18 erdgroße Planeten bislang übersehen
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung astronews.com
23. Mai 2019
Deutsche Astronomen haben in Daten des Weltraumteleskops
Kepler 18 etwa erdgroße extrasolare Planeten entdeckt, die bislang bei der
Auswertung übersehen worden waren. Auf einer der fernen Welten könnten sogar
lebensfreundliche Bedingungen herrschen. Das Team schätzt, dass sich in den
Daten von Kepler noch 100 weitere Planeten verbergen könnten.

Fast alle bisher bekannten Exoplaneten sind
größer als die Erde und typischerweise so groß
wie der Gasplanet Neptun. Alle 18 neu entdeckten
Planeten (hier orange und grün) hingegen sind
deutlich kleiner als Neptun, drei von ihnen sogar
kleiner als die Erde und zwei weitere genau so
groß wie die Erde. Der Planet EPIC 201238110.02
ist als einziger der neuen Planeten kühl genug,
um auf seiner Oberfläche potenziell flüssiges
Oberflächenwasser zu beherbergen.
Bild: NASA/JPL (Neptun), NASA / NOAA /
GSFC / Suomi NPP/VIIRS/Norman Kuring (Erde),
MPS/René Heller [Großansicht] |
18 erdgroße Exoplaneten haben Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts
für Sonnensystemforschung (MPS), der Georg-August-Universität Göttingen und der
Sternwarte Sonneberg entdeckt. All diese Welten haben eine Gemeinsamkeit: Sie
sind so klein, dass bisherige Suchkampagnen sie übersehen hatten. Einer der
neuen Exoplaneten zählt zu den kleinsten bisher bekannten, ein weiterer könnte
lebensfreundliche Bedingungen aufweisen. Die Forscher werteten einen Teil der
Daten des NASA-Weltraumteleskops Kepler mit einer von ihnen entwickelten,
empfindlicheren Methode erneut aus. Im gesamten Datenschatz der Kepler-Mission
müssten sich auf diese Weise noch mehr als 100 zusätzliche Exoplaneten ausfindig
machen lassen, rechnen die Wissenschaftler hoch.
Etwas mehr als 4000 Planeten, die um Sterne außerhalb unseres Sonnensystems
kreisen, sind bisher bekannt. Von diesen so genannten Exoplaneten sind etwa 96
Prozent deutlich größer als unsere Erde, die meisten davon eher vergleichbar mit
den Abmessungen der Gasriesen Neptun oder Jupiter. Allerdings dürfte dieser
Prozentsatz nicht die wirklichen Verhältnisse im Weltall widerspiegeln, denn
große Planeten lassen sich deutlich leichter aufspüren als kleine.
Doch gerade die kleinen Welten faszinieren, wecken sie doch die Hoffnung,
irgendwo im All erdähnliche Planeten zu finden. Auch die 18 neu entdeckten
Welten fallen in die Kategorie erdgroßer Planeten. Der Radius der kleinsten
misst nur 69 Prozent des Erdradius; die größte überragt die Erde um kaum mehr
als das Zweifache. Und es gibt eine weitere Gemeinsamkeit: Alle 18 Planeten
ließen sich bisher in den Daten des Weltraumteleskops Kepler nicht
ausfindig machen. Gängige Suchalgorithmen waren dafür nicht empfindlich genug.
Üblicherweise nutzen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bei ihrer Suche
nach fernen Welten die sogenannte Transit-Methode, mit der sie Sterne gezielt
nach periodisch wiederkehrenden Helligkeitsabfällen durchforsten. Jedes Mal,
wenn ein Exoplanet auf seiner Umlaufbahn von der Erde aus gesehen vor seinem
Stern vorüberzieht, verdunkelt er ihn leicht. Der Stern erscheint dem Betrachter
in dieser Zeit, typischerweise für ein paar Stunden, weniger hell.
"Bisherige Such-Algorithmen versuchen, sprunghafte Helligkeitsabfälle zu
identifizieren", erklärt Dr. René Heller vom MPS. "In Wirklichkeit erscheinen
Sterne am Rand etwas dunkler als in der Mitte. Wenn ein Planet vor einem Stern
entlang zieht, blockiert er anfangs weniger Sternlicht. Erst zur Mitte des
Transits erscheint der Stern am dunkelsten. Danach wird er wieder graduell
heller", ergänzt er.
Große Planeten verdunkeln ihren Stern so stark, dass dieser feine Unterschied
bei ihrer Entdeckung kaum eine Rolle spielt. Kleine Planeten jedoch stellen
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vor immense Herausforderungen. Der
Helligkeitsabfall ist oftmals so gering, dass er in den natürlichen
Helligkeitsschwankungen des Sterns und im Rauschen des Messinstrumentes kaum
auffällt.
Das deutsche Team um René Heller konnte nun zeigen, dass sich die
Empfindlichkeit der Transit-Methode entscheidend verbessern lässt, wenn ein
realistischerer Helligkeitsverlauf angenommen wird. Als Prüfstein dienten den
Forschern Daten des NASA-Weltraumteleskops Kepler. In der ersten
Missionsphase von 2009 bis 2013 zeichnete das Teleskop den Helligkeitsverlauf
von mehr als 100.000 Sternen auf. Mehr als 2300 Planeten wurden so entdeckt.
Nach einem technischen Defekt ließ sich das Teleskop nur noch eingeschränkt
nutzen, richtete seinen Blick dennoch bis zum Missionsende 2018 auf mehr als
100.000 weitere Sterne.
Um das Potential ihres neuen Algorithmus zu testen, wandten sich die Forscher
in einem ersten Schritt den überschaubareren Daten der zweiten Missionsphase zu.
Speziell untersuchten sie alle 517 Sterne erneut, von denen bereits bekannt war,
dass sie mindestens einen planetaren Begleiter aufweisen. Neben den bereits
dokumentierten Planeten stießen die Forscher auf 18 weitere, die bisher
übersehen worden waren.
"In den meisten der von uns untersuchten Planetensystemen sind die jetzt
gefundenen Planeten die kleinsten", beschreibt Kai Rodenbeck von der Universität
Göttingen und vom MPS die Ergebnisse. Zudem kreisen sie fast immer weiter innen
um ihren Stern als ihre schon länger bekannten Weggefährten. Auf den Oberflächen
fast aller dieser neuen Planeten herrschen deshalb Temperaturen von weit über
100 Grad Celsius; bei einigen sind es sogar bis zu 1000 Grad Celsius.
Nur einer der Körper bildet eine Ausnahme: Er kreist innerhalb der
sogenannten habitablen Zone um einen roten Zwergstern. In diesem günstigen
Abstand zu seinem Stern bietet dieser Planet eventuell Bedingungen, unter denen
flüssiges Wasser auf seiner Oberfläche vorkommen könnte – eine der
Grundbedingungen für Leben. "Unser neuer Algorithmus trägt dazu bei, ein
realistischeres Bild von der Exoplaneten-Population im Weltall zu gewinnen",
bilanziert Michael Hippke von der Sternwarte Sonneberg. "Vor allem für die Suche
nach erdähnlichen Planeten bedeutet unsere neue Methode einen maßgeblichen
Fortschritt."
Natürlich können die Forscher nicht ausschließen, dass auch ihre Methode für
einzelne Planeten blind ist. Besonders problematisch sind beispielsweise kleine
Planeten, die in beträchtlichem Abstand um ihren Stern kreisen. Sie benötigen
für einen Umlauf um ihren Stern länger als solche Planeten, die ihren Stern eng
umrunden – und verdunkeln ihn somit in größeren Zeitabständen. Ihr ohnehin
schwaches Signal ist so noch schwieriger auszumachen.
Die neue Methode von Heller und seinen Kollegen eröffnet faszinierende
Möglichkeiten, denn neben den 517 jetzt nachuntersuchten Sternen bietet die
Kepler-Mission noch Datensätze von hunderttausenden weiteren Sternen. Die
Forscher gehen davon aus, dass sie mit ihrer Methode in den Kepler-Daten mehr
als 100 weitere erdgroße Welten finden können. "Auch für die künftige
PLATO-Mission der ESA ist diese neue Methode wertvoll", so Prof. Dr. Laurent
Gizon, Geschäftsführender Direktor des MPS. PLATO soll 2026 ins All starten und
dann zahlreiche Exoplaneten-Systeme um sonnenähnliche Sterne finden und näher
charakterisieren.
Über ihre Ergebnisse berichtet das Team in zwei Artikeln in der Fachzeitschrift Astronomy & Astrophysics.
|
Ferne Welten - unsere
Berichterstattung über die Suche nach extrasolaren Planeten und außerirdischem Leben |
|