gestreut wurden, gingen sie fast vollständig in den inneren Planeten auf. In Meteoriten kommen sie nicht vor. "Es handelt sich um 'verlorenes Baumaterial', auf das wir heute keinen direkten Zugriff mehr haben", so Kleine. Der überraschende Fund ändert nichts an den Konsequenzen der Studie für die Theorien zur Planetenentstehung. "Dass Erde und Mars offenbar hauptsächlich Material aus dem inneren Sonnensystem enthalten, passt gut zu der Planetenentstehung aus den Zusammenstößen großer Körper im inneren Sonnensystem", unterstreicht Burkhardt. Über ihre Ergebnisse berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der Zeitschrift Science Advances erschienen ist.
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