Das Urkilogramm hat ausgedient
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik astronews.com
20. Mai 2019
Mit dem heutigen Weltmetrologietag ändert sich grundlegend,
was ein Kilogramm, ein Ampere und alle anderen Einheiten sein sollen. Künftig
werden diese allein durch Naturkonstanten definiert, das Urkilogramm hat also
ausgedient. Im täglichen Leben dürfte sich dadurch kaum etwas ändern. Forschung
und Wissenschaft profitieren aber und auch die Verständigung mit Außerirdischen
könnte es erleichtern.
Von 1889 bis 2019 war das Urkilogramm das
Maß aller Massen. Seit heute ist das anders.
Bild: BIPM [Großansicht] |
Ab dem 20. Mai 2019, dem Weltmetrologietag, definieren Naturkonstanten, was
unter einem Kilogramm und einem Ampere, einem Kelvin und einem Mol zu verstehen
ist - ein fundamentaler Wandel im Internationalen System der Einheiten (SI).
Nach jahrelanger Forschung von den großen Metrologieinstituten und im Besonderen
von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) hatte sich die
Weltgemeinschaft auf diese Revision des Einheitensystems verständigt – eine
Revision, die heute in Kraft tritt.
Der 20. Mai 2019 markiert eine Zäsur in der Entwicklung der physikalischen
und technischen Maßeinheiten. Ab diesem Tag sind die gewohnten Definitionen der
Einheiten Geschichte. Vorbei die Zeiten, in denen ein kleiner Metallzylinder in
einem Safe des Internationalen Büros für Maße und Gewichte (BIPM) in Sèvres
(Paris) das Kilogramm für die ganze Welt darstellte.
Vorbei auch die Zeiten, in denen zwei unendlich dünne, unendlich lange Leiter
streng parallel in einem Abstand von einem Meter gespannt werden mussten, um
mithilfe dieser idealisierten Versuchsanordnung zu definieren, was unter der
Einheit für die elektrische Stromstärke, dem Ampere, zu verstehen sein sollte.
Ab dem 20. Mai 2019 haben die Einheiten, in denen wir alles in der Welt
vermessen, das solideste Fundament bekommen, das sich aus physikalischer Sicht
überhaupt nur denken lässt: Ein Satz von Naturkonstanten mit festgelegten Werten
bildet nun die Grundlage für die Definitionen aller Einheiten. Die Idee, eine
Maßeinheit auf der Basis von Naturkonstanten zu definieren, ist prinzipiell
nicht neu. Was bei der Definition der Sekunde mittels Atomuhren vor 50 Jahren
und bei der Definition des Meters mithilfe der Lichtgeschwindigkeit vor über 30
Jahren begonnen wurde, wird nun für alle Einheiten im Internationalen
Einheitensystem fortgesetzt.
Vier weitere Konstanten spielen dabei die Hauptrollen: die Planck-Konstante
h, die Avogadrokonstante NA, die Boltzmann-Konstante k und die Ladung des
Elektrons e. In den metrologischen Laboratorien fanden in den letzten Jahren
aufwendige Experimente statt, um eben diese Konstanten so gut es irgend geht zu
messen. Und diese Messungen, die vor allem an den großen Metrologieinstituten
wie der PTB (Deutschland) und dem NIST (USA) oder auch dem NMIJ (Japan) und dem
NRC (Kanada) durchgeführt wurden, waren erfolgreich: Die zuvor gesetzten
Zielmarken, u. a. bei den Messunsicherheiten und der Unabhängigkeit der
Experimente voneinander, wurden erreicht. Die Werte der betreffenden
Naturkonstanten konnten somit auf der Basis dieser Messungen sehr genau
festgelegt werden.
Im so formulierten Einheitensystem gilt: Kann genauer gemessen werden, können
auch die Einheiten genauer realisiert werden – ohne Änderung der
zugrundeliegenden Definition. In einer hochtechnischen Welt, in der weder die
Längenteilungen beim Nanometer aufhören werden noch die Zeitteilungen bei
Femtosekunden, ist diese technische Offenheit des neuen SI gegenüber allen
zukünftigen Genauigkeitsfortschritten ein großer Gewinn.
Damit schafft die Revision des Einheitensystems bessere Voraussetzungen für
Innovationen überall da, wo es auf höchste Genauigkeiten ankommt – bei der
Entwicklung von Quantentechnologien ebenso wie bei den Diagnosemöglichkeiten der
Medizin, den Effizienzsteigerungen bei der Energiegewinnung oder den
Analysemethoden der Klimaforschung. Und diese Offenheit gilt auf der gesamten
Skala der jeweiligen Einheit, da die Naturkonstanten keinen speziellen
Skalenabschnitt hervorheben.
Dies steht durchaus im Gegensatz zur jetzigen Situation, in der das Kilogramm
nur genau einen Punkt auf der Masseskala, nämlich den 1-kg-Punkt, festlegt oder
der Tripelpunkt des Wassers ebenfalls nur einen einzigen Wert, den 0,01-°C-Punkt
auf der Temperaturskala, fixiert. Das komplett neu definierte Einheitensystem
beseitigt die Mängel des bisherigen Systems, wobei die Änderungen im täglichen
Leben nicht bemerkbar sind.
Für die Technik zeigen sich die Fortschritte als Langzeitwirkung. Für die
Wissenschaft tritt der Fortschritt dagegen sofort mit den Neudefinitionen ein.
Und ein weiterer Vorteil ist überzeugend: Naturkonstanten gelten überall. Damit
bildet das neue SI gewissermaßen eine universelle Sprache, auf die sich die
Weltgemeinschaft nun verständigt hat. Und nicht nur auf unserer Welt: Mathematik
und Naturkonstanten werden überall verstanden – auf der gesamten Erde ebenso wie
im Weltraum. Sie ist im wahrsten Sinne des Wortes universell. Es sollte nun kein
Problem mehr sein, Informationen und Waren mit unseren Nachbarn auf Alpha
Centauri auszutauschen.
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