16 Jahre das Schwarze Loch im Blick
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik astronews.com
10. Dezember 2008
In einer 16 Jahre langen Untersuchung hat ein Team deutscher
Astronomen das bisher detailreichste Bild von der Umgebung des supermassereichen
Schwarzen Lochs im Herzen unserer Galaxis gezeichnet. Die Forscher haben die
Umlaufbahnen von 28 Sternen gemessen - fünf Mal mehr als in vorhergehenden
Untersuchungen. Einer der Sterne hat das Schwarze Loch seit Beginn der
Beobachtungen sogar einmal vollständig umrundet.
Die zentralen 25 Bogensekunden unserer
Heimatgalaxie, der Milchstraße. Die Aufnahme
wurde mit adaptiver Optik am VLT im nahen
Infrarot bei drei Wellenlängen gewonnen. Man
erkennt heiße, blaue Sterne neben kühleren roten
Sternen, sowie rot leuchtende Gaswolken. Die
Sterne, von denen Umlaufbahnen beobachtet wurden,
stehen im Zentrum des Bildes in einer Region von
etwa einer Bogensekunde.
Bild: ESO [Großansicht] |
Mit großer Geduld und Präzision haben die Astronomen die Bewegungen von 28 Sternen rund um das Zentrum der Milchstraße beobachtet und so das dort verborgene superschwere Schwarze Loch, bekannt als Sagittarius A*, detailliert untersucht. Zum ersten Mal wurden die Umlaufbahnen von so vielen dieser zentralen Sterne genau berechnet. Dies liefert Informationen über die rätselhafte Entstehung dieser Sterne - und vor allem über das Schwarze Loch, an das sie gebunden sind.
"Das Zentrum der Galaxis ist ein einzigartiges Labor, in dem wir grundlegende Gesetze der Schwerkraft, der Sternendynamik und Sternbildung studieren können. Diese Prozesse sind für alle anderen galaktischen Kerne von zentraler Bedeutung, aber nur im galaktischen Zentrum erreicht man den notwendigen Detaillierungsgrad", erläutert Reinhard Genzel, der das Team am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik (MPE) in Garching bei München leitet.
Der interstellare Staub, der die Galaxis füllt, behindert die direkte Sicht auf die zentrale Region der Milchstraße im sichtbaren Licht. Aus diesem Grund benutzten die Astronomen für die Untersuchung dieser Himmelsregion Wellenlängen im Infraroten, die den Staub durchdringen. Technologisch ist dies eine besondere Herausforderung, doch der Aufwand lohnt sich:
"Das galaktische Zentrum beherbergt das nächstliegende von allen uns bekannten
superschweren Schwarzen Löchern. Daher ist dies der beste Ort überhaupt, wenn man schwere Schwarze Löcher untersuchen möchte",
erklärt Stefan Gillessen, Erstautor der Studie, die jetzt zur Veröffentlichung
in der Fachzeitschrift The Astrophysical Journal angenommen wurde.
Die Forscher benutzten die zentralen Sterne als Testteilchen, indem sie beobachteten, wie die Sterne sich um Sagittarius A* bewegten. Ähnlich wie Laub, das von einem Windstoß hinweggefegt wird, ein komplexes Netzwerk aus Luftströmen enthüllt, werden auch durch das Verfolgen der Bewegungen der zentralen Sterne die Kräfte deutlich, die im Galaktischen Zentrum am Werke sind. Diese Beobachtungen können dann benutzt werden, um wichtige Eigenschaften des Schwarzen Loches selbst abzuleiten, wie seine Masse und Entfernung.
Die neue Untersuchung zeigte auch, dass mindestens 95 Prozent der Masse, die auf die Sterne einwirkt, sich im Schwarzen Loch befinden muss. Es bleibt daher wenig Raum für andere dunkle Materie.
"Der zweifellos spektakulärste Aspekt unserer Langzeitstudie ist, dass sie den bisher besten empirischen Beweis erbracht hat, dass supermassive Schwarze Löcher wirklich existieren. Die Sternorbits im galaktischen Zentrum zeigen, dass die zentrale Massenkonzentration von vier Millionen Sonnenmassen ein Schwarzes Loch sein muss, ohne jeden Zweifel", sagt Genzel.
Die Beobachtungen erlauben es den Astronomen auch, die Entfernung vom Zentrum der Galaxis mit hoher Genauigkeit zu bestimmen. Sie beträgt demnach 27.000 Lichtjahre.
Um dieses beispiellos detaillierte Bild vom Herzen der Milchstraße erstellen und die Umlaufbahnen der einzelnen Sterne berechnen zu können, musste das Team die Sterne über viele Jahre hinweg beobachten. Die neuen faszinierenden Ergebnisse basieren auf 16 Jahren Arbeit, beginnend mit Beobachtungen im Jahr 1992, die mit der SHARP-Kamera am
New Technology Telescope des La Silla Observatory in Chile gemacht wurden.
Seit 2002 wurden weitere Folgebeobachtungen mit zwei Instrumenten am Very Large Telescope (VLT) durchgeführt. Insgesamt rund 50 Nächte Beobachtungszeit mussten investiert werden, bis die Wissenschaftler diese spektakulären Ergebnisse gewonnen hatten. Die langfristige Vision des deutschen Forscherteams um Reinhard Genzel wurde im Juni dieses Jahres mit dem hoch angesehenen Shaw-Preis ausgezeichnet
(astronews.com berichtete).
Durch die neue Studie können die Astronomen nun die Positionen der Sterne mit sechsmal höherer Genauigkeit als zuvor vermessen. Die letztlich erreichte Präzision von 300 Mikrobogensekunden ist vergleichbar mit dem Sehen einer Ein-Euro-Münze aus einer Entfernung von rund 10.000 Kilometern.
Zum ersten Mal ist jetzt die Anzahl bekannter Sternorbits groß genug, um sie auf gemeinsame Eigenschaften hin zu untersuchen.
"Die Bahnen der Sterne in der innersten Region sind völlig regellos, wie ein Bienenschwarm", sagt Gillessen.
"Jedoch umkreisen weiter draußen sechs der 28 Sterne das Schwarze Loch in einer Scheibe. In dieser Hinsicht hat die neue Studie auch explizit frühere Arbeiten bestätigt, in denen die Scheibe gefunden worden war, wenngleich nur in statistischem Sinne. Geordnete Bewegung außerhalb des ersten Lichtmonats, zufällig orientierte Bahnen innerhalb davon - so lässt sich die Dynamik der jungen Sterne im galaktischen Zentrum am besten beschreiben."
Ein bestimmter Stern, bekannt als S2, umkreist das Zentrum der Milchstraße so schnell, dass er innerhalb der 16-Jahres-Dauer der Studie seine Bahn einmal vollständig durchlaufen hat. Einen kompletten Umlauf von S2 zu beobachten, trug entscheidend zur Messgenauigkeit und damit zum Verständnis dieser Region bei. Ein Geheimnis bleibt jedoch, wie diese jungen Sterne in die Umlaufbahnen gelangten, wo sie heute beobachtet werden. Sie sind viel zu jung, um von weit gekommen zu sein, aber es erscheint noch unwahrscheinlicher, dass sie in ihren jetzigen Bahnen entstanden, wo die Gezeitenkräfte des Schwarzen Loches wirken.
Weitere Beobachtungen sind bereits in Planung, um mehrere theoretische Modelle zu testen, die versuchen, dieses Rätsel zu lösen.
"Für zukünftige Untersuchungen in der unmittelbaren Umgebung des Schwarzen Loches benötigen wir eine höhere Winkelauflösung als zurzeit möglich ist", sagt Genzel.
Laut Frank Eisenhauer, Projektleiter des Nahinfrarot-Instrumentes GRAVITY, wird die ESO bald in der Lage sein, diese benötigte Auflösung zu erreichen.
"Der nächste große Schritt wird sein, das Licht von den vier
8,2-Meter-Teleskopen des VLT zu kombinieren - eine Technik, die als
Interferometrie bezeichnet wird. Dies wird die Genauigkeit der Beobachtungen im
Vergleich zum heute Möglichen um einen Faktor zwischen 10 und 100 erhöhen. Diese
Kombination hat das Potential, Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie in der
gegenwärtig noch unerforschten Region nahe an einem Schwarzen Loch zu
überprüfen."
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