Die Atmosphäre einer Supererde
von Stefan Deiters astronews.com
17. Februar 2016
Astronomen ist es gelungen, erstmals die Atmosphäre einer
sogenannten Supererde genauer zu untersuchen. Sie nutzten dazu Beobachtungen des Weltraumteleskops Hubble während eines Transits von 55 Cancri
e vor seinem Zentralstern. In der Atmosphäre entdeckten sie Wasserstoff und
Helium, allerdings keine Spur von Wasserdampf. Dafür gibt es dort offenbar
Blausäure.
So könnte 55 Cancri e aussehen.
Bild: ESA / Hubble, M.
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Obwohl inzwischen schon rund 2.000 Planeten um andere Sonnen entdeckt wurden,
hat man die wenigsten dieser Welten auch tatsächlich "gesehen". Die Astronomen
haben vielmehr aus Beobachtungen des Zentralsterns der fernen Welten auf ihre
Existenz geschlossen. Bei sogenannten Transitplaneten aber, also bei Planeten, die -
von der Erde aus betrachtet - vor ihrer Sonnen vorüberziehen und diese dadurch
geringfügig verdunkeln, bietet sich die Chance, etwas mehr über die
fernen Welten zu erfahren.
Während eines Transits fällt nämlich ein kleiner Teil des Sternenlichts auf dem
Weg zur Erde auch durch die Atmosphäre des Planeten. Das Licht enthält damit
eine Signatur der Bestandteile der Atmosphäre. Mithilfe von Beobachtungen mit
der Wide Field Camera 3 des Weltraumteleskops Hubble gelang es Astronomen nun,
die Atmosphäre des Planeten 55 Cancri e in rund 40 Lichtjahren Entfernung
genauer zu untersuchen.
Eines war den Wissenschaftlern allerdings schon vorher klar: 55 Cancri e ist alles
andere als eine wohnliche Welt und weit davon entfernt eine zweite Erde zur
sein. Der Planet ist ungefähr doppelt so groß wie die Erde und hat die achtfache
Masse unseres Heimatplaneten. Die ferne Welt umkreist ihren Zentralstern alle 18
Stunden und ist der innerste der insgesamt fünf Planeten des Systems. Wegen der
Nähe zum Zentralstern 55 Cancri dürften auf der dem Stern zugewandten Seite
Temperaturen von rund 2.000 Grad Celsius herrschen.
Der Planet war ursprünglich mithilfe der Radialgeschwindigkeitsmethode entdeckt
und später durch Transitbeobachtungen aus dem All bestätigt worden (astronews.com
berichtete). Er wird als Supererde klassifiziert. Als Supererden
bezeichnen Astronomen extrasolare Planeten, die größer als die Erde sind, aber
noch nicht an die Ausmaße der Eisriesen wie Uranus oder Neptun heranreichen.
Bei ihren Beobachtungen ist es den Astronomen nun erstmals gelungen, einzelne
Gase in der Atmosphäre von 55 Cancri e nachzuweisen. Der Planet ist damit die erste
Supererde, bei der solche Informationen über die Atmosphäre gewonnen werden
konnten. Im Falle von 55 Cancri e besteht diese aus Wasserstoff und Helium.
Wasserdampf hingegen fanden die Astronomen nicht. Die Entdeckungen gelangen nur dank
eines neuen Analyseverfahrens der Daten.
"Das ist schon ein spannendes Ergebnis, weil es uns damit erstmals gelungen ist,
den spektralen Fingerabdruck von Gasen in der Atmosphäre einer Supererde
nachzuweisen", erläutert Angelos Tsiaras, ein Doktorand am University
College London, der zusammen mit seinen Kollegen Ingo Waldmann und Marco
Rochetto die Analysemethode entwickelt hat. "Die Beobachtungen der Atmosphäre
von 55 Cancri e deuten darauf hin, dass der Planet irgendwie in der Lage war,
einen beträchtlichen Teil des Wasserstoffs und Heliums aus dem Nebel zu halten,
aus dem er einst entstanden ist."
Mit der Wide Field Camera 3 hatte man bereits die Atmosphären zweier anderer
Supererden untersucht, konnte in den Daten aber keine spektralen Signaturen
identifizieren. "Dieses Ergebnis bietet einen ersten Blick in die Atmosphäre
einer Supererde", so Giovanna Tinetti vom University College London.
"Wir haben nun eine Idee davon, wie es aktuell auf dem Planeten aussieht und wie
er entstanden sein könnte und sich entwickelt hat. Das ist wichtig für das Verständnis
von 55 Cancri e und von anderen Supererden."
Die Daten über die Atmosphäre von 55 Cancri e enthalten auch Hinweise darauf,
dass es dort zudem Cyanwasserstoff gibt, eine Verbindung, die man besser unter
der Bezeichnung Blausäure kennt. "So ein Anteil von Cyanwasserstoff ist ein
Indiz für eine Atmosphäre mit einem sehr hohen Verhältnis von Kohlenstoff zu
Sauerstoff" erläutert Olivia Venot von der Katholieke Universiteit Leuven in
Belgien.
Sollte sich der Hinweis bei künftigen Beobachtungen bestätigen, würde dies -
nach Ansicht der Forscher - bedeuten, dass 55 Cancri e tatsächlich ein sehr
kohlenstoffreicher und exotischer Ort ist. 55 Cancri e hatte vor einigen Jahren
als "Diamantplanet" Schlagzeilen gemacht, da man zunächst angenommen
hatte, dass er unter der Oberfläche über eine
dicke Schicht aus Diamanten verfügen könnte. Spätere Analysen ergaben, dass dies doch eher unwahrscheinlich
ist.
Über ihre aktuellen Beobachtungen berichten die Astronomen in einem Fachartikel,
der in der Zeitschrift Astrophysical Journal erscheinen wird.
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