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Supernovae vom Typ Ia könnten deutlich andere Eigenschaften haben als bisher angenommen: Dies ergab eine detaillierte Rekonstruktion der Manganproduktion in der Milchstraße. Die Analyse deutet darauf hin, dass die Mehrheit dieser Sternexplosionen durch die Verschmelzung von zwei Weißen Zwergen entsteht. Nun fragt man sich, ob sie trotzdem noch zur Bestimmung von Entfernungen taugen.
Während Maria Bergemann, eine Lise-Meitner-Forschungsgruppenleiterin am Max-Planck-Institut für Astronomie, in den letzten Jahren immer bessere Methoden zur Messung der chemischen Eigenschaften von Sternen entwickelte, hätte sie sich nicht träumen lassen, dass ihre Ergebnisse eines Tages die Art und Weise beeinflussen könnten, wie Astronomen die kosmische Expansion, die Hubble-Konstante und die Menge der Dunklen Energie in unserem Universum bestimmen. Aber auf einigen Umwegen scheint genau das jetzt der Fall zu sein. Mithilfe der von Bergemann entwickelten Analysewerkzeuge konnten die Astronomen die Häufigkeit der chemischen Elemente Mangan und Eisen über die letzten 13 Milliarden Jahren der galaktischen Geschichte zurückverfolgen. Ihr - unerwartetes - Ergebnis erlaubt Rückschlüsse auf die Eigenschaften bestimmter Sternexplosionen, der sogenannten Supernovae vom Typ Ia. In solchen Explosionen entstehen die genannten Elemente. Früher glaubte man, dass die meisten Supernovae vom Typ Ia von einem Weißen Zwergstern verursacht werden, der einen gewöhnlichen Stern umkreist und dabei den Wasserstoff aus den äußeren Schichten jenes anderen Sterns absaugt. Die Manganhäufigkeiten von Sternen in unserer Milchstraße zeigen nun aber, dass im Gegenteil drei von vier solcher Explosionen auf andere Weise zustande kommen. Einige werden von je zwei Weißen Zwergsternen verursacht, die sich gegenseitig umkreisen. Andere werden ausgelöst, wenn ein Weißer Zwerg Materie von einem Begleitstern abzieht, aber damit gleich mehrere Explosionen auslöst. Der Unterschied zwischen dem Standard-Szenario und diesen Alternativen kann grundlegende Folgen für die Beziehung zwischen dem Helligkeitsmaximum haben, sowie für den Verlauf der Helligkeitsänderung mit der Zeit sowie die Gesamt-Zeitskala solcher Explosionen.
Das wiederum hat Konsequenzen für einige der grundlegendsten Beobachtungen der Kosmologie: Jene Beobachtungen verwenden nämlich Supernovae vom Typ Ia als "Standardkerzen", also als Lichtquellen, deren tatsächliche Helligkeit der Astronomie bekannt isrt. Der Vergleich der wirklichen Helligkeit einer Quelle mit der beobachteten Helligkeit ermöglicht es dann, die Entfernung der Quelle zu uns zu bestimmen. Die Entdeckung der sogenannten Dunklen Energie, von der man annimmt, dass sie rund 70% der Gesamtenergiedichte unseres Universums ausmacht, geht auf Beobachtungen dieser Art zurück, ebenso wie die Messung der Hubble-Konstante, die die aktuelle Ausdehnungsrate unseres Universums angibt. Handelt es sich bei den für diese Messungen verwendeten Supernovae dagegen nicht um Standardkerzen desselben Typs, sondern um mindestens zwei verschiedene Arten von Explosionen mit unterschiedlichen Eigenschaften, müssen die kosmologischen Schlussfolgerungen erneut überprüft werden. Die Häufigkeit von Elementen wie Eisen in der Atmosphäre eines Sterns ist auch ein direkter Indikator dafür, wie lange es her ist, dass der Stern geboren wurde. Mithilfe hochauflösender Sternspektren von Teleskopen mit Spiegeldurchmessern von 8 bis 10 Metern – sowohl des Very Large Telescope der ESO als auch des Keck-Observatoriums – konnten Bergemann und ihre Kollegen die Häufigkeiten sowohl von Eisen als auch von Mangan für 42 Sterne bestimmen, von denen einige bis zu 13 Milliarden Jahre alt sind. Aus dem Eisengehalt konnten die Astronomen das Alters jedes der Sterne relativ zu den anderen Sternen ermitteln. So konnten sie die Geschichte der Manganproduktion in unserer Galaxie rekonstruieren. Zu ihrer großen Überraschung zeigte die neue und verbesserte Analyse, dass das Verhältnis von Mangan zu Eisen über diesen langen Zeitraum ziemlich konstant war. Frühere, einfachere Abschätzungen hatten auf einen Trend hingedeutet, nämlich auf ein Ansteigen der Manganproduktion über die letzten 13 Milliarden Jahre der galaktischen Geschichte. Noch überraschender war, dass man das gleiche konstante Verhältnis der Mangan- und der Eisenhäufigkeit in ganz verschiedenen Regionen unserer eigenen Galaxie und sogar in nahen Galaxien der Lokalen Gruppe fand. Zumindest in unserer kosmischen Nachbarschaft scheint das Verhältnis von Mangan zu Eisen eine universelle chemische Konstante zu sein. An dieser Stelle kommen die Supernovae ins Spiel. Damit Mangan entsteht, ist die beeindruckend hohe Energie nötig, die bei Supernova-Explosionen freigesetzt wird. Verschiedene Arten von Supernovae produzieren Eisen und Mangan in unterschiedlichen Häufigkeitsverhältnissen. Einen Beitrag leisten sogenannte Gravitationskollaps-Supernovae, bei denen ein massereicher Stern am Ende seines Lebens in sich zusammenfällt, wenn der Kernbrennstoff in seinem Inneren verbraucht ist. Andere Beiträge sind allerdings in diesem Zusammenhang interessanter: Wenn ein Weißer Zwerg, ein Überrest eines sonnenähnlichen Sterns, einen Riesenstern umkreist, zieht seine Schwerkraft Wasserstoff aus dem Riesenstern auf seine eigene Oberfläche. Überschreitet der Weiße Zwerg dabei eine Grenzmasse wird er instabil, was zu einer thermonuklearen Explosion führt, einer sogenannten Supernova vom Typ Ia. Da wegen dieser Grenzmasse die Masse des explodierten Sterns immer ungefähr gleich ist, sollte bei der Explosion auch die ungefähr gleiche Energie freigesetzt werden und die tatsächliche Helligkeit gleich sein. Deswegen werden diese Explosionen auch als Standardkerzen verwendet. Bei den früheren, weniger genauen Mangan-Messungen waren die Astronomen zu dem Schluss gekommen, dass der überwiegende Teil der Supernovae vom Typ Ia in der oben beschriebenen Art und Weise geschieht, also mit einem Weißen Zwerg, der Wasserstoff von einem riesigen Begleitstern abzieht. Die neuen Messungen dagegen, nach denen das Mangan-Eisen-Verhältnis während der gesamten galaktischen Geschichte konstant war, legen einen anderen Schluss nahe. Es gibt nämlich noch andere Möglichkeiten, eine Supernova vom Typ Ia zu erzeugen. Allein den Beobachtungsdaten nach, insbesondere in Bezug auf die Art und Weise, wie sich die Helligkeit der Supernova mit der Zeit ändert, sind diese Alternativen nicht von dem herkömmlichen Weiß-Zwerg-plus-Riesen-Szenario zu unterscheiden. In einem der möglichen Alternativfälle zieht der Weiße Zwerg Materie von einem Begleitstern ab, die zu einer Explosion in den oberen Schichten des Stern führt. Deren Druckwelle läuft in Richtung der Kernregionen des Weißen Zwergs und löst dort eine weitere Explosion aus. Insgesamt entsteht die Supernova also aus einer Doppel-Detonation. Im anderen Fall sind die Protagonisten zwei Weiße Zwergsterne in enger Umlaufbahn umeinander. Sind sich die Sterne so nahe gekommen, dass ihre äußeren Gasschichten eine gemeinsame Hülle um das Paar bilden, dann führt die Aussendung von Gravitationswellen des schnell kreisenden Systems dazu, dass sich die Weißen Zwerge immer näher kommen. Verschmelzen sie, dann kommt es zu einer thermonuklearen Explosion. Zu guter Letzt gibt es noch eine Mischform, bei der sich in einem Doppelsternsystem aus Weißen Zwergen eine doppelte Detonation ereignet. Aber die Helligkeit dieser Art von Explosion wird nicht durch physikalische Konstanten festgelegt. Bei einer solch heftigen Verschmelzung kann das kombinierte explodierende Objekt weniger oder mehr Masse besitzen und die Explosion damit dunkler oder heller sein. Das sind schlechte Nachrichten für diejenigen Kosmologen, die sich auf Supernovae Ia als Standardkerzen verlassen, sprich: die davon ausgehen, dass solche Explosionen eine direkt bestimmbare Helligkeit haben. Aber es wird noch schlimmer: Um das beobachtete konstante Verhältnis von Mangan und Wasserstoff erklären zu können, mussten Bergemann und ihre Kollegen davon ausgehen, dass drei Viertel aller Supernova Ia-Explosionen in unserer Galaxie auf verschmelzende Weiße-Zwerge-Doppelsterne zurückzuführen sind. Diese Sorte von Supernovae Ia ist offenbar die Regel, nicht die Ausnahme. Zweifellos werden andere Gruppen die Ergebnisse von Bergemann und ihren Kollegen auf die Probe stellen. Aber bereits jetzt gibt es eine Bestätigung: Eine Gruppe von Astronomen um Evan Kirby und Mia de los Reyes am California Institute of Technology hat ähnliche Ergebnisse für eine Reihe von Zwerggalaxien gefunden. Kosmologen werden nun überprüfen müssen, welche Konsequenzen der neue Supernova-Typ für ihre Schlussfolgerungen über das Universum als Ganzes hat. Über ihre Ergebnisse berichtet das Teams in einem Fachartikel, der in der Zeitschrift Astronomy & Astrophysics erschienen ist.
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