Neuer Blick auf fünf Uranus-Monde
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Astronomie astronews.com
14. September 2020
In den Daten des Infrarot-Weltraumteleskops Herschel
konnte ein Team von Forschenden die Signale von fünf Monden des Uranus
nachweisen. Dies erlaubte einen neuen Blick auf die Trabanten des siebten
Planeten, die auffällig den Zwergplaneten im äußeren Sonnensystem ähneln. Die
Monde waren nur dank einer neuen Analysetechnik zu erkennen.

Falschfarbendarstellung der
Infrarothelligkeit bei einer Wellenlänge von 70
µm nach Entfernung des Signals des Planeten
Uranus, gemessen mit dem PACS-Instrument des
Weltraumteleskops Herschel. Die charakteristische
Form der Signale, die an ein dreiblättriges
Kleeblatt erinnert, ist ein Artefakt, das durch
das Teleskop erzeugt wird.
Bild: T. Müller (HdA)/Ö. H. Detre et al./MPIA [Großansicht] |
Vor über 230 Jahren entdeckte der Astronom Wilhelm Herschel den Planeten
Uranus und zwei seiner Monde. Jetzt gelang es einer Gruppe von Astronomen unter
der Leitung von Örs H. Detre vom Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA) mit
dem Infrarot-Weltraumteleskop Herschel, physikalische Eigenschaften der
fünf Hauptmonde des Uranus zu bestimmen. Die gemessene Infrarotstrahlung, die
wegen der Erwärmung der Oberflächen durch die Sonne erzeugt wird, deutet darauf
hin, dass diese Monde Zwergplaneten wie Pluto ähneln. Das Team entwickelte eine
neue Analysetechnik, die die schwachen Signale der Monde neben dem mehr als
tausendfach helleren Uranus sichtbar machte.
Zur Erforschung der Außenbereiche des Sonnensystems wurden Raumsonden wie
Voyager 1 und Voyager 2, Cassini-Huygens sowie New
Horizons auf lange Reisen geschickt. Nun zeigt die deutsch-ungarische
Forschungsgruppe um Detre, dass mit entsprechender Technik und Einfallsreichtum
interessante Ergebnisse auch mit Beobachtungen aus der Ferne erzielt werden
können. Die Wissenschaftler nutzten Daten des zwischen 2009 und 2013
eingesetzten Infrarot-Weltraumteleskops Herschel, an dessen Entwicklung
und Betrieb das MPIA ebenfalls maßgeblich beteiligt war.
Im Vergleich zu den Vorgängern, die einen ähnlichen Spektralbereich
abdeckten, waren die Beobachtungen dieses Teleskops deutlich schärfer. Es wurde
nach dem Astronomen Wilhelm Herschel benannt, der im Jahr 1800 erstmals die
Infrarotstrahlung nachweisen konnte. Einige Jahre zuvor entdeckte er zudem den
Planeten Uranus und zwei seiner Monde (Titania und Oberon), die nun zusammen mit
drei weiteren Monden (Miranda, Ariel und Umbriel) näher erforscht wurden.
Die Entdeckung der Monde in den Herschel-Daten war ein Zufall:
"Eigentlich haben wir die Beobachtungen durchgeführt, um den Einfluss von sehr
hellen Infrarotquellen wie Uranus auf den Kameradetektor zu messen", erläutert
der Mitautor Ulrich Klaas, der die Arbeitsgruppe der PACS-Kamera des
Herschel-Weltraumteleskops am MPIA leitete, mit der die Aufnahmen gemacht
wurden. "Die Monde entdeckten wir nur zufällig als zusätzliche Knoten in dem
extrem hellen Signal des Planeten." Die PACS-Kamera, die federführend am
Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik (MPE) in Garching entwickelt
wurde, war empfindlich für Wellenlängen zwischen 70 und 160 µm. Das ist mehr als
hundert Mal größer als die Wellenlänge des sichtbaren Lichts. Darum sind die
Bilder des ähnlich großen Weltraumteleskops Hubble auch etwa hundert Mal
schärfer.
Kalte Objekte strahlen in diesem Spektralbereich sehr hell, wie
beispielsweise Uranus und seine fünf Hauptmonde, die – von der Sonne erwärmt –
Temperaturen zwischen -213 bis -193 °C erreichen. "Der Zeitpunkt der Beobachtung
war ebenfalls ein Glücksfall", führt Thomas Müller vom MPE aus. Die
Rotationsachse des Uranus und damit auch die Bahnebene der Monde ist
ungewöhnlich stark gegen ihre Umlaufbahn um die Sonne geneigt. Während Uranus
über mehrere Jahrzehnte um die Sonne kreist, wird hauptsächlich entweder die
nördliche oder die südliche Halbkugel von der Sonne beleuchtet.
"Während der Beobachtungen war die Stellung jedoch so günstig, dass die
Äquatorregionen von der Sonneneinstrahlung profitierten. Dadurch konnten wir
messen, wie gut sich die Wärme in einer Oberfläche hält, während sie sich durch
die Rotation des Monds auf die Nachtseite dreht. Daraus haben wir einiges über
die Beschaffenheit des Materials gelernt", erklärt Müller, der die Modelle für
diese Studie berechnet hat. Daraus leitete er thermische und physikalische
Eigenschaften der Monde ab. Als die Raumsonde Voyager 2 im Jahr 1986 am
Uranus vorbeiflog, war die Stellung deutlich ungünstiger. Die Messinstrumente
konnten nur die Südpolregionen von Uranus und den Monden erfassen.
Müller fand, dass diese Oberflächen die Wärme unerwartet gut speichern und
sich nur vergleichsweise langsam abkühlen. Dieses Verhalten kennen Astronomen
von kompakten Objekten, die eine raue, eisige Oberfläche besitzen. Daher gehen
die Wissenschaftler davon aus, dass es sich bei diesen Monden um Himmelskörper
handelt, die den Zwergplaneten am Rande des Sonnensystems ähneln, wie
beispielsweise Pluto oder Haumea.
Unabhängige Studien von einigen äußeren, irregulären Uranusmonden, die
ebenfalls auf Beobachtungen mit dem Herschel-Instrument PACS beruhen,
deuten dagegen bei ihnen auf andere thermische Eigenschaften hin. Diese Monde
zeigen Merkmale der kleineren und locker gebundenen Transneptunischen Objekte,
die sich in einer Zone jenseits des Planeten Neptun aufhalten. "Dies würde auch
zu den Spekulationen über den Ursprung der irregulären Monde passen", ergänzt
Müller. "Aufgrund ihrer exotischen Bahnen nimmt man an, dass sie erst zu einem
späteren Zeitpunkt vom Uranussystem eingefangen wurden."
Beinahe wären die fünf Hauptmonde jedoch übersehen worden. Insbesondere sehr
helle Objekte wie Uranus erzeugen in den Daten von PACS starke Artefakte, die
dazu führen, dass ein Teil des Infrarotlichts in den Aufnahmen über große
Bereiche verteilt wird. Bei leuchtschwachen Himmelsobjekten fällt das kaum auf.
Bei Uranus jedoch umso mehr. "Die zwischen 500 und 7400-mal schwächeren Monde
befinden sich in solch einem geringen Abstand vom Uranus, dass sie mit den
ähnlich hellen Artefakten verschmelzen. Lediglich die hellsten Monde, Titania
und Oberon, stechen ein wenig aus dem umgebenden Schein heraus", erläutert
Mitautor Gábor Marton vom Konkoly Observatorium in Budapest die Problematik.
Diese zufällige Entdeckung spornte Örs H. Detre dazu an, die Monde besser
sichtbar zu machen, damit ihre Helligkeit zuverlässig gemessen werden konnte.
"In ähnlichen Fällen, wie bei der Suche nach Exoplaneten, verwenden wir
Koronografen, um ihren hellen Zentralstern zu verdecken", erläutert Detre. "Das
Herschel-Teleskop verfügte über ein solches Gerät nicht. Stattdessen
machten wir uns die hervorragende photometrische Stabilität des PACS-Instruments
zunutze." Gestützt auf diese Stabilität und nach Berechnung der genauen
Positionen der Monde zum Zeitpunkt der Beobachtungen entwickelte er eine
Methode, die es ihm ermöglichte, Uranus aus den Daten zu entfernen. "Wir waren
alle überrascht, als auf den Bildern deutlich vier Monde erschienen und wir
sogar Miranda, den kleinsten und innersten der fünf größten Uranusmonde
nachweisen konnten", so Detre abschließend.
"Das Ergebnis zeigt, dass wir nicht immer aufwendige Raumfahrtmissionen zu
den Planeten benötigen, um neue Erkenntnisse über das Sonnensystem zu erlangen",
gibt Mitautor Hendrik Linz vom MPIA zu bedenken. "Zudem könnte der neue
Algorithmus auf weitere Beobachtungen angewendet werden, die in großer Zahl im
elektronischen Datenarchiv der Europäischen Weltraumagentur ESA gesammelt
wurden. Wer weiß, welche Überraschung dort noch auf uns wartet?"
Über die Ergebnisse berichtet das Team in einem
Fachartikel, der in der Zeitschrift Astronomy & Astrophysics
erschienen ist.
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