Dunkle Materie auf verschiedenen Skalen
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Astrophysik astronews.com
4. September 2020
Was Dunkle Materie ist, weiß man bislang nicht - man kann
allerdings beobachten, was Dunkle Materie bewirkt und dies auch in Simulationen
entsprechend nachbilden. Nun hat ein internationales Forschungsteam neue
Simulationen vorgestellt, die einen Zoom auf Dunkle-Materie-Halos in dem
virtuellen Universum erlauben. Dabei zeigten sich überraschend wenig
Unterschiede zwischen den Halos verschiedener Größen.
Dieses Bild zeigt einen Schnitt durch die
gesamte Simulation mit mehr als zwei Milliarden
Lichtjahren Seitenlänge. Der vergrößerte
Ausschnitt zeigt zunächst eine Region mit 700.000
und dann nur 600 Lichtjahre Seitenlänge. Die
größten Klumpen im Hauptbild entsprechen großen
Galaxienhaufen, während die kleinsten Klumpen in
der zweiten Vergrößerung eine Masse ähnlich der
Erde haben.
Bild: MPA [Großansicht] |
Ein Großteil der Materie im Universum ist dunkel und nicht direkt
beobachtbar. Ein internationales Forscherteam hat nun die Ergebnisse von
Simulationen vorgestellt, bei denen sie mithilfe von Supercomputern in China und
Europa in eine typische Region eines virtuellen Universums hineinzoomen. Dieser
Zoom umfasst eine noch nie dagewesene Detailschärfe, vergleichbar mit einer
Vergrößerung, um einen Floh auf der Oberfläche des Vollmondes zu erkennen.
Dadurch konnte das Team detaillierte Bilder von Hunderten virtueller Halos aus
Dunkler Materie erstellen, von den allergrößten bis zu den allerkleinsten, die
man in unserem Universum finden dürfte.
Dunkle Materie spielt eine wichtige Rolle in der kosmischen Entwicklung.
Galaxien sind gewachsen, als sich Gas abkühlte und im Zentrum riesiger Klumpen
Dunkler Materie, sogenannten Halos aus Dunkler Materie, kondensierte. Im Laufe
der kosmischen Entwicklung entkoppelten die Halos von der Hintergrundexpansion
des Universums infolge der Anziehungskraft ihrer eigenen Dunklen Materie.
Astronomen können aus den Eigenschaften der Galaxien und ihrem Gas auf die
Struktur großer Halos aus Dunkler Materie schließen, aber sie haben keine
Informationen über Halos, die zu klein sind, um eine Galaxie zu enthalten.
Die größten Halos aus Dunkler Materie im heutigen Universum enthalten riesige
Galaxienhaufen, Ansammlungen von Hunderten von hellen Galaxien. Ihre
Eigenschaften sind gut untersucht, und sie wiegen über eine Billiarde Mal so
viel wie unsere Sonne. Andererseits sind die Massen der kleinsten Halos aus
Dunkler Materie unbekannt. Die Theorie der Dunklen Materie, die dem neuen
Supercomputer-Zoom zugrunde liegt, lässt vermuten, dass sie eine Masse ähnlich
der Erdmasse haben könnten. Solch kleine Halos wären extrem zahlreich und würden
einen beträchtlichen Anteil der gesamten Dunklen Materie im Universum enthalten,
allerdings würden sie während der gesamten kosmischen Geschichte dunkel bleiben,
weil Sterne und Galaxien nur in Halos wachsen, die mindestens eine Million Mal
massereicher sind als die Sonne.
Das Forschungsteam mit Sitz in China, Deutschland, Großbritannien und den USA
hat fünf Jahre lang seinen kosmischen Zoom entwickelt, getestet und
durchgeführt. Damit konnten sie die Struktur der Halos aus Dunkler Materie mit
allen Massen zwischen der Erde und einem großen Galaxienhaufen untersuchen. In
Zahlen: Der Zoom deckt einen Massenbereich von 1030 ab (d. h. eine 1
gefolgt von 30 Nullen), was der Anzahl der Kilogramm in der Sonne entspricht.
Überraschenderweise stellten das Team fest, dass alle Halos sehr ähnliche
innere Strukturen aufweisen: Sie sind im Zentrum sehr dicht, werden nach außen
hin zunehmend diffuser und in ihren äußeren Regionen gibt es kleinere Klumpen,
die um die Halos kreisen. Ohne einen Maßstab ist es fast unmöglich, das Bild
eines Dunkle-Materie-Halos einer massereichen Galaxie von einem Halo mit weniger
als einer Sonnenmasse zu unterscheiden.
"Unsere Ergebnisse haben uns wirklich überrascht", sagt Simon White vom
Max-Planck-Institut für Astrophysik. "Jeder dachte, dass die kleinsten Klumpen
Dunkler Materie ganz anders aussehen würden als die großen, die wir schon viel
besser kennen. Aber als wir nun endlich in der Lage waren, ihre Eigenschaften zu
berechnen, sahen sie genau gleich aus."
Das Ergebnis hat auch eine potenzielle praktische Anwendung. Teilchen aus
Dunkler Materie könnten nahe den Zentren von Halos kollidieren und sich -
einigen Theorien zufolge – gegenseitig vernichten, wobei energiereiche
(Gammastrahlung ausgesendet wird. Die neue Zoom-Simulation erlaubt es den
Wissenschaftlern zu berechnen, wie stark die zu erwartende Strahlung für Halos
unterschiedlicher Masse sein würde.
Ein Großteil dieser Strahlung könnte von Halos aus Dunkler Materie stammen,
die zu klein sind, um Sterne zu enthalten. Zukünftige
Gammastrahlen-Observatorien könnten in der Lage sein, diese Emission
nachzuweisen und die kleinen Objekte einzeln oder in der Summe "sichtbar" zu
machen. Dies würde die vermutete Natur der Dunklen Materie bestätigen, die
vielleicht doch nicht ganz dunkel ist.
Über ihre Ergebnisse berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Nature
erschienen ist.
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