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Dank der erstmaligen Einbindung des besonders empfindlichen Radioteleskopverbunds ALMA in ein globales Teleskopnetzwerk wurde deutlich, dass die Radiostrahlung aus der Umgebung des supermassereichen Schwarzen Lochs im Zentrum unserer Milchstraße aus einem wesentlich kleineren Bereich stammt als bisher angenommen. Zeigt vielleicht ein kosmischer Jet direkt in Richtung Erde?
Bis jetzt hat ein diffuser Nebel aus heißem Gas die Astronomen daran gehindert, scharfe Bilder aus der unmittelbaren Umgebung des supermassereichen Schwarzen Lochs im Zentrum unserer Milchstraße zu erhalten. Dieses Schwarze Loch wird mit dem im Radiobereich sichtbaren Objekt Sagittarius A* (abgekürzt Sgr A*, gesprochen Sagittarius A-Stern) in Verbindung gebracht. Jetzt ist es gelungen, den sehr leistungsfähigen Teleskopverbund ALMA im Norden von Chile in ein weltweites Netzwerk von Radioteleskopen einzubinden, um damit diesen Nebel zu durchdringen. Die Quelle sorgt auch weiterhin für Überraschungen: die gesamte Strahlung kommt aus einem besonders kleinen Gebiet; möglicherweise ein Indiz für einen Strahlungskegel (Jet), der direkt in Richtung der Erde zeigt. Die Beobachtungen erfolgten bei der hohen Frequenz von 86 GHz (oder 3,5 mm Wellenlänge) mit der Technik der "Very Long Baseline Interferometry" (VLBI), mit der eine Reihe von Radioteleskopen zu einem virtuellen Riesenteleskop fast von der Größe der Erde zusammengeschaltet wurden. Damit wurde es möglich, die genaue Auswirkung der Streueffekte zu kartieren, die unseren Blick auf die eigentliche Zentralregion unserer Milchstraße trüben. Durch die Korrektur der meisten dieser Streueffekte erhielt das Team ein erstes Bild der unmittelbaren Umgebung des Schwarzen Lochs. Die hohe Qualität des so korrigierten Radiobilds liefert dem Forscherteam verbesserte Werte zur Präzisierung von theoretischen Modellen, die die Eigenschaften des Gases in der direkten Umgebung von Sgr A* beschreiben. Der überwiegende Anteil der Radiostrahlung der Zentralquelle kommt aus einem Bereich mit einer Ausdehnung von nur einem 300millionsten Teil eines Winkelgrades, und zeigt eine symmetrische kompakte Struktur. "Das deutet darauf hin, dass die Radiostrahlung eher von einer Scheibe mit einfallendem Gas herrührt als von einem Radiojet", erklärt Sara Issaoun, Doktorandin an der Radboud-Universität in Nijmegen in den Niederlanden, die die Daten anhand einer ganzen Reihe von Computermodellen überprüft hat. "Das würde allerdings Sgr A* zu einer Ausnahme gegenüber allen anderen Schwarzen Löchern machen, von denen wir Radiostrahlung empfangen. Eine Alternative wäre nur, wenn der Jet fast direkt auf uns zeigt."
Der deutsche Astronom Heino Falcke, Professor für Radioastronomie an der Radboud-Universität und Betreuer der Doktorarbeit von Sara Issaoun, hält diese Aussage zwar für ungewöhnlich, schließt sie aber keineswegs mehr aus. Noch im letzten Jahr würde er es als ein künstlich konstruiertes Modell angesehen haben, aber erst kürzlich kam das GRAVITY-Team durch Beobachtungen mit dem Very Large Telescope Interferometer der ESO mit ganz anderer Beobachtungstechnik zu ganz ähnlichen Schlüssen. "Es könnte also sehr wohl richtig sein", so Falcke, "und das bedeutet, dass wir das Biest unter einem besonderen Blickwinkel sehen." Supermassereiche Schwarze Löcher kommen in den Zentren von Galaxien sehr häufig vor und erzeugen die energiereichsten Phänomenen im bekannten Universum. Es wird angenommen, dass sich Materie im direkten Umfeld des Schwarzen Lochs in einer rotierenden Scheibe, der sogenannte Akkretionsscheibe, ansammelt. Ein Teil dieser Materie wiederum wird senkrecht dazu in Form von zwei entgegengesetzt gerichteten stark gebündelten Strahlungskegel oder Jets mit fast Lichtgeschwindigkeit ausgestoßen. Dadurch wird typischerweise eine große Menge von Radiostrahlung erzeugt. "Ob nun die Radiostrahlung, die wir von Sgr A* empfangen, von einer teilweise aufgelösten Punktquelle kommt, oder ob die Radioquelle doch mehr asymmetrisch ist, ist aktuell Gegenstand intensiver Diskussionen", erklärt Thomas Krichbaum, vom Bonner Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR), ebenfalls Mitglied des Forscherteams. Sgr A* ist das nächstgelegene supermassereiche Schwarze Loch mit einem "Gewicht" von ca. vier Millionen Sonnenmassen. Seine scheinbare Ausdehnung am Himmel beträgt weniger als ein 100 Millionstel Winkelgrad; das entspricht der Größe eines Tennisballs auf dem Mond. Um derart kleine Strukturen zu erfassen, ist die Beobachtungstechnik der Interferometrie mit langen Basislinien (VLBI) erforderlich. Die erreichte Winkelauflösung wird nochmals durch die Erhöhung der Frequenz verbessert. Im Moment liegt die höchste Frequenz, bei der VLBI-Beobachtungen überhaupt durchgeführt werden können, bei 230 GHz. "Die allerersten VLBI-Beobachtungen von Sgr A* bei 86 GHz wurden bereits vor 26 Jahren von einem Team unter der Leitung von Thomas Krichbaum vom MPIfR mit nur einer Handvoll von Teleskopen durchgeführt. Im Lauf der Jahre haben sich sowohl die Datenqualität als auch die bildliche Darstellung durch eine immer größere Zahl von beteiligten Teleskopen stetig verbessert", sagt J. Anton Zensus, Direktor am MPIfR und Leiter der Radioastronomie/VLBI-Forschungsabteilung am Institut. Die Ergebnisse des internationalen Teams um Sara Issaoun, dem auch Forscher der beiden wissenschaftlichen Abteilungen Zensus und Kramer am MPIfR angehören, beschreiben die ersten VLBI-Beobachtungen bei 86 GHz unter Teilnahme des ALMA-Teleskops, des bei weitem empfindlichsten Radioteleskopes bei dieser Wellenlänge. ALMA wurde erstmalig im April 2017 als Teil des vom MPIfR betriebenen "Global Millimeter VLBI Array" (GMVA) eingesetzt. Im Rahmen des "ALMA-Phasing-Projekts" wurden die technischen Bedingungen geschaffen, um VLBI mit ALMA zu ermöglichen. Dies war ausschlaggebend für den Erfolg der Beobachtungen von Sgr A*. Die Beteiligung von ALMA an Millimeter-VLBI-Beobachtungen ist gleich aus zwei Gründen wichtig: einmal wegen der Empfindlichkeit des Teleskops, aber auch wegen seiner Lage auf der Südhalbkugel der Erde. Neben ALMA sind zwölf weitere Radioteleskope an dem Projekt beteiligt, die alle auf der Nordhalbkugel der Erde in Nordamerika und Europa liegen. Unter Einbeziehung von ALMA konnte die Winkelauflösung verdoppelt werden, im Vergleich zu vorherigen Messungen bei dieser Frequenz. Dies ermöglichte eine verbesserte und schärfere Kartierung von Sgr A*, mit deutlich reduziertem Einfluss interstellarer Streuung, also eines Effekts, der durch Dichteschwankungen im ionisierten interstellaren Material entlang der Sichtlinie vom galaktischen Zentrum bis zur Erde hervorgerufen wird. Um ein Bild zu erhalten, das für die Auswirkung der interstellaren Streuung korrigiert ist, nutzte das Team eine von Michael Johnson vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics entwickelte Technik. "Obwohl die Streuung das Radiobild von Sgr A* trübt und verzerrt, können wir mithilfe der fantastischen Winkelauflösung der Beobachtungen die genauen Eigenschaften der Streuung ableiten", sagt Johnson. "So wird es möglich, den Einfluss der Streuung zu korrigieren und damit zu sehen, wie es in der Nähe des Schwarzen Lochs tatsächlich ausschaut. Wir wissen damit auch, dass die interstellare Streuung kein Hindernis für das Event-Horizon-Teleskop darstellen wird, womit wir den erwarteten Schatten des Schwarzen Lochs bei 230 GHz zu erfassen gedenken, wenn es diesen Schatten denn gibt. Das ist eine tolle Neuigkeit." Über ihre Ergebnisse berichten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in einem Fachartikel, der in der Zeitschrift The Astrophysical Journal erschienen ist.
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