Drei Schwarze Löcher im Kern von NGC 6240
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Georg-August-Universität Göttingen astronews.com
22. November 2019
Ein internationales Team hat erstmals drei supermassereiche
Schwarze Löcher im Kern einer Galaxie nachgewiesen. Die Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler konnten zeigen, dass die Galaxie NGC 6240 gleich drei
supermassereiche Schwarze Löcher in ihrem Kern beherbergt. Dies weist auf
simultane Verschmelzungsprozesse bei der Entstehung der größten Galaxien im
Universum hin.
Die irreguläre Galaxie NGC 6240. Neue
Beobachtungen zeigen, dass sie nicht zwei,
sondern drei supermassereiche Schwarze Löcher in
ihrem Kern beherbergt. entspricht 1000
Lichtjahren. Bild:
P. Weilbacher (AIP), NASA, ESA, the Hubble
Heritage (STScI/AURA)-ESA/Hubble Collaboration,
und A. Evans (University of Virginia,
Charlottesville/NRAO/Stony Brook University) [Großansicht] |
Große Galaxien wie die Milchstraße bestehen typischerweise aus 100 bis 300
Milliarden Sternen und beherbergen in ihren Zentren ein Schwarzes Loch mit einer
Masse von einigen Millionen bis 100 Millionen Sonnenmassen. Die Galaxie NGC 6240
wird aufgrund ihrer besonderen Form als irreguläre Galaxie bezeichnet. Bisher
gingen Astronominnen und Astronomen davon aus, dass sie durch die Kollision
zweier kleinerer Galaxien entstanden ist und deswegen in ihrem Kern zwei
Schwarze Löcher beheimatet. Die Vorgängergalaxien bewegten sich mit
Geschwindigkeiten von einigen 100 Kilometern pro Sekunde aufeinander zu und
befinden sich immer noch im Verschmelzungsprozess. Das für kosmische
Verhältnisse nahe, in allen Wellenlängenbereichen eingehend studierte
Galaxiensystem in einer Entfernung von etwa 300 Millionen Lichtjahren galt
bisher als Prototyp für die Wechselwirkung von Galaxien.
"Durch unsere Beobachtungen mit extrem hoher räumlicher Auflösung waren wir in
der Lage zu zeigen, dass sich im Zentrum des wechselwirkenden Galaxiensystems
NGC 6240 anstatt zwei – wie bisher vermutet – in Wirklichkeit gleich drei
supermassereiche Schwarze Löcher befinden", berichtet Prof. Dr. Wolfram
Kollatschny vom Institut für Astrophysik der Universität Göttingen. Jedes der
drei Schwergewichte weist eine Masse von mehr als 90 Millionen Sonnen auf. Dazu
befinden sie sich in einer Raumregion von weniger als 3000 Lichtjahren, also
weniger als einem Hundertstel der gesamten Ausdehnung der Galaxie.
"Eine derartige Konzentration von drei supermassereichen Schwarzen Löchern wurde
im Universum bisher noch nie entdeckt", ergänzt Dr. Peter Weilbacher vom
Leibniz-Instituts für Astrophysik Potsdam (AIP). "Der vorliegende Fall liefert
Hinweise auf die simultane Verschmelzung von ursprünglich drei Galaxien mitsamt
ihren zentralen Schwarzen Löchern."
Die Entdeckung dieses Dreifachsystems ist
von grundsätzlicher Bedeutung, um die zeitliche Entwicklung von Galaxien zu
verstehen. Bisher war nicht erklärbar, wie sich die größten und massereichsten
Galaxien, die wir aus unserer kosmischen Umgebung in der "Jetzt-Zeit" kennen,
nur aufgrund normaler Galaxienwechselwirkung und Verschmelzung im Verlauf der
vergangenen rund 14 Milliarden Jahre, dem Alter unseres Universums, gebildet
haben. "Wenn es jedoch auch zu simultanen Verschmelzungsprozessen mehrerer
Galaxien kam, konnten sich die größten Galaxien mit ihren zentralen
supermassereichen Schwarzen Löcher wesentlich schneller entwickeln", fasst
Weilbacher zusammen. "Unsere Beobachtungen liefern den ersten Hinweis auf dieses
Szenario."
Für die einzigartigen hochpräzisen
Beobachtungen von NGC 6240 mit dem Very Large Telescope der
Europäischen Südsternwarte ESO in Chile kam der 3D-MUSE-Spektrograf im räumlich
hochauflösenden Modus zusammen mit vier künstlich erzeugten Laser-Sternen und
einem adaptiven Optik-System zum Einsatz. Die ausgeklügelte Technik liefert
Bilder mit einer Schärfe wie das Weltraumteleskop Hubble, jedoch
zusätzlich auch ein Spektrum von jedem Bildpixel. Diese spektroskopischen
Untersuchungen waren entscheidend für die Bestimmung der Bewegung und Massen der
supermassereichen Schwarzen Löcher in NGC 6240.
Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass
die beobachtete, sich anbahnende Verschmelzung der supermassereichen Schwarzer
Löcher in wenigen Millionen Jahren auch sehr starke Gravitationswellen erzeugen
wird. In absehbarer Zukunft können Signale ähnlicher Objekte mit dem geplanten
satellitengestützten Gravitationswellendetektor LISA vermessen und weitere
verschmelzende Systeme entdeckt werden.
Über die Beobachtungen berichtet das Team in einem Fachartikel, der in
der Zeitschrift Astronomy & Astrophyscis erschienen ist.
|