Quantentechnologie in der Raumfahrt
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt astronews.com
1. Juni 2021
Mit Quantentechnologie modernisierte Satelliten könnten ein
enormes Potential für die satellitengestützte Erdbeobachtung, Kommunikation und
Navigation bieten. Diese Möglichkeiten sollen künftig in einem neuen
DLR-Institut erforscht und entwickelt werden, das im "Quanten-Quartier" der
Universität Hannover entstehen soll: das DLR-Institut für Satellitengeodäsie und
Inertialsensorik.
Das DLR arbeitet schon jetzt gemeinsam mit
der NASA im Projekt BECCAL zusammen, in dem
Bose-Einstein-Kondensate unter Schwerelosigkeit
im Cold Atoms Lab auf der Internationalen
Raumstation ISS untersucht werden (Symbolbild).
Bild: NASA
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Quantengestützte Messtechniken werden zukünftig die Sensorik von Satelliten
revolutionieren: Quantensensoren auf Basis von Bose-Einstein-Kondensaten,
neuartige Atomuhren, Laser- und Materiewelleninterferometrie sind nur einige der
Quantentechnologien, die vor dem Sprung zur routinierten Anwendung im Weltall
stehen. Im Zuge einer "zweiten Quantenrevolution" vollzieht sich eine
beispiellose Präzisionssteigerung von Messtechnik und Sensorik in der Raumfahrt
mit bisher unerschlossenen Anwendungsmöglichkeiten.
Im Sommer 2019 hatte der Senat des DLR zugestimmt, ein vom Bund und dem Land
Niedersachsen finanziertes Institut für Satellitengeodäsie und Inertialsensorik
zu schaffen. In enger Zusammenarbeit mit der Leibniz Universität Hannover (LUH)
ist der Aufbau des neuen Instituts mit insgesamt sieben Abteilungen im Gang. Bis
zum Ende des Jahrzehnts wird es sich mit zwei neu zu errichtenden Gebäuden und
rund 120 Mitarbeitenden im geplanten Quanten-Quartier der Universität
etablieren.
"Weltweit werden Quantentechnologien zukünftig zu einem wesentlichen Treiber
für Innovation und Wachstum", betont Prof. Anke Kaysser-Pyzalla, die
Vorstandsvorsitzende des DLR. "In Niedersachsen ist es der beispielgebenden
Zusammenarbeit mit dem Land und der Uni Hannover zu danken, dass das neue
DLR-Institut einen wichtigen Beitrag für diese Zukunftstechnologie leisten
kann."
"Mit dem Aufbau des DLR-Instituts für Satellitengeodäsie und Inertialsensorik
in Hannover entsteht im Verbund mit dem Galileo-Kompetenzzentrum des DLR in
Oberpfaffenhofen sowie dem DLR-Institut für Quantentechnologien in Ulm ein
Kompetenzzentrum für terrestrische und raumfahrtbasierte Quanteninnovationen",
unterstreicht auch Prof. Hansjörg Dittus, DLR-Vorstandsmitglied für
Raumfahrtforschung und -technologie. "Mit Quantentechnologie modernisierte
Satelliten sind um Größenordnungen leistungsfähiger als die aktuelle Generation.
Sie bietet ein enormes Potential für die satellitengestützte Erdbeobachtung,
Kommunikation und Navigation."
Inertialsensoren können Beschleunigungs- oder Drehratensensoren sein, die
beispielsweise zur Flugstabilisierung und -navigation eingesetzt werden.
Quantensensorik basierend auf der Materiewellen-Interferometrie ermöglicht,
Rotation und Beschleunigung mit beispielloser Langzeitstabilität zu messen.
Dafür können ultrakalte Quantengase wie zum Beispiel Bose-Einstein-Kondensate
eingesetzt werden.
In unmittelbarer Nähe des absoluten Temperaturnullpunktes verhält sich eine
Atomwolke wie ein einziges "Riesenatom". Dieses sogenannte
Bose-Einstein-Kondensat kann makroskopisch beobachtet werden. Eine
Weiterentwicklung dieser Technologie verspricht zukünftige hochpräzise
Lageregelung von Satelliten, zur Abstandsregelung bei Formationsflügen eines
Satellitenschwarms oder auch zur präzisen Schwerefeldvermessung der Erde oder
anderer Himmelskörper. Ebenfalls werden vielversprechende quantenoptische
Methoden der Laser-Interferometrie im neuen DLR-Institut weiterentwickelt.
"Quantensensoren eröffnen neue Möglichkeiten. Sie messen physikalische Größen
wie Temperatur, Geschwindigkeit oder elektrische und magnetische Felder in
ungeahnter Präzision. Sie ermöglichen damit eine hochgenaue Erdbeobachtung aus
dem All", betont Thomas Jarzombek, Koordinator der Bundesregierung für die
deutsche Luft- und Raumfahrt. "So können wir nicht nur den Klimawandel genauer
erforschen, auch die wirtschaftlichen Potenziale sind groß. Bei der Suche nach
Rohstofflagerstätten oder für die Land- und Forstwirtschaft, um die
Beschaffenheit von Böden zu bewerten. Ein weiteres Einsatzgebiet von
Quantensensoren sind neue medizinische Diagnose- und Therapiewerkzeuge."
Die Aktivitäten des neuen Instituts werden in DLR-weite Projekte und
Kooperationen mit Partnern aus Forschung und Industrie in Deutschland, Europa
und der Welt integriert. Das DLR arbeitet beispielsweise schon jetzt gemeinsam
mit der NASA im Projekt BECCAL zusammen, in dem Bose-Einstein-Kondensate unter
Schwerelosigkeit im Cold Atoms Lab auf der Internationalen Raumstation
ISS untersucht werden. Eine Kernpartnerschaft besteht mit der Leibniz
Universität Hannover, wo das neue Institut zunächst Büro- und Laborflächen
anmietet, bevor bis Ende der 2020er Jahre in dem Quartier ein neues Büro- sowie
Laborgebäude entsteht.
Im Rahmen der geplanten Abteilung "Optische Frequenzmessung" ist eine starke
Zusammenarbeit mit der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Braunschweig
vorgesehen. Die Abteilung "Relativistische Modellierung" wird zudem am
DLR-Standort Bremen in der Nähe des Zentrums für Angewandte Raumfahrttechnologie
und Mikrogravitation (ZARM) angesiedelt.
Aktuell liegt der Fokus darauf, die zukünftige Leitung des DLR-Instituts für
Satellitengeodäsie und Inertialsensorik zu berufen sowie erste
Abteilungsleitungen. Bis Ende des Jahres sollen bereits 30 Mitarbeitende am
Institut tätig sein. Für Ende 2021 ist dann auch die offizielle Eröffnung des
Instituts geplant. "Erste Forschungsarbeiten für künftige Experimente auf der
ISS ab 2026 sind mit dem Projekt BECCAL bereits gestartet", sagt
Gründungsdirektor Prof. Wolfgang Ertmer. "Das Institut ist auch maßgeblich an
möglichen Aktivitäten der EU-Kommission zur quantengravimetrischen
Erdbeobachtung beteiligt. Zudem trägt das Institut zu den Kompetenzen des DLR im
Bereich Quantencomputing bei und kooperiert in diesem Bereich mit dem in
Hannover ansässigen Quantum Valley Lower Saxony e. V."
Das Land Niedersachsen hat für den Aufbau des neuen DLR-Instituts bereits
zwölf Millionen Euro bewilligt. Zukünftig wird das Institut jährlich mit elf
Millionen Euro aus Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie,
890.000 Euro aus Mitteln des Landes Niedersachsen sowie 220.000 Euro aus Mitteln
des Landes Bremen finanziert.
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