Bulge und Balken eine Struktur?
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik astronews.com
22. Mai 2015
Es ist oft leichter, etwas über die Struktur anderer Galaxien zu
erfahren, als über die unserer Milchstraße. Jetzt haben Astronomen die Daten von
vier verschiedenen Himmelsdurchmusterungen ausgewertet, um neue Hinweise auf das
Aussehen des sogenannten Balkens und des Bulges zu erhalten. Dabei stellten
sie fest, dass Bulge und Balken vermutlich zu einer Struktur gehören.
Das Bild oben zeigt das Milchstraßenmodell in
Aufsicht, das die Abstände und Positionen der
Sterne am besten widerspiegelt. Der zentrale
Bulge und der längere Balken sind als eine
zusammenhängende Struktur erkennbar. Das untere
Bild zeigt dasselbe Modell in einer
Seiten-Ansicht. Die charakteristische Form des
Bulges, die hier sichtbar wird, kann auch in
anderen Balkenspiralgalaxien beobachtet werden.
Bild: Max-Planck-Institut für
extraterrestrische Physik [Großansicht] |
Der Balken in der Milchstraße, eine balkenförmige Region mit sehr vielen
Sternen, ist länger, flacher und erstreckt sich näher zur Sonne hin als bisher
angenommen. Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik
(MPE) haben jetzt mehrere große Stern-Beobachtungsprogramme kombiniert und
konnten so die gesamte zentrale Region unserer Galaxie kartieren, die die
Mehrzahl ihrer Sterne enthält.
Weil der Balken mehr zur Sonne hin ausgerichtet ist, endet er auch näher bei
uns: er hat deshalb einen größeren Einfluss auf die Bewegung der Sterne nahe der
Sonne. Außerdem wird der Balken der Milchstraße umso flacher, je weiter man sich
vom Zentrum entfernt.
Nahe seinem Ende wird der Balken dermaßen flach, dass die Wissenschaftler ihn
dort "super-flach" nennen. Sie nehmen an, dass diese vorher unbekannte
Komponente wahrscheinlich aus jüngeren Sternen besteht, die vor etwa einer
Milliarde Jahren mit geringen Geschwindigkeiten geboren wurden.
Die Milchstraße gut zu kartieren ist schwierig: Die Sonne befindet sich nahe den
Spiralarmen in der galaktischen Scheibe, so dass dichte Gas- und Staubwolken die
Sicht auf das Zentrum verdecken. Für die jetzige Studie wurden deshalb vier
große Beobachtungsprogramme unserer Galaxie gemeinsam untersucht: UKIDSS, VVV,
2MASS, und GLIMPSE. UKIDSS ist der United Kingdom Infrared Deep Sky Survey,
VVV das Vista Variables in the Via Lactea Programm, 2MASS der Two
Micron All Sky Survey und GLIMPSE der Galactic Legacy Infrared
Mid-Plane Survey Extraordinaire.
Diese vier Projekte sammelten ihre Daten im Nahinfrarot-Wellenlängenbereich, für
den die galaktischen Staubwolken durchlässiger sind. Durch Kombination dieser
Beobachtungsprogramme konnten die Wissenschaftler eine staubkorrigierte Ansicht
der Sternverteilung in Richtung des Zentrums der Milchstraße erstellen.
"Die Beobachtungsprogramme der letzten Jahre mit den neuen Messungen in der
Balkenregion sind von unschätzbarem Wert, weil sie den Staub auf einer viel
größeren Fläche durchdringen als je zuvor", erklärt Christopher Wegg, Erstautor
der Studie und Postdoc am MPE. "Somit ermöglichen sie uns, vollständige Karten
von Balken und Bulge der Milchstraße zu erstellen." Der Bulge ist eine längliche
Verdickung im Zentrum der Milchstraße.
Diese Daten wurden dann in der Studie mit Modellgalaxien unterschiedlicher
Formen verglichen. In der am besten zu den gemessenen Daten passenden Galaxie
haben - anders als in bisherigen Studien - der Balken außerhalb des Bulge und
der zentrale Bulge die gleiche Orientierung. Zusammen mit der Tatsache, dass der
Bulge langsam und stetig in den Balken übergeht, führt dies die Wissenschaftler
zu der Schlussfolgerung, dass Bulge und Balken zusammen eine einzige, verbundene
Struktur bilden.
"Früher dachte man, dass der Bulge und der Balken zwei unterschiedliche
Komponenten der Milchstraße seien - unsere neue Studie zeigt nun aber, dass sie
tatsächlich der innere und äußere Teil ein und derselben Struktur sind," erklärt
Ortwin Gerhard aus, Mitautor und leitender Wissenschaftler der MPE-Gruppe zur
Galaxiendynamik. "Damit bleibt wenig Unterstützung dafür, dass der Bulge der
Milchstraße aus einer frühen Periode vor der Bildung der galaktischen Scheibe
stammt".
Die Wissenschaftler stellten außerdem fest, dass der Balken genau in der
mittleren Ebene unserer Galaxie liegt, mit einer Abweichung von nur 0,1 Prozent
- 15 Lichtjahre über die gesamten Ausdehnung von 15.000 Lichtjahren. "Es war
wirklich überraschend, dass wir die Ausrichtung des Balkens relativ zur
Sonnenbahn so genau messen konnten und dass das Zentrum der Milchstraße so
wenig gestört erscheint", so die Wissenschaftler. "Wir müssen deshalb zurück zu
unseren Galaxienentstehungsmodellen gehen um herauszufinden, ob diese Ergebnisse
reproduziert werden können".
Über die Untersuchung berichten die Wissenschaftler in einem
Fachartikel, der jetzt online in der Zeitschrift Monthly Notices of the Royal
Astronomical Society erschienen
ist.
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