Ein System wie Sonne und Erde?
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung astronews.com
4. Juni 2020
Durch eine Neuanalyse von Daten des Weltraumteleskops
Kepler wurde jetzt ein ganz besonderer extrasolarer Planet entdeckt:
KOI-456.04. Die Welt ist weniger als doppelt so groß wie die Erde, umkreist
einen sonnenähnlichen Stern und dies in einem Abstand, der lebensfreundliche
Temperaturen auf der Planetenoberfläche zulassen würde.

Das Weltraumteleskop Kepler entdeckte
unzählige extrasolare Planeten mithilfe der
Transitmethode.
Bild: NASA [Großansicht] |
Mit Weltraumteleskopen wie COROT, Kepler und TESS haben Forschende
in den vergangenen 14 Jahren viele Planeten entdeckt, die um ferne Sterne
kreisen. Mehr als 4000 solcher Exoplaneten sind bisher bekannt; stetig werden es
mehr. In dieser Vielzahl finden sich zwar einige, die wie die Erde vorwiegend
aus Gestein bestehen und auf denen angenehme Temperaturen herrschen dürften.
"Aber um einzuschätzen, wie lebensfreundlich ein Planet ist, muss man auch den
dazugehörigen Stern im Blick haben", sagt René Heller vom Max-Planck-Institut
für Sonnensystemforschung. Praktisch alle bisher bekannten Welten, die ungefähr
so groß sind wie die Erde und auf denen moderate Temperaturen herrschen, kreisen
um Rote Zwerge.
Sterne dieser Art existieren zwar sehr lange, sodass sich auf ihren
erdähnlichen Planeten über Jahrmilliarden Leben hätte entwickeln können. Sie
strahlen jedoch hauptsächlich Infrarotlicht ab, sind sehr lichtschwach – und
wahrscheinlich Schauplatz gewaltiger Eruptionen. Ein weiterer Nachteil:
Erträgliche Temperaturen würden nur auf Planeten herrschen, die in sehr geringen
Abständen um diese Sterne kreisen. Die enorme Anziehungskraft würde die Planeten
jedoch vermutlich verformen, extreme vulkanische Aktivität könnte die Folge
sein. Es ist deshalb zweifelhaft, ob erdgroße Planeten um Rote Zwerge günstige
Bedingungen für das Entstehen von Leben bieten.
In ihrer neuen Studie beschreibt das Team um Heller, zu dem auch
Forscherinnen und Forscher der Sternwarte Sonneberg, der Universität Göttingen,
der University of California und der US-Raumfahrtbehörde NASA zählen,
nun erstmals einen Exoplaneten, der weniger als zweimal so groß ist wie die Erde
und der "lebensfreundliche" Bestrahlung von einem sonnenähnlichen Stern erfährt.
Der Stern Kepler-160 befindet sich etwa 3140 Lichtjahre von der Erde entfernt
und lag im Sichtfeld des mittlerweile abgeschalteten Weltraumteleskops
Kepler. Von 2009 bis 2013 zeichnete Kepler fast durchgehend die Helligkeit
des Sterns auf.
Mit einem Radius von etwa 1,1 Sonnenradien, einer Oberflächentemperatur von
5200 Grad Celsius (nur etwa 300 Grad weniger als die der Sonne) und einer nahezu
sonnengleichen Helligkeit mutet der Stern wie ein Abbild unseres Zentralsterns
an. Zudem ist Kepler-160 nicht allein: Wie seit sechs Jahren feststeht, ist er
der Heimatstern zweier Planeten, Kepler-160b und Kepler-160c. Beide sind
deutlich größer als die Erde, und ihre Umlaufbahnen verlaufen sehr nahe um den
Zentralstern. Mit Temperaturen von mehr als 500 Grad Celsius ist es auf ihren
Oberflächen heißer als im Backofen – und somit nicht gerade lebensfreundlich.
Allerdings ließen die Messdaten schon damals vermuten, dass die
Anziehungskraft eines dritten, bisher unentdeckten Planeten die Umlaufbahn von
Kepler-160c beeinflusst. Das deutsch-amerikanische Team nahm sich die
Helligkeitsmessungen von Kepler-160 deshalb erneut vor. In den vergangenen
Jahren haben Heller und seine Kollegen eine Methode entwickelt, mit der sich
extrem kleine, bisher übersehene Planeten aufspüren lassen. Bereits 18 solcher
Welten hatten die Forschenden zuvor in den Daten des Kepler-Teleskops
entdeckt.
Auf ihrer Suche nach Exoplaneten fahnden die Astronomen meist nach regelmäßig
wiederkehrenden Helligkeitsschwankungen von Sternen. Diese können auf einen
Planeten hindeuten, der von der Erde aus gesehen vor dem Stern vorüberzieht und
ihn dadurch minimal verdunkelt. Die Idee von Michael Hippke von der Sternwarte
Sonneberg und Heller war es, diese extrem kleine Verdunkelung physikalisch
korrekt zu modellieren: nicht als sprunghafte Helligkeitsänderung, sondern
zunächst als allmähliche Ab- und dann als sanfte Zunahme.
"Besonders bei kleinen, etwa erdgroßen Exoplaneten kann dieser Unterschied in
der Modellierung der Sternverdunklung ausschlaggebend sein", sagt Heller.
"Schließlich ist das gesuchte Signal so winzig, dass wir fast schon im Rauschen
der Daten graben." Die vom Team um Heller verbesserte Suchmaske vergrößert
jedoch den Unterschied zwischen Rauschen und Signal in kritischen Fällen
entscheidend. Auch bei Kepler-160 wurde die Gruppe fündig. "Unsere Auswertungen
zeigen, dass sich dort mit hoher Wahrscheinlichkeit sogar zwei weitere Planeten
befinden", sagt der Max-Planck-Forscher.
Mit einem Radius von 1,9 Erdradien und einer Umlaufdauer von etwas mehr als
378 Tagen ist der eine davon, der den vorläufigen Namen KOI-456.04 trägt,
wahrscheinlich eine spannende Gesteinswelt. Sie kreist zudem innerhalb der
habitablen Zone um Kepler-160 – also innerhalb jenes ringförmigen Bereichs um
den Stern, in der lebensfreundliche Temperaturen zu erwarten sind. Für die
Unregelmäßigkeiten in der Umlaufbahn seines Nachbarplaneten Kepler-160c ist
jedoch nicht KOI-456.04, sondern der zweite neuentdeckte Planet Kepler-160d
verantwortlich. Er zieht von der Erde aus gesehen nicht vor seinem Stern vorbei
und erzeugt deshalb keine messbaren Helligkeitsschwankungen.
"KOI.456.04 ist mit 1,9 Erdradien vergleichsweise groß gegenüber manch
anderen Planeten, die als lebensfreundlich gelten. Aber in Kombination mit
seinem sonnenähnlichen Heimatstern Kepler-160 erscheint das System dem Gespann
aus Sonne und Erde so ähnlich wie kein anderes Paar aus Stern und Planet, das
wir kennen", sagt Heller.
Dementsprechend angenehme Bedingungen könnten dort herrschen: Die Lichtmenge,
die auf KOI-456.04 trifft, entspricht 93 Prozent des irdischen Wertes; falls
eine Atmosphäre den Planeten umgibt, würden im Durchschnitt für Lebewesen recht
erträgliche Temperaturen von fünf Grad Celsius gemessen werden, zehn Grad
weniger als durchschnittlich auf der Erde. Nicht völlig ausschließen lässt sich
derzeit, dass ein systematischer Messfehler des Kepler-Teleskops die
neuen Auswertungen verfälscht hat. Mit 15 Prozent ist die Wahrscheinlichkeit für
solch einen Messfehler aber vergleichsweise gering.
Die Forscherinnen und Forscher hoffen jetzt auf die Weltraummission PLATO,
für die das Göttinger Max-Planck-Institut derzeit das künftige Datenzentrum
aufbaut. Der Satellit mit 26 Teleskopen soll 2026 ins All starten und mit
höherer Genauigkeit als seine Vorgänger nach bewohnbaren Welten suchen. Noch
steht nicht abschließend fest, welche Himmelsausschnitte PLATO ins Visier nehmen
wird. Falls, wie manche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler empfehlen, das
deutlich kleinere Gesichtsfeld des Kepler-Teleskops enthalten sein
sollte, ließen sich die jüngsten Ergebnisse überprüfen.
Die Ergebnisse wurden jetzt in einem Fachartikel in der Zeitschrift
Astronomy & Astrophysics veröffentlicht.
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