Fliegende Öfen über Nordschweden
Redaktion
/ Pressemitteilungen des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt astronews.com
27. November 2012
Experimente in Schwerelosigkeit lassen sich nicht nur auf
der Internationalen Raumstation ISS durchführen: Am Sonntag startete
beispielsweise die Höhenforschungsrakete Mapheus-3 und bot den
Versuchsanordnungen an Bord dreieinhalb Minuten Schwerelosigkeit während des
Flugs. Unter anderem wurden in dieser Zeit Experimente mit geschmolzenen
Metallen durchgeführt.

Am 25. November 2012 startete die
Höhenforschungsrakete Mapheus-3 von der
schwedischen Raketenstartbasis Esrange in Kiruna.
Mit an Bord: Vier Experimente des Instituts für
Materialphysik im Weltraum des Deutschen Zentrums
für Luft- und Raumfahrt (DLR). Verantwortlich für
den Start war die "Mobile Raketenbasis" MORABA
des DLR.
Foto: DLR |
Um Experimente ohne den störenden Einfluss der Erdgravitation durchzuführen,
gibt es nur wenige Möglichkeiten. Eine davon startete am 25. November 2012 vom
schwedischen Raketenstartplatz Esrange in Kiruna: Die Höhenforschungsrakete
Mapheus-3 des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) hatte vier
Experimente an Bord, die während des Flugs dreieinhalb Minuten lang in der
Schwerelosigkeit abliefen. Dabei wurden unter anderem auf der Rakete
Metall-Proben in Öfen geschmolzen. Die erstarrten Proben wurden am 26. November
2012 mit dem Schneemobil geborgen.
"Wenn wir diese Versuche auf der Erde durchführen, wirken Auftriebskräfte auf
die geschmolzenen Metalle ein", erläutert Prof. Andreas Meyer vom DLR-Institut
für Materialphysik im Weltraum. "Mit Versuchen in der Schwerelosigkeit umgehen
wir dies und können die physikalischen Prozesse ohne Störungen beobachten."
Bereits vor dem Start der Rakete heizten deshalb kleine Öfen die
aluminiumreichen Legierungen für das Diffusionsexperiment ATLAS auf. 80 Sekunden
nach dem Abheben von Mapheus-3 vermischten sich die verschiedenen,
verflüssigten Komponenten dann in der Schwerelosigkeit. "Über diesen Vorgang
wissen wir bisher nur sehr wenig."
Auch die Entmischung von Metallschmelzen war Thema der Mapheus-3-Kampagne.
Mit dem Experiment DEMIX untersuchten die Wissenschaftler, wie sich
Kupfer-Kobalt-Legierungen beim Aufschmelzen verhalten. "Mit den Ergebnissen des
Mapheus-3-Flugs können wir die bisherigen Modelle zu diesem Prozess
überprüfen und gegebenenfalls anpassen", sagt Meyer. "Die Entmischung wird auch
in der Industrie angewandt - dort besteht ebenfalls Interesse, die bestehenden
Modelle zu testen."
Für das Experiment MEGraMa filmten die Forscher des Instituts für
Materialphysik im Weltraum das Stoßverhalten von Teilchen mit einem Durchmesser
von weniger als einem Millimeter. Vier Magneten beschleunigten die kleinen
Kugeln während des Flugs, eine Videokamera zeichnete währenddessen auf, wie die
Kugeln diese Beschleunigungsenergie durch das Aufprallen gegeneinander wieder
abgeben. "Damit untersuchen wir das Verhalten von granularen Gasen", betont
Institutsleiter Meyer. "Dieser Vorgang ist bisher von der Wissenschaft nicht
komplett verstanden."
Als Vorbereitung für die nächste Flugkampagne Mapheus-4 ließen die
Forscher auch einen neu entwickelten Ofen mit in die Schwerelosigkeit fliegen.
Gerade einmal 40 mal 40 mal 20 Millimeter klein soll er im nächsten Jahr sechs
Proben während des Flugs aufschmelzen. "Je kleiner der Ofen, desto weniger
Energie benötigen wir für das Aufheizen." Der Vorteil des neuen Ofens: Er ist
für Röntgenstrahlung durchlässig und ermöglicht so die unmittelbare Untersuchung
der Veränderung der Zusammensetzung im Inneren der flüssigen Metallproben.
Durchgeführt wurde der Start von Mitarbeitern der "Mobilen Raketenbasis"
MORABA des DLR. "Wir sind gewissermaßen für das 'Flugticket‘ von MAPHEUS
verantwortlich. Dazu zählen neben dem eigentlichen Start die Bereitstellung der
selbstentwickelten Raketensysteme, der Raketenmotoren und die Gesamtintegration
der Rakete", erklärt DLR-Raketeningenieur Markus Pinzer. Die Schwerelosigkeit
setzte 80 Sekunden nach dem Lift-Off in einer Höhe von 100 Kilometern ein, die
Rakete erreichte insgesamt eine Flughöhe von 140 Kilometern.
Nach der Rückkehr zur Erde an einem Fallschirm ortete das Team den Flugkörper
mit den Experimenten an Bord und barg ihn einen Tag nach dem Start mit dem
Schneemobil. "Der Flug war sowohl von der wissenschaftlichen als auch von der
technischen Seite her sehr anspruchsvoll", betont Projektleiter Martin Siegl vom
DLR-Institut für Raumfahrtsysteme. "Eine aufwendige Entwicklungsarbeit an den
Experimenten, eine Vielzahl von Tests und eine intensive Vorbereitungsphase
haben in wenigen Minuten Flugzeit ihren Höhepunkt gefunden." Nun erfolgt die
Auswertung der gewonnenen Daten und die Analyse der wiedererstarrten
Metallproben.
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