Der Marsmond im Labor
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der TU Wien astronews.com
16. Dezember 2020
Wenn alles nach Plan läuft, könnte der Marsmond Phobos in
wenigen Jahren Besuch von einer Raumsonde bekommen, die vor Ort auch
Gesteinsproben sammelt und diese dann zur Erde bringt. Derweil laufen in
irdischen Laboren Untersuchungen darüber, welchen Bedingungen eigentlich das
Gestein auf dem winzigen Trabanten des Roten Planeten ausgesetzt ist.
Der Marsmond Phobos in einer Aufnahme der
ESA-Sonde Mars Express.
Bild: ESA / DLR / FU Berlin (G. Neukum), CC
BY-SA 3.0 IGO [Großansicht] |
Wetter in unserem Sinn gibt es im Weltraum natürlich keines – trotzdem kann
Gestein auch im Vakuum des Alls "verwittern", wenn es andauernd von
energiereichen Teilchen bombardiert wird, die etwa von der Sonne ausgesendet
werden. In einer ganz speziellen Situation befindet sich der Marsmond Phobos: Er
ist dem Mars so nahe, dass dort nicht nur der Sonnenwind, sondern auch das
Bombardement durch Partikel vom Mars eine entscheidende Rolle spielt. Ein
Forschungsteam der TU Wien konnte das nun in Laborexperimenten nachmessen. Schon
in wenigen Jahren soll eine japanische Weltraummission auf Phobos Gesteinsproben
nehmen und zur Erde zurückbringen.
"Es gibt unterschiedliche Theorien, wie der Mars-Mond Phobos entstanden
sein könnte", sagt Paul Szabo, der in der Forschungsgruppe von Prof. Friedrich
Aumayr am Institut für Angewandte Physik der TU Wien an seiner Dissertation
arbeitet. "Es ist denkbar, dass Phobos ursprünglich ein Asteroid war, der dann
vom Mars eingefangen wurde, er könnte aber auch bei einer Kollision eines
größeren Himmelskörpers mit dem Mars entstanden sein."
Wenn man solche Himmelskörper untersucht, muss man immer berücksichtigen,
dass sich ihre Oberflächen im Lauf von Milliarden Jahren durch kosmischen
Teilchenbeschuss völlig verändert haben. Das Gestein auf der Erde bleibt davon
unberührt, weil unsere Atmosphäre die Teilchen abschirmt. Doch die Geologie
atmosphärenloser Himmelskörper wie etwa unserem Mond oder Phobos kann man nur
dann verstehen, wenn es gelingt, die "Weltraum-Verwitterung" richtig
einzuschätzen.
Daher wurden an der TU Wien aufwändige Experimente durchgeführt: "Wir haben
Gesteinsmaterial verwendet, wie es auch auf Phobos vorkommt und es in
Vakuumkammern mit unterschiedlichen geladenen Teilchen beschossen", erklärt
Szabo. "Mit einer extrem präzisen Waage kann man messen, wie viel Material dabei
abgetragen wird, und welche Teilchen sich wie stark auf das Gestein auswirken."
Dabei muss man die besonderen Eigenschaften des Mondes Phobos
berücksichtigen: Sein Abstand zur Marsoberfläche beträgt weniger als 6000
Kilometer – das sind nicht einmal zwei Prozent des Abstands zwischen unserem
Mond und der Erde. Genau wie unser Mond befindet er sich in einer gebundenen
Rotation um seinen Planeten: Er wendet dem Mars immer dieselbe Seite zu.
"Aufgrund des extrem kleinen Abstands zwischen Mars und Phobos spielen auf
der Phobos-Oberfläche nicht nur Partikel eine Rolle, die von der Sonne
ausgesandt werden, sondern auch Partikel vom Mars", erklärt Szabo. Die
Marsatmosphäre besteht hauptsächlich aus Kohlendioxid. Aber in den äußeren
Regionen der Atmosphäre finden sich auch größere Mengen an Sauerstoff. Wenn
Teilchen des Sonnenwinds dort mit großer Wucht eindringen, können dabei
Sauerstoff-Ionen entstehen, die dann mit hoher Geschwindigkeit auf Phobos
treffen und dort das Gestein verändern.
"Wir konnten mit unseren Messmethoden die Erosion viel genauer abschätzen als
das bisher möglich war", unterstreicht Aumayr. "Unsere Ergebnisse zeigen, dass
man den Effekt der Sauerstoff-Ionen aus der Mars-Atmosphäre keinesfalls
vernachlässigen darf. Wichtig ist auch, zwischen den beiden Seiten von Phobos zu
unterscheiden: Während auf der Mars-abgewandten Seite der Sonnenwind dominiert,
überwiegt auf der anderen Seite, wenn die Sonne vom Mars abgeschirmt wird, das
Bombardement von der Mars-Atmosphäre."
Diese Überlegungen könnten bald auch bei der Auswertung echter Phobos-Proben
eine wichtige Rolle spielen: Bereits 2024 soll im Rahmen der japanischen
Weltraummission MMX (Martian Moon eXploration) ein Raumfahrzeug Phobos erreichen
und Gesteinsproben zur Erde zurückbringen.
Über ihre Untersuchungen berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Journal of Geophysical Research: Planets erschienen ist.
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