Die Bewegung der Sterne der Milchstraße
Redaktion
/ Pressemitteilung des Leibniz-Instituts für Astrophysik Potsdam astronews.com
29. Juli 2020
Mehr als ein Jahrzehnt lang untersuchte RAVE, eine der
ersten und größten systematischen spektroskopischen Himmelsdurchmusterungen, die
Bewegung von Sternen in der Milchstraße. Für über eine halbe Million
Beobachtungen hat die RAVE-Kollaboration nun die Ergebnisse in ihrer sechsten
und finalen Datenveröffentlichung vorgestellt.
RAVE beobachtete fast eine halbe Million
Sterne unserer Galaxie. Die Sonne befindet sich
im Zentrum des Koordinatensystems. Die Farben
stellen Radialgeschwindigkeiten dar: sich
entfernende Sterne sind rot, sich nähernde Sterne
blau dargestellt.
Bild: AIP/K. Riebe, RAVE Kollaboration;
Milchstraßenbild (Hintergrund): R. Hurt (SSC);
NASA/JPL-Caltech [Großansicht] |
Das RAdial Velocity Experiment RAVE ist eine spektroskopische
Durchmusterung der südlichen Hemisphäre. Sie wurde entwickelt, um ein
vollständiges Bild der Bewegungen von Sternen in der weiteren Umgebung der Sonne
zu erhalten. Mithilfe der Spektroskopie wird das Licht eines Sterns in seine
Regenbogenfarben zerlegt. Durch die Analyse der Spektren lässt sich die
Radialgeschwindigkeit eines Sterns - seine Bewegung in Blickrichtung der
Beobachtung - bestimmen. Darüber hinaus ermöglichen Sternspektren auch die
Bestimmung von Sternparametern wie Temperatur, Oberflächenschwerkraft und
individuelle chemische Zusammensetzung.
Um die Struktur und Form unserer Galaxie nachzuvollziehen, zeichnete RAVE
erfolgreich 518.387 Spektren für 451.783 Milchstraßensterne auf. In der
Astronomie ist man nicht nur gewohnt, in großen Zeitskalen zu denken - die
Projekte sind oft ebenfalls langjährige Unterfangen. RAVE beobachtete den Himmel
in fast jeder klaren Nacht zwischen 2003 und 2013 am 1,2-Meter-Schmidt-Teleskop
am Anglo-Australian Observatory in Siding Spring in Australien. Für die
Himmelsdurchmusterung kam ein spezieller faseroptischer Aufbau zum Einsatz, um
gleichzeitig mit einer einzelnen Beobachtung Spektren von bis zu 150 Sternen
aufzuzeichnen. Damit gelang es, eine große Anzahl von Objekten ins Visier zu
nehmen – die größte spektroskopische Durchmusterung vor RAVE umfasste nur etwa
14.000 Objekte.
Auf diese Weise ergab die Himmelsdurchmusterung eine umfangreiche Stichprobe
der Sterne um unsere Sonne, die sich ungefähr in einem Volumen mit einem
Durchmesser von 15.000 Lichtjahren befinden. In den letzten 15 Jahren
veröffentlichte RAVE eine zunehmende Anzahl von Sternen und verbesserten
Datenprodukten. Die abschließende RAVE-Datenveröffentlichung liefert nicht nur
zum ersten Mal die Spektren aller RAVE-Sterne; die Sterne wurden zudem auch mit
denen aus dem DR2-Katalog des Satelliten Gaia abgeglichen.
Dank der von Gaia gemessenen Entfernungen und Eigenbewegungen ließen
sich erheblich verbesserte Sterntemperaturen, Oberflächenschwerkräfte und die
chemische Zusammensetzung der Sternatmosphären ableiten. "Die
RAVE-Datenveröffentlichungen lieferten neue Erkenntnisse über die Bewegung der
Sterne und die chemische Zusammensetzung unserer Milchstraße", betont Matthias
Steinmetz, Leiter der RAVE-Kollaboration und wissenschaftlicher Vorstand am
Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP). "Mit der finalen
Datenveröffentlichung wird eine der ersten systematischen spektroskopischen
Untersuchungen zur galaktischen Archäologie abgeschlossen. Es ist wirklich
aufregend, dass dieses 15-jährige Projekt nun zu Ende geht. Dank RAVE haben wir
neue Erkenntnisse über die Struktur und Zusammensetzung unserer Milchstraße
gewonnen."
Zu den wichtigsten Ergebnissen von RAVE gehört die Bestimmung der
Mindestgeschwindigkeit, die ein Stern benötigt, um der Anziehungskraft der
Milchstraße zu entkommen. Die Ergebnisse bestätigten, dass Dunkle Materie, eine
unsichtbare Komponente des Universums noch unbekannter Natur, die Masse unserer
Galaxie dominiert.
Mit RAVE konnte zudem gezeigt werden, dass die Milchstraßenscheibe
asymmetrisch ist und aufgrund der Wechselwirkung mit Spiralarmen und dem
Einfallen von Satellitengalaxien flattert. RAVE ermöglichte auch die
Identifizierung von Sternströmen in der Sonnenumgebung. Diese Sternströme sind
die Überreste auseinander gerissener älterer Zwerggalaxien, die in der
Vergangenheit mit unserer Milchstraße verschmolzen sind.
Die chemischen Elementhäufigkeiten der beobachteten Sterne geben wichtige
Hinweise auf die chemische Zusammensetzung und die Metallanreicherung des
interstellaren Mediums durch Sterne unterschiedlichen Alters und Metallgehalts.
Mit RAVE konnten Astronominnen und Astronomen auch effizient nach den
allerersten und sehr metallarmen Sternen, die Hinweise auf die Sternentstehung
und die chemische Entwicklung der Milchstraße geben, suchen. Die
RAVE-Kollaboration wird vom AIP koordiniert und besteht aus Forschenden aus über
20 Institutionen weltweit.
Seit der ersten Datenveröffentlichung wurden mehr als 100 begutachtete
wissenschaftliche Artikel auf der Grundlage von RAVE-Daten veröffentlicht.
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