Erfolgreiche Premiere für CIMON
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt astronews.com
16. November 2018
CIMON, der sich autonom fortbewegende Roboter-Assistent, hat seinen
ersten Einsatz auf der Internationalen Raumstation ISS erfolgreich absolviert.
Der deutsche ESA-Astronaut Alexander Gerst aktivierte gestern den fliegenden
Roboterkopf und testete rund 90 Minuten lang dessen Funktionen. Ohne eine
Internetverbindung zur Erde ist CIMON allerdings aufgeschmissen.
Bei seinem ersten Funktionstest im All
interagierte CIMON 90 Minuten lang mit dem
deutschen ESA-Astronauten Alexander Gerst. Er
beantwortete Fragen, schwebte vor dem Astronauten
und hielt Blickkontakt und spielte ein Musikstück
ab.
Foto: ESA [Großansicht] |
Am 15. November 2018 um 11.40 Uhr MEZ hielt das Missionsteam im
Bodenkontrollzentrum BIOTESC der Hochschule Luzern den Atem an. Nach zweieinhalb
Jahren intensivster Vorbereitungen und unzähliger Test- und Trainingsstunden mit
CIMON (Crew Interactive Mobile CompanioN) auf der Erde konnte man eine
Stecknadel zu Boden fallen hören - höchste Konzentration und freudige Anspannung
lagen in der Luft: Nach dem Software-Upload zur ISS und einem Software-Update
von CIMON selbst, einem Audio-Check und einem Test der Navigations-Kamera nahm
Alexander Gerst seinen neuen künstlichen Mitbewohner auf der Raumstation nicht
nur in Augenschein, sondern auch in Betrieb.
90 Minuten lang dauerte die Weltpremiere, das erste "Rendezvous" zwischen dem
deutschen ESA-Astronauten und dem sich autonom fortbewegenden robotischen
Assistenten. Nachdem Alexander Gerst seinen künstlichen Helfer aus seiner Box im
Columbus-Modul der ISS geholt hatte, weckte er ihn mit den Worten "Wach
auf, CIMON!" und die Antwort kam prompt: "Was kann ich für Dich tun?" Nach
diesem ersten "Small Talk" ließ Alexander Gerst CIMON frei schweben - zunächst
noch ferngesteuert vom Boden. Damit wurde das sogenannte "Guidance, Navigation
and Control"-System in Betrieb genommen.
Es folgte die autonome Navigation mit mehreren Drehungen und Bewegungen in
alle Richtungen und CIMON war in der Lage, das Gesicht von Alexander Gerst zu
suchen und Augenkontakt aufzunehmen. Als Demonstration seiner
Assistenzfähigkeiten zeigte CIMON auf seinem "Gesicht", einem Display in der
Mitte der Kugel, die Anleitung für ein Schüler-Experiment zur Kristallbildung
und spielte einen Musiktitel ab. Er nahm mit seinen integrierten Kameras ein
Video und ein Foto von Alexander Gerst auf.
Zum Abschluss brachte Alexander Gerst CIMON wieder an seinen Platz im
Columbus-Modul zurück. Während der Kommissionierung hat die
Projektverantwortliche von BIOTESC, Gwendolyne Pascua, direkt mit Alexander
Gerst gesprochen, um ihn durch das Experiment zu begleiten: "Die
Sprachverbindung hat einwandfrei funktioniert und ich bin sehr erleichtert, dass
die Zusammenarbeit mit CIMON und Alex so gut geklappt hat."
"Es ist ein unglaubliches Gefühl und eine wahnsinnige Freude, zu erleben,
dass CIMON wirklich sieht, hört, versteht und spricht. Dieser erste echte
Einsatz im All bedeutet für uns ein Stück Raumfahrtgeschichte und stellt den
Beginn für einen hoffentlich langen Einsatz auf der ISS dar", fasst Dr.
Christian Karrasch, CIMON-Projektleiter in der deutschen Raumfahrtagentur im DLR
zusammen. "Die Interaktion mit einer Künstlichen Intelligenz (KI) fasziniert
mich. Das System CIMON ist in dieser Form weltweit einzigartig und speziell für
den Einsatz auf der Internationalen Raumstation konzipiert. Wir betreten hier
Neuland und erweitern den technologischen Horizont in Deutschland."
"Mit CIMON haben wir eine Vision von uns in die Realität umgesetzt. Es ist
ein sehr großer Schritt für die bemannte Raumfahrt, den wir hier gemeinsam gehen
konnten. Durch CIMON haben wir den Grundstein für soziale Assistenzsysteme
gelegt, die unter extremen Bedingungen zum Einsatz kommen sollen", ergänzt Till
Eisenberg, CIMON-Projektleiter bei Airbus. Zur Datenübertragung nutzte CIMON das
WLAN auf der Internationalen Raumstation und stellte über Satellitenverbindung
per Bodenstationen eine Internetverbindung zur IBM Cloud her. Deren "Watson
KI-Technologie" nutzt das System für die sprachgesteuerte Künstliche
Intelligenz.
Was dann in CIMONs Gehirn abläuft, erklärt Matthias Biniok,
IBM-Projektleiter, so: "Wird CIMON eine Frage gestellt oder mit ihm gesprochen,
wandelt die Watson KI dieses Audiosignal zunächst in Text um, der von der KI
verstanden beziehungsweise interpretiert wird. Dabei kann IBM Watson die Inhalte
nicht nur in ihrem Kontext verstehen, sondern ebenso die damit verbundene
Intention. Das Resultat ist eine passgenaue Antwort, die wiederum in Sprache
umgewandelt und wieder an die ISS zurückgeschickt wird. So ist ein natürlicher,
dynamischer Sprach-Dialog möglich."
Bernd Rattenbacher, Teamleiter beim Bodenkontrollzentrum an der Hochschule
Luzern, ergänzt: "Die Datenverbindung zur Erde läuft via Satellit zur NASA und
zum Columbus-Kontrollzentrum beim DLR in Oberpfaffenhofen. Von dort aus
geht das Signal zu uns, der CIMON-Bodenstation in BIOTESC, dem Schweizer
User Support und Operations Center, das per Internet mit der IBM Cloud in
Frankfurt verbunden ist. Die reine Signallaufzeit über die Satelliten beträgt
0,4 Sekunden in eine Richtung. Zur Datensicherheit sind viele Firewalls und
VPN-Tunnel aktiv."
CIMON hat auch einen wissenschaftlichen Hintergrund. Berater sind Dr.
Judith-Irina Buchheim und Prof. Alexander Choukèr von der Klinik für
Anästhesiologie am Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München. "CIMON
könnte als KI-Partner und Begleiter Astronauten bei ihrem hohen Pensum an
Experimenten, Instandhaltungs- und Reparaturarbeiten unterstützen und dadurch
deren Stressexposition reduzieren," so Buchheim.
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