Sternentstehung in anderen Galaxien
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Zürich astronews.com
28. Dezember 2020
Wie Sterne genau entstehen, ist nach wie vor eines der
großen Rätsel der Astrophysik. In einer Studie wurden nun Beobachtungsdaten neu
analysiert. Das Ergebnis: In nahegelegenen Galaxien bilden sich die Sterne
typischerweise proportional zur Menge des dort vorhandenen Gases. Die
Netto-Gaszufuhr aus kosmischen Entfernungen dürfte somit entscheidend für die
Sternentstehung sein.
Visualisierung des Gases in und um eine
milchstraßenähnliche Galaxie (Mitte) im heutigen
Universum, wie sie von einer kosmologischen
Simulation des Autors vorhergesagt wird.
Bild: Robert Feldmann UZH [Großansicht] |
Sterne werden in dichten Wolken aus molekularem Wasserstoffgas geboren, das
den interstellaren Raum der meisten Galaxien durchdringt. In den letzten Jahren
hat sich das physikalische Verständnis dieses komplexen Prozesses erheblich
verbessert. Was allerdings letztendlich der Auslöser für die Sternbildung in den
Galaxien ist, bleibt bislang eine offene Frage.
Im Prinzip beeinflussen zwei Hauptfaktoren die Entstehung von Sternen: die
Menge des in den Galaxien verfügbaren molekularen Gases und die Geschwindigkeit,
mit der vorhandenes interstellares Gas in Sterne umgewandelt wird. Eine genaue
Bestimmung dieser Hauptfaktoren, das Ziel zahlreicher Beobachtungen, ist daher
von enormer Bedeutung. Allerdings ist die Analyse dieser Beobachtungen nicht
einfach und gegenwärtige Studien weisen widersprüchliche Ergebnisse auf. Das
liegt auch daran, dass sich Gasmassen in vielen Galaxien angesichts der
derzeitigen Nachweisgrenzen nicht zuverlässig messen lassen.
In einer Studie des Instituts für Computergestützte Wissenschaften der
Universität Zürich wurde nun ein neuer Ansatz gewählt: Die statistische Methode,
die auf der Bayes'schen Modellierung basiert, kann Galaxien mit nicht erfassten
Mengen an molekularem oder atomarem Wasserstoff korrekt und ohne Verzerrung der
Daten in die Analyse einbeziehen.
Das Ergebnis zeigt, dass molekulares und atomares Gas in typischen Galaxien
innerhalb von einigen Milliarden Jahren für die Sternentstehung aufgebraucht
wird. Bei extrem aktiven Galaxien – sogenannten Starburst-Galaxien, also
Galaxien mit hoher Sternentstehungsrate – ergaben sich dagegen viel kürzere
Zeitskalen. "Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Entstehung von Sternen
tatsächlich direkt von der insgesamt vorhandenen Gasmasse abhängt", erläutert
Robert Feldmann, Professor am Zentrum für Theoretische Astrophysik und
Kosmologie der Universität Zürich. "Sterngeburten werden also von der Menge an
Gas bestimmt, welche aus verschiedenen kosmischen Entfernungen in die Galaxie
eintritt oder sie verlässt." Die um ein Vielfaches höhere Aktivität in
Starbursts dagegen scheint einen anderen physikalischen Ursprung wie etwa
intergalaktische Wechselwirkungen oder Instabilitäten in galaktischen Scheiben,
zu haben.
Die vorliegende Analyse basiert auf Beobachtungsdaten von nahen Galaxien. Der
Gasgehalt in weit entfernten Galaxien quer durch die kosmische Geschichte könnte
mit dem Atacama Large Millimeter/Submillimeter Array, dem Square
Kilometer Array und anderen Observatorien untersucht werden. Daher ist es
entscheidend, weitere statistische und datenwissenschaftliche Methoden zu
entwickeln, um die physikalischen Prozesse in entfernten Galaxien exakt abbilden
zu können. "Nur so werden die Geheimnisse der Entstehung von Sternen vollständig
aufgedeckt", sagt Feldmann.
Über ihre Ergebnisse berichtet Feldmann in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Communications Physics erschienen ist.
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