Wie massereich ist unsere Milchstraße?
von Stefan Deiters astronews.com
31. Juli 2014
Unsere Milchstraße ist im Vergleich zur Andromedagalaxie
eventuell ein Leichtgewicht: Ein internationales Astronomenteam hat die
dynamischen Verhältnisse in der Lokalen Gruppe analysiert und daraus die Massen
von Milchstraße und Andromedagalaxie abgeleitet. Unser Nachbar könnte
danach nahezu die doppelte Masse unserer Heimatgalaxie aufweisen.
So könnte unsere
Milchstraße aus der Entfernung aussehen.
Bild: NASA/JPL-Caltech
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Unsere Milchstraße ist Teil eines kleinen Galaxienhaufens, den Astronomen als
"Lokale Gruppe" bezeichnen. Die beiden dominierenden Galaxien dieser Lokalen
Gruppe sind unsere Heimatgalaxie und die Andromedagalaxie. Letztere galt schon
immer als etwas massereicher als die Milchstraße, doch gab es auch Schätzungen,
die beiden Galaxien zumindest eine in etwa vergleichbare oder gar eine größere Masse bescheinigten.
Dies ist offenbar aber nicht der Fall: Ein internationales Astronomenteam hat
mit einem neuen Verfahren versucht, die Massen der beiden Galaxien in der Lokalen
Gruppe zu bestimmen. Das Ergebnis: Die Milchstraße weist offenbar nur rund die
Hälfte der Masse der Andromedagalaxie auf. Die Masse beider Galaxien besteht zu
rund 90 Prozent aus Dunkler Materie.
Bislang hatten Astronomen aus Beobachtungen der zahlreichen Zwerggalaxien,
die sowohl die Milchstraße als auch die Andromedagalaxie umrunden, auf die Masse
der einzelnen Systeme geschlossen. Für die jetzt vorgestellte Studie betrachteten die
Wissenschaftler zusätzlich Beobachtungen von zahlreichen anderen benachbarten
Galaxien - auch von solchen, die sich gerade außerhalb der Lokalen Gruppe
befinden.
Galaxien, die zur Lokalen Gruppe zählen, sind durch ihre gegenseitige
Anziehungskraft aneinander gebunden. Sie kommen sich also über lange Zeiträume
immer näher. Bei Galaxien außerhalb der Lokalen Gruppe
sieht das anders aus: Hier überwiegt der Einfluss der Ausdehnung des Universums.
Sie entfernen sich also in der Regel voneinander.
Das Astronomenteam hat nun die Daten über die Expansion und die Gravitation
in einem Modell zusammengeführt und daraus die Masse von Andromedagalaxie und
Milchstraße bestimmt. "Historisch betrachtet gab es sehr unterschiedliche
Schätzungen für die Masse der Milchstraße", erläutert Matthew Walker von der
Carnegie Mellon University in Pittsburgh im US-Bundesstaat Pennsylvania. "Durch
die Untersuchung von zwei massereichen Galaxien, die sich relativ nahe sind und
die Galaxien in der Umgebung, können wir, dank unseres Wissens über Gravitation
und die Expansion des Universums, eine genaue Abschätzung über die Masse in
jeder der Galaxien erhalten."
Durch die Untersuchung von Galaxien innerhalb und gerade außerhalb der
Lokalen Gruppe haben Walker und seine Kollegen das Zentrum unseres
Galaxienhaufens bestimmen können. Die Modellrechnungen lieferten die Bahnen der
Galaxien auf Grundlage der bekannten Geschwindigkeiten und Entfernungen.
Für
unsere Lokale Gruppe ermittelten die Astronomen eine Gesamtmasse von etwa 2,3
Billionen Sonnenmassen. Diese setzt sich fast ausschließlich aus der Masse der
beiden größten Galaxien zusammen. Die Milchstraße hat dabei einen Anteil von 0,8
Billionen, die Andromedagalaxie von 1,5 Billionen Sonnenmassen. Die
Massenangaben seien zwar noch mit Fehlern behaftet, doch könne mit recht großer
Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die Milchstraße eine größere Masse als
die Andromedagalaxie aufweist.
Über die Untersuchung, die von Jorge Peñarrubia von der University of
Edinburgh geleitet wurde, berichten die Astronomen jetzt in einem Artikel
in den Monthly Notices of the Royal Astronomical Society.
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