Planetare Staubscheiben aus dem Archiv
von Stefan Deiters astronews.com
25. April 2014
Mithilfe moderner Bildanalyseverfahren hat ein
Astronomenteam jetzt in altem Archivmaterial des Weltraumteleskops Hubble
vier Trümmerscheiben um junge Sterne entdeckt. Die Beobachtungen stammen aus den
Jahren 1999 bis 2007. Bei einer ersten Analyse waren die Scheiben, in denen
vermutlich gerade Planeten entstehen, noch übersehen worden.

Zwei Beispiele
für die entdeckten Staubscheiben um junge Sterne
(oben) und das vermutliche Aussehen der Scheiben
(unten).
Bild: NASA, ESA, R. Soummer und A. Feild
(STScI) [Großansicht] |
Die Daten von Beobachtungen von modernen Teleskopen verschwinden nach der
ersten Auswertung nicht auf Nimmerwiedersehen, sondern landen in Archiven, wo in
der Regel auch andere Astronomen darauf Zugriff haben. So stehen Beobachtungen,
die vielleicht ursprünglich zu einem ganz anderen Zweck durchgeführt wurden, für
ganz neue Studien zur Verfügung. Oder aber die Daten können - mit etwas Abstand
- erneut ausgewertet werden, dann mit neuen und besseren Analyseverfahren.
Genau dies haben Rémi Soummer vom Space Telescope Science Institute
(STScI) und seine Kollegen mit Daten gemacht, die in den Jahren 1999 bis 2007
mit dem Instrument Near Infrared Camera and Multi-Object Spectrometer
(NICMOS) des Weltraumteleskops Hubble aufgenommen worden waren, um nach
Staubscheiben um junge Sterne zu suchen.
Frühere Beobachtungen hatten ergeben, dass solche Scheiben um diese Sterne
existieren könnten. Nun wollte man überprüfen, ob sich diese Staubscheiben
eventuell durch Licht verraten, das durch die Staubpartikel in den Scheiben
gestreut wird. Bei der Analyse der Daten hatte man allerdings damals keine
Scheiben im sichtbaren Licht nachweisen können.
Das änderte sich nun, als Soummer und sein Team die alten Daten mit modernen
Bildanalyseverfahren auswerteten. Zum Einsatz kamen dabei unter anderem
Algorithmen, die auch von Gesichtserkennungssoftware verwendet werden. Diesmal
waren die gesuchten Scheiben sofort zu erkennen und den Forschern gelang es
sogar, ihre Form zu bestimmen. Insgesamt entdeckten die Astronomen so vier
Scheiben, eine fünfte Scheibe, über deren Existenz man sich zuvor unsicher
gewesen war, konnte zudem bestätigt werden.
"Durch diese Funde erhöht sich die Anzahl der Scheiben, die wir im Streulicht
sehen können, von 18 auf 23. Durch diesen Zuwachs und die Vielfalt der
beobachteten Formen kann Hubble den Astronomen helfen, mehr darüber zu
lernen, wie Planetensysteme entstehen und sich entwickeln", unterstreicht
Soummer die Bedeutung der Entdeckungen.
Der Staub in den Scheiben entsteht, so die Theorie der Astronomen,
durch Kollisionen von kleinen planetaren Objekten, wie beispielsweise
Asteroiden. Die winzigen Staubpartikel sollten durch die Strahlung des Sterns
schnell fortgeblasen werden, weshalb der Staub ständig neu produziert werden
muss. Eine solche Phase dürfte typisch für junge Sonnensysteme sein.
Auch unser Planetensystem hat vermutlich vor etwa 4,5 Milliarden Jahren eine solche
Entwicklungsphase durchlaufen. Kollisionen waren damals an der Tagesordnung. So
geht man etwa davon aus, dass unser Mond seine Existenz einem gewaltigen
Zusammenstoß zwischen der jungen Erde und einem marsgroßen Objekt verdankt.
"Ein besonders interessanter Stern ist HD 141943", erzählt Teammitglied
Christine Chen, eine Expertin für Staubscheiben. "Es handelt sich dabei um einen
exakten Zwilling unserer Sonne, den wir zu einer Zeit beobachten, als sich bei
uns gerade die Gesteinsplaneten bildeten." Aus den Hubble-Daten konnten
die Wissenschaftler ablesen, dass die Scheibe des Sterns asymmetrisch ist, was
ein Hinweis auf die gravitative Anziehungskraft von einem oder mehreren bislang
unentdeckten Planeten sein könnte.
Die alten Hubble-Daten waren offenbar zu detailliert für die damals
zur Verfügung stehenden Analyseverfahren. Mit der neuen Methode ließen sich die
gesuchten Staubscheiben ohne große Probleme erkennen: "Ich erinnere mich noch
daran, als wir es ausprobiert hatten und dachten: 'Das ist unmöglich. Wir müssen
einen Fehler gemacht haben!", erzählt Soummer. "Die Scheiben tauchten praktisch
sofort auf. Es hat so gut funktioniert und die Ergebnisse waren so schnell da,
dass wir sie zunächst gar nicht glauben wollten."
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