Milchstraße hat
zwei Arme weniger
von Stefan Deiters astronews.com
4. Juni 2008
Unsere Milchstraße sieht offenbar anders aus als man lange
Zeit vermutet hatte: So scheint unsere Heimatgalaxie nicht über vier große
Spiralarme zu verfügen, sondern - wie auch andere Balken-Spiralgalaxien -
nur über zwei. Zu dieser Schlussfolgerung kamen Astronomen nun nach Auswertung
von rund 800.000 Einzelaufnahmen des Infrarot-Weltraumteleskops Spitzer,
auf denen über 110 Millionen Sternen zu sehen sind.
Über unsere Heimatgalaxie, die Milchstraße, wissen Astronomen eine
ganze Menge. Manches weiß man aber von weit entfernten Galaxien besser als von
der Galaxie in der sich das Sonnensystem befindet. Dazu gehört die großräumige
Struktur unserer galaktischen Heimat, die man von außen einfach besser erkennen
kann als wenn man sich inmitten der zu beschreibenden Galaxie aufhält. Neue
Bilder des Infrarot-Weltraumteleskop Spitzer werfen nun ein neues Licht
auf das Aussehen unserer Milchstraße. Nach den neuen Daten hat sie nicht vier
große Spiralarme wie lange Zeit angenommen, sondern nur zwei.
"Dank Spitzer können wir die Struktur unserer Milchstraße ganz neu
überdenken", erläutert Robert Benjamin von der University of Wisconsin
die neuen Ergebnisse, die er jetzt auf einer Pressekonferenz anlässlich eines
Treffens der American Astronomical Society (AAS) in St. Louis
vorstellte. "Wir korrigieren unser Bild in genau der gleichen Weise, wie früher
Entdecker nach ihren Reisen um den Globus ihr Bild der Erde verändert haben."
Schon seit über einem halben Jahrhundert versuchen sich Astronomen ein Bild
davon zu machen, wie unsere Milchstraße eigentlich genau aussieht. Zunächst
geschah dies aufgrund von Radiobeobachtungen des Gases in der Milchstraße.
Daraus ergab sich das Bild einer Spiralgalaxie mit vier großen Spiralarmen, die
man Norma, Scutum-Centaurus, Sagittarius und Perseus nannte. In der Mitte der
Galaxie entdeckte man zudem Bänder aus Gas und Staub. Unsere Sonne liegt in
einem Teilarm namens Orion-Arm (im Englischen auch Orion Spur), der
sich zwischen dem Sagittarius- und dem Perseus-Arm befindet.
"Viele Jahre hat man Karten der Milchstraße erstellt, die lediglich auf der
Untersuchung einer bestimmten Region beruhten oder aber sich nur auf eine
Methode stützten", blickt Benjamin zurück. "Und wenn man die Modelle der
verschiedenen Gruppen verglich, stimmten sie dummerweise nicht immer überein. Es
ist ein wenig so, als wenn man einen Elefanten mit verbundenen Augen
untersucht."
Großangelegte Himmelsdurchmusterungen im Infraroten begannen in den 1990er
Jahren das Bild der Astronomen von der Milchstraße langsam zu verändern. Da man
im Infraroten auch durch staubige Regionen hindurch blicken kann, erhielten die
Forscher ein deutlich besseres Bild vom galaktischen Zentrum. Sie entdeckten
dabei, dass die Sterne im Zentrum balkenförmig angeordnet waren. Spitzer-Beobachtungen
zeigten dann 2005, dass sich dieser Balken sogar weiter aus der Zentrumsregion
hinaus erstreckt als man zuvor gedacht hatte (astronews.com berichtete).
Mit neuen Spitzer-Beobachtungen, die das Ergebnis von rund 800.000
Einzelaufnahmen sind und über 110 Millionen Sterne zeigen, haben Benjamin und
seine Kollegen nun versucht, ein aktuelles Bild der Milchstraße zu erstellen.
Dazu hat Benjamin ein spezielles Programm entwickelt, das Sterne zählt und so
die Häufigkeit von Sternen in einer bestimmten Region am Himmel ermittelt.
In Richtung des Scutum-Centaurus-Arms fand das Programm dann auch wie
erwartet eine deutlich erhöhte Anzahl von Sternen. In Richtung des Sagittarius-
und Norma-Arms allerdings, gab es, so Benjamin, keine wirklich signifikante
Erhöhung der Sternenzahl. Die Region des Perseus-Arms war in den neuen
Spitzer-Beobachtungen nicht zu sehen.
Diese Ergebnisse, so die Wissenschaftler, sprechen dafür, dass die
Milchstraße lediglich über zwei große Spiralarme verfügt - ein durchaus normales
Aussehen für Galaxien mit einer ausgeprägten Balkenstruktur im Zentrum. Die
beiden Hauptarme, Scutum-Centaurus und Perseus, hätten danach die größte Dichte
an jungen hellen und auch an alten Sternen. Die beiden Nebenarme Sagittarius und
Norma bestünden hauptsächlich aus Gas und einigen jungen Sternen. Die Hauptarme,
so Benjamin, würde sich sehr schön an die beiden Enden des Balkens anschließen.
"Nun können wir die Arme mit dem Balken verbinden, wie die Teile eines
Puzzles", freut sich Benjamin. "Und wir können die Struktur, Position und
Ausdehnung der Arme zum ersten Mal kartieren." Obwohl frühere Untersuchungen
Hinweise auf nur zwei Hauptarme der Milchstraße gefunden hatten, fehlten
verlässliche Daten über ihre genaue Position und Breite, um konkretere Aussagen
machen zu können.
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