Materialforschung in Schwerelosigkeit
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt astronews.com
15. Juli 2013
Fast vier Minuten Schwerelosigkeit herrschten während des
Flugs der Höhenforschungsrakete Mapheus-4, die heute Morgen vom
Raketenstartplatz Esrange in Nordschweden aus startete. Die Zeit wurde von
Wissenschaftlern für zwei materialphysikalische Experimente genutzt. Es war der
vierte erfolgreiche Flug der DLR-Forschungsrakete.
Start der
Höhenforschungsrakete Mapheus-4.
Foto: DLR |
Fast vier Minuten Schwerelosigkeit herrschten in der Höhenforschungsrakete
Mapheus-4, die heute um 7.53 Uhr vom schwedischen Raketenstartplatz
Esrange startete. An Bord: zwei materialphysikalische Experimente des Deutschen
Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Unter Weltraumbedingungen zeichnete
erstmals eine Röntgenröhre die Diffusion von Aluminium und Nickel noch während
des Flugs auf. Zudem untersuchten die Wissenschaftler des DLR-Instituts für
Materialphysik im Weltraum, wie sich granulare Gase in der Schwerelosigkeit
verhalten. Durchgeführt wurde der Start vom Team der Mobilen Raketenbasis
(MORABA) des DLR.
Gerade einmal 83 Sekunden nach dem Start waren die richtigen Bedingungen für
den Experimentstart erreicht - im Inneren der Höhenforschungsrakete konnten von
nun an die Experimente MIDAS (Measuring InterDiffusion in Alloys and
Semiconductors) und MEGraMA (Magnetically Excited Granular Matter) ohne die
störenden Einflüsse der Gravitation ablaufen. Die Rakete flog dabei bis in eine
Höhe von über 154 Kilometern.
Bereits vor dem Start hatte ein kleiner Ofen die sechs Materialproben, die
aus unterschiedlichen Anteilen von Aluminium und Nickel bestanden, auf 900 Grad
Celsius vorgeheizt. Seine Premiere hatte der Ofen bereits auf der Mapheus-3-Mission
im November 2012, bei dem die Wissenschaftler seinen Einsatz auf einer
Höhenforschungsrakete testeten. Nach Eintritt der Schwerelosigkeit wurden
unterschiedliche Metallproben durch eine Bewegung im Inneren des Ofens
miteinander in Kontakt gebracht, um so die geschmolzenen Aluminium-Nickel-Proben
diffundieren zu lassen. Die kompakte und vollständig gegen Strahlungsaustritt
abgeschirmte Röntgenradiographieanlage nahm dabei pro Sekunde eine Aufnahme in
Echtzeit auf.
"Die Diffusion in metallischen Flüssigkeiten ist ein Prozess, der bis heute
noch nicht zu 100 Prozent verstanden ist", erläutert Dr. Florian Kargl,
wissenschaftlicher Projektleiter für die Mapheus-4-Mission, die
Bedeutung des Experiments. Die gewonnenen Daten aus der Schwerelosigkeit werden
mit Modellrechnungen und Daten aus dem irdischen Labor verglichen; diese
Ergebnisse können unter anderem dazu beitragen, in der Industrie Gießprozesse
beispielsweise von Turbinenschaufeln zu optimieren.
Um das Verhalten von granularen Gasen besser zu verstehen, schickten die
Wissenschaftler des DLR-Instituts für Materialphysik im Weltraum kleine
Metallkügelchen in die Schwerelosigkeit. Während des Fluges wurden diese von
vier Magneten zur Bewegung angeregt - zwei Hochgeschwindigkeitskameras
zeichneten anschließend mit zu bis 500 hochaufgelösten Bildern pro Sekunde auf,
wie die Teilchen gegeneinander stießen und welchen zeitlichen Verlauf die
Geschwindigkeitsverteilung nahm.
Mit den Ergebnissen können die Forscher analysieren, wie granulare Gase - zum
Beispiel Schüttgut wie Pillen - dichter und stabiler gepackt werden können. "Die
Schwerelosigkeit beim Flug mit der Höhenforschungsrakete erlaubt es uns, diese
Vorgänge zu untersuchen, ohne dass sich die Teilchen durch den Einfluss der
Schwerkraft ablagern." Nach dem insgesamt zehnminütigen Flug landete der
Behälter mit den Experimenten an Bord in rund 60 Kilometern Entfernung vom
Startplatz und wurde mit einem Hubschrauber geborgen.
Für die Konzeption der einstufigen Trägerrakete und den Missionsbetrieb war
die Abteilung Mobile Raketenbasis des DLR verantwortlich. Nach den erfolgreichen
Vorgängerflügen Mapheus-1 bis Mapheus-3 hatte sie den
brasilianisch-deutschen Raketenmotor S30 für Mapheus-4 adaptiert, um
die Nutzlastkapazität und die Flughöhe deutlich zu steigern. "Bei einer
Gesamtnutzlastmasse von 272 Kilogramm erreichte Mapheus-4 eine Flughöhe von 154
Kilometern" berichtet Frank Scheuerpflug, verantwortlich für die Mapheus-Mission
bei der MORABA, nach dem Flug.
Die Wissenschaftler und Ingenieure des Mapheus-Teams können nun
bereits auf die Resultate und Erfahrungen von vier ergebnisreichen Flügen
zurückblicken. "Mapheus ist ein hervorragendes Beispiel für
hochaktuelle Materialforschung unter Schwerelosigkeit, die von der Effizienz und
Flexibilität der Forschungsraketen profitiert", betont Projektleiter Martin
Siegl vom DLR-Institut für Raumfahrtsysteme. Das Mapheus-Programm wird
im kommenden Jahr fortgesetzt.
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