Sonnen fangen sich Planeten ein
von Stefan Deiters astronews.com
18. April 2012
Um zahlreiche Sonnen unserer Heimatgalaxie könnte ein Planet kreisen,
der ursprünglich im Orbit um einen anderen Stern geboren wurde. Dies
ergaben jetzt vorgestellte Simulationen zweier Astronomen. Eingefangene
Planeten könnten eine Erklärung für weit um ihre Sonne umlaufende Welten
sein und zudem auch die Existenz eines Doppelplaneten-Systems erklären.
Eingefangene
Planeten könnten in großem Abstand um ihre neue
Sonne kreisen.
Bild: Christine Pulliam (CfA) |
Nicht allen Planeten ist es vergönnt, nach ihrer Entstehung in einer
ruhigen Bahn um ihre Sonne zu kreisen. In manchen jungen
Planetensystemen stören sich die neuen Welten gegenseitig so sehr, dass
dabei ein junger Planet aus dem System gekickt wird und fortan ohne
Zentralstern durch das All vagabundiert. Manchmal jedoch, so ergab eine
jetzt vorgestellte Untersuchung, könnten diese Einzelgänger eine zweite
Chance bekommen und von einem anderen Stern eingefangen werden. Dieser
Prozess wäre nach Ansicht der Wissenschaftler eine mögliche Erklärung
für den überraschend großen Abstand, den manche extrasolare Planeten von
ihrem Zentralstern haben.
"Sterne wechseln ihre Planeten genau wie Baseballteams ihre Spieler",
vergleicht Hagai Perets vom Harvard-Smithsonian Center for
Astrophysics im amerikanischen Cambridge. Über die Untersuchung,
die Perets zusammen mit seinem Kollegen Thijs Kouwenhoven von der
Universität in Peking durchführte, berichten die Wissenschaftler in der
am Freitag erscheinenden Ausgabe der Fachzeitschrift The
Astrophysical Journal.
Für ihre Studie simulierten die Astronomen junge Sternhaufen, in
denen sich frei umhervagabundierende Planeten befinden. Die Simulation
ergab, dass in Fällen, in denen die Zahl der freien Planeten der der
Sterne des Sternhaufens entspricht, drei bis sechs Prozent der Sterne im
Laufe der Zeit einen dieser Planeten einfangen. Je massereicher ein
Stern ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein
umhervagabundierender Planet eingefangen wird.
In jungen Sternhaufen, in denen sich viele gerade geborene Sterne auf
relativ engem Raum befinden, sollte die Wahrscheinlichkeit, dass ein
Stern einen freien Planeten einfängt, besonders groß sein. Man geht
gegenwärtig davon aus, dass ein beträchtlicher Teil der Sterne in
Sternhaufen geboren wird, die sich dann aber im Laufe der Zeit auflösen.
Der Einfang eines Planeten müsste also relativ früh in der
Entwicklungsgeschichte des Sternhaufens erfolgen.
Eingefangene Planeten dürften ihren neuen Zentralstern in einem deutlich
größeren Abstand umkreisen als die "eigenen" Planeten der jeweiligen
Sonne. Außerdem ist es wahrscheinlich, dass sie ihren neuen Stern mit
einer anderen Bahnneigung oder vielleicht sogar entgegen dem allgemeinen
Umlaufsinn des Systems umrunden. Bislang ist es Astronomen allerdings
noch nicht gelungen, einen eingefangenen Planeten eindeutig zu
identifizieren. Dies ist deshalb schwierig, weil es auch durch
Wechselwirkungen zwischen den "regulären" Planeten zu ungewöhnlichen
Umlaufbahnen kommen kann.
Den bislang eindeutigsten Hinweis auf den Einfang eines Planeten
lieferte, so die Astrononen, die ESO-Entdeckung von zwei
planetenähnlichen Objekten im Jahr 2006, die sich gegenseitig umkreisen,
aber keinen Zentralstern umlaufen (astronews.com berichtete). "Dieses
umhervagabundierende Doppelplanetensystem ist die bislang beste 'heiße
Spur', die wir haben", so Perets. "Um mehr Beweise zu bekommen,
benötigen wir statistische Auswertungen aus Beobachtungen von deutlich
mehr Planetensystemen."
Könnte auch unsere Sonne einen umhervagabundierenden Planeten
eingefangen haben, der unseren Zentralstern in großem Abstand umkreist?
Astronomen haben schon danach Ausschau gehalten, doch bislang nichts
entdeckt. "Es gibt keinerlei Beweis dafür, dass die Sonne einen Planeten
eingefangen hat", meint auch Perets. "Wir können größere Planeten mit
Sicherheit ausschließen. Doch es bleibt noch immer die Möglichkeit, dass
es am Rand des Sonnensystems eine bislang unentdeckte kleinere Welt
gibt."
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