Raketenstarts am Nordpolarkreis
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt astronews.com
13. März 2019
In Nordschweden starten in diesen Tagen wieder Raketen des
REXUS-Programms. Am Montag hob REXUS 25 mit verschiedenen Experimenten von
Studierenden ab, am Montag ist der Start von REXUS 26 geplant. Zu den
Experimenten zählten ein Gleiter für Forschung in der Atmosphäre, ein Experiment
für medizinische Anwendungen und ein neues Mess-System für die Raketentechnik.

Rund ein Jahr lang hatten die
Studierendenteams aus Bremen, München und Jena
auf diesen Moment hin gearbeitet: Am 11. März
2019 ist um 10:20 Uhr MEZ die Forschungsrakete
REXUS 25 erfolgreich vom Raumfahrtzentrum Esrange
bei Kiruna in Nordschweden gestartet.
Bild: DLR (CC-BY 3.0) [Großansicht] |
Rund ein Jahr lang hatten die Studierendenteams aus Bremen, München und Jena
auf diesen Moment hingearbeitet: Am 11. März 2019 ist um 10:20 Uhr MEZ die
Forschungsrakete REXUS 25 erfolgreich vom Raumfahrtzentrum Esrange bei Kiruna in
Nordschweden gestartet. An Bord befanden sich die Experimente der deutschen
Teams sowie von Studierenden der Universität Danzig und der TU Eindhoven. Die
Rakete erreichte bei dem Flug eine Höhe von rund 80 Kilometern, wobei für rund
zwei Minuten Schwerelosigkeit herrschte.
"Die Studierenden haben einen Gleiter für Forschung in der Atmosphäre, ein
Experiment für medizinische Anwendungen und ein neues Mess-System für die
Raketentechnik eigenständig entworfen, getestet und gebaut", erläutert Dr.
Michael Becker, Leiter des REXUS/BEXUS-Programms im DLR Raumfahrtmanagement.
"Jetzt warten wir mit Spannung auf die Auswertung der Daten."
Nur rund 22 Zentimeter lang ist der weltraumtaugliche Gleiter, den das Team
GAME (Glider for Atmospheric Measurements and Experiments) der
Ernst-Abbe-Hochschule Jena entworfen hat. Das Fluggerät soll zukünftig
eingesetzt werden, um Experimente und Messungen in der Atmosphäre durchführen zu
können, etwa zur Wirkung kosmischer Strahlung auf die Erbsubstanz von Zellen und
für die Klimaforschung. "Wir haben das Fluggerät so konstruiert, dass es in die
Raketenspitze eingebaut werden konnte und kurz vor dem Gipfelpunkt des Fluges
freigesetzt wurde", so Anna Maria Büchner, Teamleiterin von GAME. "Der
Mechanismus zum Auswerfen des Geräts, das geringe Gewicht des Gleiters und die
Kommunikationstechnik waren dabei die größten Herausforderungen. Wir sind
glücklich, dass alles so gut funktioniert hat." Während des Fluges wurden
Position, Lage und Temperatur bestimmt und zur Bodenstation gesendet.
Ein weiteres Experiment befasste sich mit Foraminiferen. Dabei handelt es
sich um winzige einzellige Lebewesen, von denen fast alle Arten ein Kalkgehäuse
besitzen. Ihr kleines Gehäuse ist für die Erforschung von
Mineralisierungsprozessen, etwa in menschlicher Knochensubstanz, von großem
Interessiere. Die Kalkschale ist aber auch für die Pharmatechnik von Bedeutung:
Da ihre Struktur viele winzige Kammern aufweist, kann sie beispielsweise als
Vorlage für Tabletten dienen, die Medikamente kontrolliert abgeben können. "Wir
wollen die Organismen in unserem Experiment FORAREX (Foraminifera Rocket
Experiment) näher untersuchen und erforschen, wie sich die Zellen in
Schwerelosigkeit verhalten", erläutert Nils Kunst von der Universität Bremen.
"Wir haben für das Experiment ein Lebenserhaltungssystem konstruiert, das den
Foraminiferen vor, während und nach dem Flug optimale Umgebungsbedingungen
bietet."
Ziel von Team FLOMESS (Flight Loading Measurement System) der Universität der
Bundeswehr München ist die Messung der strukturellen Belastungen, die auf die
Höhenforschungsrakete während Start und Flug wirken. Dabei wird vor allem die
Dehnung der Rakete gemessen. Die Ergebnisse dienen dazu, Forschungsraketen
zukünftig effizienter zu gestalten und im Zuge der kommerziellen Raumfahrt ein
höheres Nutzlastverhältnis zu ermöglichen.
Am 18. März 2019 soll mit REXUS 26 die zweite Forschungsrakete der
Doppelkampagne starten. An Bord befinden sich dann Experimente von Studierenden
der TU Braunschweig, der TU Berlin, der Lulea University of Technologie,
des Royal Institute of Technology KTH und der Wroclaw University of
Science and Technology. Das Team ELVIS (Exploration of Low-Velocity
collision In Saturn’s rings) der TU Braunschweig will mit seinem Experiment
dabei der Entstehung der Saturnringe auf die Spur kommen. Ziel ist es zu
verstehen, wie durch das Zusammenstoßen einzelner Staubpartikel größere
Strukturen entstehen. Bei dem Experiment untersuchen die Studierenden das
Verhalten von kleinen Glaskugeln, welche die Partikel in den Saturnringen
simulieren.
In der Schwerelosigkeit werden die Kugeln, die sich in einer Experimentkammer
befinden, geschüttelt, so dass diese zusammenstoßen. Wenn die
Kollisionsgeschwindigkeiten gering genug sind, bleiben die Teilchen aneinander
haften und bilden Klumpen. Das Team will nun erforschen, bis zu welcher Größe
diese Klumpen heranwachsen können und unter welchen Kollisionsbedingungen die
Zusammenstöße stattfinden müssen.
Nutzlasten moderner Kleinstsatelliten, so genannter CubeSats, werden
zunehmend anspruchsvoller und verlangen eine präzisere und beweglichere
Lageregelung. Das Team TUPEX-6 (Technische Universität Berlin Picosatellite
Experiment - 6) der TU Berlin will hierfür eine innovative Technik testen, die
nicht auf herkömmlichen Rädersystemen, sondern auf Kanälen (Picosatellite
Fluid-Dynamic Actuators, pFDA) basiert, durch die flüssiges Metall gepumpt wird.
Durch Ändern der Fließgeschwindigkeit kann die Lage des Satelliten geregelt
werden. Einer der Vorteile des Systems ist, dass es durch seine flexible Form
platzsparender ist als bisherige Technologien und daher mehr Raum für Nutzlasten
zur Verfügung steht. Für das Experiment hat das Team ein Modell eines CubeSats
mit einem solchen pFDA-Lageregelungssystem an Bord entworfen und einen
Auswurfmechanismus für die Separation von der Rakete entwickelt.
Das deutsch-schwedische Programm REXUS/BEXUS (Raketen-/Ballon-Experimente für
Universitäts-Studenten) ermöglicht Studierenden, eigene praktische Erfahrungen
bei der Vorbereitung und Durchführung von Raumfahrtprojekten zu gewinnen. Ihre
Vorschläge für Experimente können jährlich im Oktober eingereicht werden. Der
diesjährige Aufruf dazu wird Mitte 2019 veröffentlicht. Jeweils die Hälfte der
Raketen- und Ballon-Nutzlasten stehen Studenten deutscher Universitäten und
Hochschulen zur Verfügung. Die schwedische Raumfahrtagentur SNSA hat den
schwedischen Anteil für Studierende der übrigen Mitgliedsstaaten der
Europäischen Weltraumorganisation ESA geöffnet.
Auf deutscher Seite erfolgt die Projektleitung mit der Betreuung der
Experimente durch das Zentrum für Angewandte Raumfahrttechnik (ZARM) in Bremen.
Die Flugkampagnen führt EuroLaunch durch, ein Joint Venture der Mobilen
Raketenbasis des DLR (MORABA), die für die Bereitstellung der Raketensysteme
zuständig ist, und des Esrange Space Center des schwedischen
Raumfahrtunternehmens SSC, das über die Startinfrastruktur verfügt. Die
Programmleitung liegt beim DLR Raumfahrtmanagement in Bonn.
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