Reste einer verschluckten Galaxie entdeckt
Redaktion
/ Pressemitteilung des Astrophysikalischen Instituts Potsdam astronews.com
3. Februar 2011
Ein internationales Astronomenteam hat einen bislang unbekannten Sternstrom in
unserer Milchstraße entdeckt: den Aquarius-Strom. Dabei handelt es sich um die
Überreste einer kleineren Galaxie in unserer Nachbarschaft, die vor 700
Millionen Jahren von der Schwerkraft der Milchstraße auseinander gerissen wurde.
Entdeckt wurde der Strom durch das ungewöhnliche Geschwindigkeitsmuster seiner
Sterne.
Visualisierung
des Aquarius-Stroms und seiner Lage in der
Milchstraße.
Bild: Arman Khalatyan, AIP [Großansicht] |
"I have a stream" - mit diesen Worten stellte die 33-jährige, neuseeländische Wissenschaftlerin
Mary Williams vom Astrophysikalischen Institut Potsdam (AIP) ihre Entdeckung begeistert dem Fachpublikum einer internationalen Konferenz vor. Denn der Aquarius-Strom,
benannt nach dem Sternbild Wassermann (Aquarius), war durchaus nicht leicht zu finden. Im Gegensatz zu fast allen bekannten Strömen
liegt er innerhalb der galaktischen Scheibe. Dort versperrt die hohe Konzentration der Sterne der Milchstraße den Blick. Der Strom als lokalisierte, geometrische Form ist im Gesamtbild zunächst gar nicht zu erkennen.
"Der Strom liegt direkt vor unserer Haustür, und doch konnten wir ihn nicht sehen", so Williams.
Im Rahmen von RAVE, einer Vermessung der Geschwindigkeiten von 250.000 Sternen, die am
Australian Astronomical Observatory durchgeführt wird, hat die Astronomin nun erstmals die Radialgeschwindigkeiten von 12.000 Sternen in der Region vermessen. So fand sie heraus, dass sich 15 Sterne in ihrem Geschwindigkeitsmuster von den anderen unterscheiden und mit Relativgeschwindigkeiten von bis zu 15.000
Kilometer pro Stunde durch die rotierende Scheibe der Milchstraße hindurch schießen. Der Vergleich der Sternparameter mit Simulationen zeigte, dass die Sterne als Teil eines größeren Sternstroms ursprünglich von einer Nachbargalaxie stammen. Diese traf, von der Schwerkraft der Milchstraße angezogen, vor etwa 700 Millionen Jahren auf die Milchstraße, wurde auseinandergerissen und formte aufgrund der Dynamik schließlich einen Sternstrom. Damit ist der Aquarius-Strom ein besonderer und vergleichsweise sehr junger Strom. Andere bekannte Ströme sind Milliarden von Jahre alt und
liegen in den Außenbereichen der Milchstraße.
Die besondere Methode, die mit Hilfe des RAVE-Surveys zur Entdeckung des Sternstromes führte, lässt die Astronomen auf viele weitere Entdeckungen dieser Art hoffen. Bis 2012 soll RAVE die Charakteristika von bis zu einer Million Sterne unserer Milchstraße vermessen haben. Williams ist bereits seit dem Projektstart Teammitglied.
Am AIP leitet sie seit 2007 die Datenaufarbeitung.
"Mit RAVE wollen wir die Entstehungsgeschichte unserer Milchstraße verstehen" erläutert Matthias Steinmetz, der Projektleiter der multinationalen RAVE-Kollaboration am
AIP. "Wir wollen wissen, wie häufig solche Verschmelzungen mit Nachbargalaxien
in der Vergangenheit vorgekommen sind und welche wir in Zukunft zu erwarten
haben."
Sicher ist: in etwa drei Milliarden Jahren steht der Milchstraße die nächste große Kollision mit der Andromeda-Galaxie bevor
- wenn ihr nicht sogar eine der in den letzten Jahren entdeckten Zwerggalaxien in nächster kosmischer Nachbarschaft zuvorkommt.
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