Zum Jupiter über Toulouse
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung astronews.com
13. August 2021
Die europäische Jupitersonde
Jupiter Icy Moons Explorer hat auf dem Weg zum Start von Kourou aus eine
weitere Zwischenstation erreicht: Die Sonde traf in Toulouse ein. Zur gleichen
Zeit kam auch eines der Instrumente von JUICE in der südfranzösischen Stadt an,
das in Göttingen gebaut wurde. JUICE soll unter anderem die drei Eismonde des
Gasriesen erforschen.
Die Raumsonde JUICE trifft in den Reinräumen
von Airbus in Toulouse ein.
Foto: Airbus [Großansicht] |
Das Submillimetre Wave Instrument (SWI), das im nächsten Jahr an Bord des
Jupiter Icy Moon Explorers (JUICE) der europäischen Weltraumagentur ESA zu
einer Forschungsmission ins Jupitersystem aufbricht, hat einen wichtigen
Meilenstein erreicht. Nach achtjähriger Bau- und Entwicklungszeit am
Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) in Göttingen ist das
Instrument am Mittwoch im französischen Toulouse bei der Firma Airbus Defence
and Space angekommen.
Zeitgleich wurde dort ein weiterer, deutlich größerer
Neuankömmling begrüßt: die Raumsonde selbst, die auf dem Luftweg eingetroffen
ist. In den nächsten Monaten wird sie in Toulouse auf ihren Start ins All
vorbereitet; der Einbau von SWI beginnt in wenigen Wochen. Im Jupitersystem wird das Göttinger Instrument unter anderem die Atmosphäre
des Jupiters sowie einige seiner potentiell lebensfreundlichen Monde untersuchen.
Für den riesigen
Gasplaneten Jupiter ist irdischer Besuch nichts Neues: Die Raumsonden Voyager 1
und 2, Cassini und New Horizons flogen auf ihrem Weg ins äußere Sonnensystem an
ihm vorbei, die amerikanische Raumsonde Galileo war von 1995 bis 2003 vor Ort
und seit fünf Jahren kreist die NASA-Sonde Juno um den Planeten. JUICE wird 2031
eintreffen. Mit ihren zehn leistungsfähigen Instrumenten ist die Raumsonde in
der Lage, genauer und umfassender hinzuschauen als ihre Vorgänger – nicht nur
auf den Planeten selbst, sondern auch auf Ganymed, Kallisto und Europa, drei
seiner größten Monde. JUICE wird die ultraviolette, sichtbare und infrarote
Strahlung vor Ort untersuchen, geophysikalische Messungen durchführen,
magnetische Eigenschaften bestimmen und einen Blick auf die hochenergetischen
Teilchen in der Umgebung des Planeten und seiner Monde werfen.
Einige der Messinstrumente wie etwa
das Particle Environment Package (PEP), zu dem das MPS den Jovian Electron and
Ion Sensor (JEI) beigetragen hat, wurden bereits im Europäischen
Weltraumforschungs- und Technologiezentrum ESTEC der ESA in den Niederlanden
in die Raumsonde integriert. Dort wurde JUICE in den vergangenen Jahren
getestet. Andere Instrumente kommen erst jetzt nach dem Umzug der Sonde nach
Toulouse dazu.
Zu diesen gehört auch SWI, das ein Team von mehr als 40
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie Ingenieurinnen und Ingenieuren
unter Leitung des MPS in den vergangenen Jahren entwickelt, gebaut und auf seine
Weltraumtauglichkeit getestet hat. "Das gesamte Team hat sehr hart gearbeitet,
um die SWI-Flughardware für den Einsatz in Jupiters extremer Umgebung zu bauen
und zu qualifizieren, wobei der letzte Teil der Arbeiten während der
Covid19-Pandemie stattfand", sagt Dr. Ali Ravanbakhsh, SWI Assembly,
Integration, Verification and Test Manager.
Das Instrument
untersucht die Wärmestrahlung im fernen Infrarotbereich, die der Jupiter und
seine Monde ins All abstrahlen und zerlegt sie in ihre einzelnen Wellenlängen.
Im Fall des Gasriesen entsteht diese Strahlung vornehmlich in seiner mittleren
Atmosphäre und erlaubt so einen umfassenden Zugang zu dieser dynamischen und
komplexen Region. Die SWI-Messdaten vom Jupiter werden Informationen über die
chemische Zusammensetzung, Spurengase, Temperaturverteilung und
Windgeschwindigkeiten der Atmosphäre enthalten. Bei den Monden mit ihren
ausgesprochen dünnen Atmosphären stammt ein Teil der Infrarotstrahlung von der
Oberfläche. Auf diese Weise kann das SWI-Team unter anderem die Verteilung des
Wassers auf diesen Monden von der Oberfläche bis in die Atmosphäre
nachverfolgen.
"Das Wasser im Jupitersystem interessiert uns besonders", erklärt Dr. Paul Hartogh vom MPS, wissenschaftlicher Leiter des SWI-Teams. SWI kann das genaue
Verhältnis von so genanntem halbschwerem Wasser, bei dem ein Wasserstoffatom
durch ein schwereres Wasserstoff-Isotop ersetzt ist, zu "normalem" Wasser
ermitteln. Dieses Verhältnis gilt als Indikator, wo im Sonnensystem ein Körper
entstanden ist. "Unsere Untersuchungen helfen zu verstehen, wie sich der Jupiter
mit seinen 80 Monden und zahlreichen Ringen zu der einzigartigen Welt entwickeln
konnte, die er heute ist", so MPS-Wissenschaftlerin Dr. Miriam Rengel.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern gilt der Jupiter zudem als
Modellsystem für die zahlreichen, ähnlichen Gasplaneten außerhalb unseres
Sonnensystems.
Um die Infrarotstrahlung einzufangen, besitzt SWI eine schwenkbare Antenne
mit einem Durchmesser von 29 Zentimetern, die an eine kleine Satellitenschüssel
erinnert. Die Antenne sowie das mit ihr verbundene Empfängermodul werden an der
Außenseite der Sonde angebracht. Über Kabel sind sie mit der Elektronikeinheit
im Innern der Sonde verbunden. "Das
Besondere an SWI ist unter anderem die sehr hohe spektrale Auflösung", so Hartogh. Das Instrument kann zwischen Strahlung sehr eng benachbarter
Wellenlängen unterscheiden.
Um dies zu erreichen, setzt das SWI-Team auf das sogenannte Heterodyn-Prinzip:
Die Frequenz des empfangenen Signals wird durch Überlagern mit einer
Referenzwelle in den klassischen Radiobereich verschoben, wo die weitere
Signalverarbeitung erfolgt. Bis SWI erste Messungen durchführt, werden noch
Jahre vergehen. Nach dem Start im August oder September nächsten Jahres wird
JUICE fast neun Jahre unterwegs sein, bevor sie ihr Ziel erreicht. Auf dem Weg
stehen mehrere Vorbeiflüge an der Erde und ein Vorbeiflug an der Venus an.
Für das SWI-Team am MPS wird die Wartezeit bestimmt nicht
langweilig. "Jetzt haben wir uns erst einmal eine Verschnaufpause verdient", so
SWI-Projektmanager Juan Pablo Garcia vom MPS. "Ab Mitte September, wenn SWI in
die Raumsonde eingebaut wird, sind wir aber wieder vor Ort in Toulouse um
mitanzupacken", fügt er hinzu. Und auch danach gehen die Arbeiten weiter. Dann
entsteht am MPS die Flugersatzeinheit von SWI, ein baugleicher Zwilling der
jetzt ausgelieferten Flugeinheit, die während der gesamten Missionsdauer als
Referenz am MPS verbleiben wird.
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