Kalte Trümmerscheiben ohne Staub?
Redaktion
/ Pressemitteilung der Universität Jena astronews.com
9. Juli 2013
Astronomen haben mithilfe des Infrarot-Weltraumteleskops
Herschel sechs überraschend kalte Trümmerscheiben um sonnenähnliche Sterne
entdeckt, denen zudem der charakteristische Staub fehlt, der eigentlich durch
die Kollisionen von Gesteinsbrocken entstehen sollte. Oder handelt es sich am
Ende gar nicht um Trümmerscheiben, sondern um weit entfernte Galaxien?
Mithilfe des
Weltraumteleskops Herschel haben Astronomen sechs
extrem kalten Trümmerscheiben um sonnenähnliche
Sterne entdeckt. Das Bild zeigt eine
künstlerische Darstellung von Herschel mit einer Herschel-Aufnahme des
Rosettennebels im Hintergrund.
Bild: ESA-C. Carreau |
Trümmerscheiben sind für Astronomen nichts Besonderes: Diese aus
unzähligen Staubteilchen und Materiebrocken bestehenden Gürtel wurden bereits um
unzählige Sonnen entdeckt. "Mindestens ein Fünftel der Sterne sind von solchen
Staubgürteln umgeben", weiß Prof. Dr. Alexander Krivov von der
Friedrich-Schiller-Universität Jena. "Sie sind Überreste der Planetenentstehung,
in denen sich das restliche, nicht verwendete Baumaterial versammelt."
Trümmerscheiben sind damit ein wichtiges Puzzlestück, um die Vielfalt planetarer
Systeme besser zu verstehen.
Um solche Trümmerscheiben zu finden, muss man unser planetares Heimatsystem
gar nicht verlassen: Auch um die Sonne kreisen solche Staubgürtel: der
Asteroidengürtel und der Kuipergürtel mit Pluto als wohl bekanntestem Objekt.
Die Staubgürtel um andere Sterne unterscheiden sich davon jedoch manchmal
deutlich. Ein Beispiel dafür sind die sechs Staubgürtel um sonnenähnliche
Sterne, die Krivov zusammen mit einem internationalen Forscherteam jetzt
beobachtet hat: Die neu entdeckten Trümmerscheiben sind nicht nur größer als der
Kuipergürtel, sie sind vor allem extrem kalt.
Mit einer Temperatur von etwa minus 250 Grad Celsius sind es die kältesten
bisher bekannten Trümmerscheiben. Zum Vergleich: Der Kuipergürtel ist rund 70
Grad wärmer, manche Staubscheiben erreichen sogar Zimmertemperatur. "Dass es
solche kalten Trümmerscheiben überhaupt gibt, hat uns erstaunt", meint Krivov,
der auch Erstautor eines Fachartikels über die Beobachtungen ist, der in der
Zeitschrift The Astrophysical Journal erscheint.
Mysteriös sind die sechs Trümmerscheiben noch in weiterer Hinsicht: Ihnen
fehlt der charakteristische Staub, der durch die Kollisionen der Gesteinsbrocken
entsteht. "Kleine Staubteilchen sind viel heißer als die Temperaturen, die wir
beobachtet haben", sagt Krivov. Demnach bestehen die kalten Trümmerscheiben nur
aus größeren, aber gleichzeitig auch nicht zu großen Brocken.
Nach den Berechnungen der Forscher liegt der Durchmesser der Teilchen
zwischen einigen Millimetern bis maximal einigen Kilometern. "Gäbe es noch
größere Objekte, wären die Scheiben viel dynamischer, die Körper würden
kollidieren und somit Staub erzeugen", verdeutlicht der Astrophysiker.
Die kalten Trümmerscheiben sind zwar auch ein Relikt einer früheren Phase von
Planetenentstehung, das Wachstum zu Planeten muss aber frühzeitig gestoppt
worden sein - noch bevor Körper in der Größe von Asteroiden oder gar
Zwergplaneten entstehen konnten. "Warum die Entwicklung stoppte, wissen wir
nicht", sagt Krivov. "Doch die kalten Trümmerscheiben sind ein Beweis, dass
solche Gürtel über Milliarden Jahre hinweg bestehen können."
Auf die ungewöhnlichen Trümmerscheiben gestoßen sind die Wissenschaftler
mithilfe des Infrarot-Weltraumteleskops Herschel, das unlängst
abgeschaltet wurde. Trotz seiner enormen Leistungsfähigkeit war die Beobachtung
der kalten Trümmerscheiben aber auch für Herschel eine anspruchsvolle
Aufgabe. So können die Forscher nicht ausschließen, dass die vermeintlichen
Trümmerscheiben eigentlich weit entfernte Hintergrundgalaxien sind, die sich
zufällig hinter dem zentralen Stern befinden.
"Unsere Untersuchungen zeigen aber, dass es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit
mehrheitlich um echte Scheiben handelt", ist sich Krivov sicher. Endgültige
Sicherheit zu ihren Erkenntnissen versprechen sich die Forscher daher von den
Daten weiterer Instrumente wie dem Radioteleskopverbund ALMA in der chilenischen
Atacama-Wüste.
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