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GRAVITATIONSLINSEN
Bester Blick auf entfernte Galaxienkollision
von Stefan Deiters
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27. August 2014

Mithilfe zahlreicher Teleskope, die in ganz unterschiedlichen Wellenlängenbereichen beobachten, ist Astronomen der bislang beste Blick auf die Verschmelzung von zwei Galaxien gelungen, die stattfand, als unser Universum nur halb so alt wie heute war. Für ihre Untersuchung nutzten die Wissenschaftler den Vergrößerungseffekt einer Galaxie im Vordergrund.

H1429-0028

Das System aus Gravitationslinse und entfernten Galaxien in einem Bild, das aus Daten des Weltraumteleskops Hubble und des Keck-2-Teleskops auf Hawaii zusammengestellt wurde. Bild: NASA / ESA / ESO / W. M. Keck Observatory  [Großansicht]

Mit einer Vielzahl von Teleskopen und der Hilfe einer Galaxie im Vordergrund, die als Gravitationslinse wirkte, ist Astronomen der bislang beste Blick auf eine entfernte Galaxienkollision gelungen. Das System sehen wir zu einem Zeitpunkt, zu dem unser Universum nur etwa die Hälfte seines heutigen Alters hatte. Dabei zeigten die Beobachtungen in verschiedensten Wellenlängenbereichen, dass das System offenbar den bekannten Antennengalaxien ähnelt, der wohl spektakulärsten gerade ablaufenden Galaxienverschmelzung im näheren Universum.

"Oft beschränkt die Leistungsfähigkeit der Teleskope die Möglichkeiten, die Astronomen zur Untersuchung eines Objekts haben, manchmal jedoch wird diese durch natürliche im Universum entstandene Linsen dramatisch verstärkt", erläutert Hugo Messias von der  Universidad de Concepción in Chile und dem Centro de Astronomia e Astrofísica da Universidade de Lisboa  im portugiesischen Lissabon. "Einstein sagte in seiner allgemeinen Relativitätstheorie voraus, dass Licht - bei Anwesenheit einer ausreichend großen Masse - sich nicht in einer geraden Linie ausbreitet, sondern, ähnlich wie von einer herkömmlichen Linse, abgelenkt wird."

Solche Massen finden sich beispielsweise in massereichen Galaxien oder Galaxienhaufen. Diese können dann durch ihre Gravitationswirkung das Licht von direkt dahinter liegenden und noch deutlich weiter entfernten Objekten so ablenken, dass diese verstärkt, vergrößert und oft auch verzerrt erscheinen, dadurch jedoch überhaupt erst beobachtbar werden. Dieses Phänomen wird als Gravitationslinseneffekt bezeichnet und führte schon zu zahlreichen Beobachtungen, die ohne die Hilfe dieser natürlichen Vergrößerungsgläser überhaupt nicht möglich gewesen wären.

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Damit dies jedoch alles gut funktioniert, müssen die Linsengalaxie und das entfernte Objekt - von unserer Beobachtungsposition aus - sehr präzise ausgerichtet sein. "Eine solche zufällige passende Ausrichtung ist selten und oft nur sehr schwer zu erkennen", so Messias. "Aktuelle Studien haben aber gezeigt, dass sie sich durch Beobachtungen im fernen Infrarot und im Millimeter-Wellenlängenbereich sehr viel effizienter aufspüren lassen sollten."

Und genau so wurde auch das jetzt näher untersuchte Objekt H-ATLAS J142935.3-002836 (oder kurz H1429-0028) entdeckt. Es zählt zu den hellsten durch eine Gravitationslinse verstärkten Objekten, die im Rahmen des Herschel Astrophysical Terahertz Large Area Survey (H-ATLAS) gefunden wurden - und dies, obwohl es so weit von der Erde entfernt ist, dass wir es zu einer Zeit sehen, in der das Universum nur etwa halb so alt wie heute war.

Um mehr über das Objekt zu erfahren, nutzten die Astronomen zahlreiche der leistungsfähigsten Teleskope, die der Wissenschaft gegenwärtig zur Verfügung stehen und beobachteten H1429-0028 in den verschiedensten Wellenlängenbereichen. Das Weltraumteleskop Hubble und das Keck Observatory auf Hawaii lieferten weitere Informationen über die Galaxie, die für die Gravitationslinsenwirkung verantwortlich ist. Danach handelt es sich dabei offenbar um eine Scheibengalaxie wie unsere Milchstraße. Die Staubwolken in dieser Scheibe scheinen dabei einen Teil des Lichts des Hintergrundobjektes zu verschlucken. 

Um nun durch diesen Staub zu blicken, verwendeten die Astronomen Teleskope, die in längeren Wellenlängenbereichen beobachten und für die Staub kein Problem darstellt. Insbesondere kamen dazu das Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA) und das Karl Jansky Very Large Array (JVLA) zum Einsatz. Die Kombination aller so gewonnenen Daten ergab schließlich, dass es sich bei dem fernen System um zwei Galaxien handelt, die gerade miteinander kollidieren.

Die ALMA-Beobachtungen ließen zudem erkennen, dass durch die Kollision unzählige neue Sterne entstehen - und dies mit einer Rate von Hunderten neugeborener Sterne pro Jahr. Auch zeigt eine der beteiligten Galaxien noch Hinweise auf Rotation, was darauf hindeuten könnten, dass es sich dabei einmal um eine Scheibengalaxie gehandelt hat.

Die entfernte Kollision gleicht damit den bekannten Antennengalaxien, einer Kollision und Verschmelzung zwischen zwei Spiralgalaxien in unserer kosmischen Nachbarschaft. Allerdings gibt es einen entscheidenden Unterschied: In den Antennengalaxien entstehen in jedem Jahr Sterne mit dem Äquivalent von einigen Dutzend Sonnenmassen, in H1429-0028 liegt diese Rate deutlich höher - bei etwa der vierhundertfachen Masse unserer Sonne.

"Durch die Zusammenarbeit von Hubble mit zahlreichen anderen Teleskopen konnten wir diese zufällige Anordnung von Galaxien aufspüren, die Gravitationslinsenwirkung der Vordergrundgalaxie nutzen und die entfernte Verschmelzung und die dadurch verursachte Sternentstehungsaktivität gründlich untersuchen", so Rob Ivison, der Wissenschaftsdirektor der europäischen Südsternwarte ESO. "Dies ist wirklich ein eindrucksvolles Beispiel dafür, was herauskommen kann, wenn Teleskope zusammenarbeiten."

Über ihre Beobachtungen berichten die Astronomen jetzt in einem Fachartikel, der in der Zeitschrift Astronomy & Astrophysics erschienen ist.

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siehe auch
Antennen-Galaxien: Dreifacher Blick auf zwei Galaxien - 6. August 2010
Hubble: Antennen-Galaxien näher als gedacht - 9. Mai 2008
Hubble: Detaillierter Blick auf die Antennen-Galaxien - 18. Oktober 2006
Spitzer: Neues Leben aus der Zerstörung - 10. September 2004
Chandra: Galaxienkollision sorgt für Planetenboom - 9. Januar 2004
Chandra: Riesenblasen in den Antennen-Galaxien - 23. August 2000
Links im WWW
Preprint des Fachartikels bei arXiv.org
spacetelescope.org, Seite der ESA
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