Wie ein junger Doppelstern gefüttert wird
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik astronews.com
7. August 2020
Erstmalig wurde von Astronominnen und Astromomen eine Art
Förderband beobachtet, das Material vom äußeren Bereich einer dichten Gaswolke
in die Nähe eines jungen Sternpaares transportiert. Dies zeigt, dass die weitere
Umgebung um junge Protosterne eine wichtige Rolle bei der Bildung und
Entwicklung von stellaren Scheiben spielt.
Bild des "Förderbandes", das chemisch
frisches Material aus einer Entfernung von ca.
10.500 AE zum Protostern im Zentrum des Bildes
transportiert.
Bild: MPE [Großansicht] |
Bei der Sternentstehung bildet sich innerhalb einer viel größeren und
luftigen Molekülwolke ein dichter, kalter Kern – die "Hülle" um den zukünftigen
Stern. Material von der Mutterwolke fließt ins Zentrum dieses Kerns, wo das
Material noch dichter wird und eine Scheibe ausbildet, welche die jungen
Protosterne im Zentrum der Scheibe füttert. Erstmalig wurde nun in der
Perseus-Molekülwolke ein leuchtendes Band beobachtet, welches den Außenbereich
der Hülle mit der inneren Region verbindet, wo sich die Scheibe bildet. Mithilfe
eines derartigen "Förderbandes" ist die Mutterwolke in der Lage, die
protostellare Scheibe mit weiterem Material zu versorgen, das für das Wachstum
der jungen Protosterne und ihre protoplanetaren Scheiben benötigt wird.
"Numerische Simulationen der Scheibenentstehung betrachten zumeist einzelne
Protosterne", erklärt Jaime Pineda vom MPE, der Leiter der Studie. "Unsere
Beobachtung geht einen Schritt weiter und untersucht ein 'Förderband', das
chemisch frisches Material aus großer Entfernung in die Nähe der protostellaren
Scheibe transportiert." Das Team verwendete das Northern Extended Millimeter
Array (NOEMA) des Plateau-de-Bure-Observatoriums in den französischen
Alpen, um das protostellare Doppelsystem Per-emb-2 (IRAS 03293_3039) zu
untersuchen. In vergangenen Beobachtungen hatte das Doppelsternsystem
Variabilität gezeigt, was es zu einem interessanten Objekt für
Folgebeobachtungen machte.
Die Beobachtung mehrerer Moleküle erlaubte dem Team die Messung der
Gasbewegung und die Entdeckung des Materialflusses entlang des "Förderbandes".
Dieser reicht vom Außenbereich der Hülle in einer Entfernung von ca. 10.500
Astronomische Einheiten bis hin zur Scheibe. Eine Astronomische Einheit
entspricht der mittleren Entfernung der Erde von der Sonne.
Sowohl die Lage als auch die Gasgeschwindigkeit werden gut von einem
theoretischen Modell reproduziert, in dem sich Material im freien Fall befindet.
Dies belegt, dass die Dynamik des Förderbandes vom dichten Zentrum des Systems
kontrolliert wird. "Es passiert nicht oft, dass Theorie und Beobachtung so gut
zusammenpassen. Wir waren begeistert diese Bestätigung zu sehen", sagt Dominique
Segura-Cox vom MPE. Abschätzungen zufolge transportierte das Band 0,1 bis 1,0
Sonnenmassen in das Innere des Kerns. Dies ist ein signifikanter Teil der
Gesamtmasse des dichten Kerns (ca. drei Sonnenmassen).
"Das 'Förderband' muss innerhalb kürzester Zeit chemisch frisches Material
zum Zentrum transportieren", ergänzt Pineda. "Der klare Nachweis eines so
großen, sich fast im freien Fall befindlichen Gasvorrates ist beachtlich." Dies
zeigt, dass neues Material die Morphologie und Gasbewegung in dem jungen
stellaren System beeinflussen könnte. "Die chemische Zusammensetzung der sich
entwickelnden protoplanetaren Scheibe wird ebenfalls von diesem neuen Phänomen
beeinflusst", folgert Paola Caselli, Direktorin am MPE und Teil der
Forschungsgruppe. "Das Molekül, mit dem wir das Förderband entdecken konnten,
hat 3 Kohlenstoffatome (HCCCN). Diese sind nun verfügbar um die organische
Chemie (auf dem Weg zu vor-biotischen Komponenten) im Laufe der
Planetenentstehung zu bereichern."
Dieser neue Weg, Material in das Zentrum zu transportieren hat wichtige
Auswirkungen auf die Art und Weise wie junge Scheiben entstehen und wachsen.
Jedoch bleibt unklar, wie oft und lange dieser Prozess während der Entwicklung
junger Sternsysteme eintreten kann, mehr Beobachtungen von jungen Protosternen
sind daher nötig.
Über ihre Beobachtungen berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
Fachzeitschrift Nature Astronomy erschienen ist.
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