Radioaktive Zerfallsraten sind konstant
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) astronews.com
2. Oktober 2014
Könnte der Abstand der Erde von der Sonne Einfluss auf die
Zerfallsrate radioaktiver Stoffe haben? Entsprechende Vermutungen äußerten
jüngst einige
Wissenschaftler nach Auswertung von Messreihen. Nun haben Physiker der
Physikalisch-Technischen Bundesanstalt nachgemessen und keinerlei Abhängigkeit
entdecken können.
Der Abstand von
der Sonne hat offenbar keinen Einfluss auf den
Zerfall radioaktiver Stoffe.
Bild: NASA / SDO |
Der Abstand zwischen Erde und Sonne hat keinen Einfluss auf die Zerfallsrate
von radioaktivem Chlor. Dies mögen die meisten Menschen als
Selbstverständlichkeit empfinden, doch hatten US-amerikanische Wissenschaftler
vor nicht allzu langer Zeit für Aufsehen gesorgt, als sie praktisch das
Gegenteil behaupteten.
Sie postulierten nämlich, dass die Zerfallsrate vom Fluss solarer Neutrinos
und damit auch vom Abstand der Erde zur Sonne abhängen würde. Grundlage ihrer
Vermutung waren unter anderem ältere Messdaten aus der Physikalisch-Technischen
Bundesanstalt (PTB). Deren Forscher haben die These der Amerikaner nun eindeutig
widerlegt.
Die Halbwertszeit radioaktiver Isotope, also der Zeitraum, in dem die Hälfte
aller Atomkerne zerfallen ist, gilt als unveränderlich stabil. Beim
Kohlenstoff-Isotop C-14 sind das beispielsweise 5.700 Jahre. Man nutzt diese
Eigenschaft unter anderem bei der Datierung archäologischer Funde.
Als eine Gruppe US-amerikanischer Wissenschaftler Messdaten des radioaktiven
Chlor-Isotops Cl-36 veröffentlichte, die jahreszeitliche Schwankungen aufwiesen,
und dies mit dem Einfluss solarer Neutrinos erklärten, war die Aufregung groß.
Umso mehr, da Neutrinos von der Sonne zwar in jeder Sekunde in milliardenfacher
Zahl auf jeden Quadratzentimeter der Erde treffen, dabei aber fast wirkungslos
bleiben - sie durchdringen die Erde, als wäre sie gar nicht da.
Wissenschaftler der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt haben nun
nachgemessen und ihre Ergebnisse in der Zeitschrift Astroparticle Physics
veröffentlicht. Drei Jahre lang überprüften sie die Aktivität von Proben mit
Cl-36, um mögliche jahreszeitliche Abhängigkeiten zu erkennen. Während die
US-Amerikaner die Zählraten mit Gasdetektoren bestimmt hatten, nutzte die PTB
die sogenannte TDCR-Flüssigszintillationsmethode, die störende Einflüsse auf die
Messungen weitestgehend kompensiert.
Das Ergebnis: Die Messergebnisse der PTB schwanken deutlich weniger und
ergeben keinen Hinweis auf eine jahreszeitliche Abhängigkeit bzw. die Einwirkung
solarer Neutrinos. "Wir gehen davon aus, dass andere Einflüsse viel
wahrscheinlicher für die beobachteten Schwankungen sind", erklärt PTB-Physiker
Karsten Kossert. "Es ist bekannt, dass Änderungen der Luftfeuchte, des
Luftdrucks und der Temperatur empfindliche Detektoren durchaus beeinflussen
können."
Mittlerweile sind die Daten einer weiteren Messreihe - diesmal für das
Strontium-Isotop Sr-90 - ausgewertet und zur Veröffentlichung eingereicht
worden, und auch hier zeigen selbst aufwendige Analysemethoden keinen Hinweis
auf jahreszeitliche Schwankungen. Man kann somit davon ausgehen, dass es den
Einfluss von solaren Neutrinos - zumindest in der postulierten Größenordnung
-auf den radioaktiven Zerfall nicht gibt.
|