Besuch eines Roten Zwergs vor 70.000 Jahren
von
Stefan Deiters astronews.com
19. Februar 2015
Vor rund einem Jahr entdeckte Ralf-Dieter Scholz vom Leibniz-Institut
für Astrophysik in Potsdam in den Daten des NASA-Teleskops WISE einen
lichtschwachen roten Zwergstern in nur rund 20 Lichtjahren Entfernung. Eine
detaillierte Analyse von dessen Bewegung ergab nun, dass dieser Stern vor 70.000
Jahren die Sonne in relativ geringem Abstand passiert haben muss.
So könnte das Duo aus Rotem und Braunem Zwerg
in Sonnennähe ausgesehen haben. Die Sonne ist der
helle Stern links.
Bild: Michael Osadciw / University of
Rochester [Großansicht] |
Der Stern mit der etwas unhandlichen Bezeichnung WISE J072003.20-084651.2 hat
von Astronomen den Spitznamen "Scholz's star" erhalten, da der rund 20
Lichtjahre entfernte rote Zwergstern im Sternbild Einhorn vor rund einem
Jahr von
Ralf-Dieter Scholz vom Leibniz-Institut für Astrophysik in Potsdam in den Daten des
NASA-Teleskops Wide-field Infrared Survey Explorer (WISE) entdeckt wurde. Es
handelt sich um ein Doppelsternsystem aus einem Roten Zwerg mit etwa acht
Prozent der Masse unserer Sonne und einem noch masseärmeren Braunen Zwerg.
Eine Gruppe von Astronomen um Eric Mamajek von der University of Rochester
war auf den Stern aufmerksam geworden, weil er sich - trotz seiner relativen
Nähe - überraschend wenig am Himmel bewegt. Gleichzeitig ergaben
aber andere Messungen, dass sich das Sternsystem mit großer Geschwindigkeit von der
Sonne entfernt.
"Die meisten Sterne in dieser Entfernung zeigen eine deutlich größere
Bewegung am Himmel", erläutert Mamajek. "Die geringe tangentiale Bewegung
verbunden mit der geringen Entfernung deutete darauf hin, dass der Stern sich
dem Sonnensystem entweder nähert oder aber vor kurzer Zeit eine dichte
Begegnung mit der Sonne hinter sich hatte und sich nun wieder entfernt. Aus den
Radialgeschwindigkeitsmessungen folgte dann, dass sich der Stern entfernt - so erkannten wir, dass er offenbar in der
Vergangenheit der Sonne sehr nahe gewesen sein muss."
Das Team machte weitere Beobachtungen und sammelte zudem alle bislang
vorhandenen Daten zu dem Sternsystem. Mit diesen Informationen führten sie dann
Simulationen der Umlaufbahn des Sternenduos in der Milchstraße durch, wobei sie auch
sämtliche Unsicherheiten der verschiedenen Messungen berücksichtigen. Danach hat das Sternenpaar vor rund
70.000 Jahren die Sonne in einem Abstand von etwa 52.000 Astronomischen Einheiten,
entsprechend etwa 0,8 Lichtjahren, passiert.
Eine Astronomische Einheit entspricht der mittleren Entfernung der Erde von
der Sonne. Voyager 1, die am weitesten von der Sonne entfernte von
Menschen gebaute Sonde, ist gerade einmal etwas mehr als 130 Astronomische
Einheiten von der Sonne entfernt.
Von den 10.000 Simulationen führten 98 Prozent zu dem Ergebnis, dass WISE J072003.20-084651.2 die äußere Oortsche Wolke
unseres Sonnensystems durchlaufen hat. Das dürfte für das innere Sonnensystem kaum
spürbare Konsequenzen gehabt haben. Erst eine Störung der inneren Oortschen
Wolke, deren Passage durch das stellare Duo nur bei einer einzigen Simulation als
Ergebnis herauskam, hätte im Anschluss zu einer Zunahme des Auftretens von Kometen führen können.
Die Oortsche Wolke ist ein vermutetes Reservoir von Kometenkernen, die unser
Sonnensystem umgibt. Bislang gibt es lediglich indirekte Hinweise auf ihre
Existenz. So dürften langperiodische Kometen beispielsweise aus der Oortschen
Wolke stammen.
Die Passage des stellaren Duos vor 70.000 Jahren hat auf der Erde damals wohl kaum
jemand bemerkt: Der Rote Zwerg ist so lichtschwach, dass er in einer
Entfernung von 0,8 Lichtjahren nur als Stern zehnter Größenklasse
erscheint. Er wäre also mit bloßem Auge nicht zu sehen gewesen. Allerdings
zeigt der Rote Zwerg hin und wieder Helligkeitsausbrüche,
die ihn für kurze Zeit hätten sichtbar machen können.
Über ihre Untersuchungen berichten die Astronomen in einem Fachartikel, der
in der Zeitschrift Astrophysical Journal Letters erschienen ist.
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