Ein neuer Strahlungsgürtel um Saturn
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung astronews.com
17. Oktober 2018
Mit einem kontrollierten Sturzflug in den Saturn endete vor etwa einem Jahr
die NASA-Mission Cassini – und mit ihr eine einzigartige, 13-jährige
Forschungsexpedition im Saturnsystem. Jetzt legten Wissenschaftler neue
Erkenntnisse vor, die auf Daten aus der letzten Missionsphase beruhen: Sie
entdeckten unter anderem einen neuen, einzigartigen Strahlungsgürtel.

Diese Grafik zeigt die
Protonen-Strahlungsgürtel des Saturns. Die
Strahlung im Bereich zwischen Planet und D-Ring
ist links unten vergrößert zu sehen und wurde zum
ersten Mal in der letzten Phase der NASA-Mission
Cassini beobachtet. Sie entsteht durch das
Auftreffen kosmischer Strahlung auf die
Saturnringe. Die so erzeugten Protonen
wechselwirken mit der Atmosphäre des Saturns,
seinem schwachen D-Ring und dessen Teilringen.
Bild: MPS / JHUMPL [Großansicht] |
Als die Raumsonde Cassini am 1. Juli 2004 in ihre erste Umlaufbahn
um den Saturn und seine Ringe einschwenkte, konnte der Instrumentenpaket MIMI (Magnetospheric
Imaging Instrument) bereits einen kurzen Blick auf die Region zwischen Planet
und innerstem Ring erhaschen. Zu MIMI gehört der Teilchendetektor LEMMS (Low
Energy Magnetospheric Measurement System), den Forscher unter Leitung des
Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung entwickelt und gebaut hatten. Die Messungen deuteten auf eine Verteilung
geladener Teilchen hin, deren genaue Zusammensetzung und Eigenschaften jedoch im
Dunkeln blieben.
In den folgenden Jahren erforschte MIMI-LEMMS die hochenergetischen
Elektronen und Protonen, die außerhalb der Ringe im starken Magnetfeld des
Saturns gefangen sind und so seinen Hauptstrahlungsgürtel bilden. Der
Protonen-Strahlungsgürtel erstreckt sich mehr als 285.000 Kilometer ins All und
ist stark geprägt vom Einfluss der zahlreichen Saturnmonde, die in ihn fünf
Bereiche gliedern.
"Erst 13 Jahre später, kurz vorm Ende der Mission, erhielten wir die
Gelegenheit, unsere allerersten Messungen am Saturn weiterzuverfolgen", erklärt
Elias Roussos, Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung. "Wir wollten herausfinden, ob ein weiterer
Bereich des Strahlungsgürtels mit der oberen Atmosphäre des Saturns und seinem
D-Ring koexistieren kann."
Die 13 Jahre andauernde Geduldsprobe hat sich jetzt ausgezahlt. In einer
kürzlich vorgestellten Studie zeichnen die Wissenschaftler ein umfassendes Bild
der Protonen, die den Saturn in nächster Nähe umgeben. Wie auch im
Hauptprotonengürtel des Saturns sind die Protonen, welche die Region nah am
Planeten bevölkern, auf den Einfall kosmischer Strahlung zurückzuführen. Wenn
die Strahlung mit Material in der Atmosphäre des Planeten oder in seinen dichten
Ringen wechselwirkt, stößt dies eine Kette von Reaktionen an, an deren Ende
hochenergetische Protonen entstehen. Diese werden dann im Magnetfeld des
Planeten eingefangen.
Die Stärke des Saturnmagnetfeldes ist in der Nähe des Planeten mehr als
zehnmal so hoch wie im Bereich der Hauptstrahlungsgürtel. Deshalb können
Protonen dort so effizient eingefangen werden, dass sie sich jahrelang entlang
derselben Magnetfeldlinie bewegen. Sie wechselwirken dadurch immer wieder mit
dem D-Ring und der Planetenatmosphäre und verlieren so nach und nach ihre
gesamte Energie. Da die Dichte des schwachen D-Rings unbekannt ist, war unklar,
wie schnell dieser Energieverlust abläuft und ob unterm Strich überhaupt ein
Strahlungsgürtel erhalten bleibt. Theoretischen Modellen zur Folge war es
durchaus denkbar, dass MIMI lediglich Rauschen messen würde.
Dazu kam es zum Glück
nicht – zumindest im Fall der Protonen. Die LEMMS-Messungen zeigen eine stabile
Ansammlung hochenergetischer Protonen, die sich von der Saturnatmosphäre durch
den gesamten innersten Ring, den D-Ring, erstreckt. Die Energie vieler dieser
Protonen ist extrem hoch: zehnmal so hoch wie die höchsten Energien, für die
LEMMS entwickelt wurde.
"Wir mussten alte Konstruktionspläne des Instruments
wieder hervorholen und Modelle entwickeln um zu verstehen, wie LEMMS in einem
solch extremen Umfeld messen würde", so Roussos. "Die weiter außen gelegenen A-,
B- und C-Ringe sind deutlich dichter und staubreicher als der D-Ring und bilden
für die geladenen Teilchen eine effektive, 62000 Kilometer breite Barriere",
beschreibt Roussos die Messergebnisse weiter. Die Teilchen können nicht weiter
als bis zum äußeren Rand des D-Rings vordringen. "Auf diese Weise entsteht ein
Strahlungsgürtel, der vom Rest der Magnetosphäre vollständig isoliert ist", so
Norbert Krupp, Leiter des MIMI-LEMMS-Teams am Max-Planck-Institut für
Sonnensystemforschung.
Im Sonnensystem ist diese Region einzigartig. Sie bietet
die Möglichkeit, einen Strahlungsgürtel unter "laborähnlichen" Bedingungen zu
untersuchen. Schließlich entstehen die Protonen darin durch einen einzigen
Prozess, den Einfall kosmischer Strahlung. In den Hauptstrahlungsgürteln des
Saturns sowie in den Strahlungsgürteln von Erde und Jupiter liegen die
Verhältnisse anders – und sind deutlich komplizierter. Bei der Erde
beispielsweise können auch variable Ströme hochenergetischer Teilchen von der
Sonne die Struktur des Strahlungsgürtels stark beeinflussen.
Ebenso wertvoll sind die neuen Erkenntnisse
über den D-Ring, die LEMMS liefern konnte. Der Ring ist zu schwach, um ihn
allein mithilfe optischer Aufnahmen zu untersuchen. Er enthält insgesamt drei
schmale Teilringe, die alle heller sind als der Rest des Rings und mit den
Ausdrücken D68, D72 und D73 bezeichnet werden. Die Zahlen in diesen Namen hängen
mit dem Abstand des jeweiligen Teilrings vom Planeten zusammen. Während an den
Teilringen D68 und D73 die Protonenintensität einbricht, wirkt sich der
dazwischengelegene Teilring D72 offenbar nicht aus.
"Obwohl die Teilringe D72
und D68 eine vergleichbare Helligkeit aufweisen, zeigen uns die neuen Messungen,
dass sie tatsächlich sehr verschieden sein müssen", so Roussos. Zudem entdeckten
die Forscher mithilfe von MIMI einen weiteren Protonengürtel niedrigerer
Energie in einem Abstand von weniger als einigen tausend Kilometern vom
Planeten. Dieser Gürtel entsteht nur gelegentlich, wenn schnelle, ungeladene
Wasserstoffatome aus der Magnetosphäre des Saturns auf die Atmosphäre treffen,
dort ionisiert und in der Nähe des Planeten eingefangen werden.
"Dies zeigt uns,
dass sich die wechselhafte und veränderliche Magnetosphäre weiter außen in sehr
geringem Maße auch über die Ringe hinweg auswirken kann", so Krupp. In den 13
Jahren, die MIMI/LEMMS im Saturnsystem verbracht hat, konnte das Instrument den Strahlungsgürtel des Saturn umfassend untersuchen. Abgesehen von dem der Erde
gehört der Saturn-Strahlungsring seither zu den am besten erforschten im
Sonnensystem. Zudem konnte das Instrument dazu beitragen, bisher unbekannte
Ringe zu entdecken.
Eine Zusammenfassung dieser und weiterer Ergebnisse bietet
das Buch "Saturn in the 21st Century", das diesen Monat im Verlag Cambridge
University Press erscheint. Die Ergebnisse werden außerdem in einem Fachartikel
in der Zeitschrift Science und in zwei Artikeln in der Fachzeitschrift
Geophysical Research Letters
beschrieben.
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