Dunkle Energie und helle Sonne
von Stefan Deiters astronews.com
5. Oktober 2011
Die nächsten beiden ESA-Wissenschaftsmissionen könnten
gegensätzlicher nicht sein: Die europäische Weltraumagentur will ab Ende dieses
Jahrzehnts unsere Sonne gründlicher als je zuvor erforschen und außerdem
versuchen, hinter das Geheimnis der Dunklen Energie zu kommen. Helfen sollen
dabei die Missionen Solar Orbiter und Euclid, deren
Durchführung gestern beschlossen wurde.
Die ESA hat jetzt zwei Missionen ausgewählt,
die im Rahmen des Programms Cosmic Vision
2015-2025 realisiert werden sollen.
Bild: NASA / ESA / ESO / W. Freudling
(ST-ECF) |
Das wissenschaftliche Programmkomitee der europäischen
Weltraumagentur ESA hat gestern die beiden Wissenschaftsmissionen ausgewählt,
die 2017 und 2019 gestartet werden sollen. Es handelt sich dabei um die ersten
mittelgroßen Wissenschaftsmissionen, die im Rahmen des Programms Cosmic
Vision 2015-2025 verwirklicht werden. Zuletzt gab es noch drei Bewerber (astronews.com
berichtete), von denen sich jetzt die Missionen Solar Orbiter und
Euclid durchsetzten. Die Mission PLATO, mit der nach extrasolaren
Planeten gesucht werden sollte, schaffte es in dieser Runde nicht, könnte aber
bei einer der folgenden Startmöglichkeiten berücksichtigt werden.
Die Sonde Solar Orbiter soll sich der Sonne weiter nähern als jede
andere Sonde zuvor. Die Hoffnung ist, dass die Sonde so ganz neue Informationen
über die Vorgänge in unmittelbarer Sonnenumgebung sammeln kann und konkrete
Daten darüber liefert, wie der Sonnenwind genau entsteht und beschleunigt wird.
Dieser Teilchenfluss von der Sonne beeinflusst alle Planeten des Sonnensystems.
Auf der Erde macht er sich beispielsweise durch Polarlichter bemerkbar.
Dank ihrer speziellen Position wird die Sonde den Sonnenwind zu einem
Zeitpunkt untersuchen können, zu dem der gerade die Sonnenoberfläche verlassen hat. Gleichzeitig kann die Sonde im Detail
verfolgen, wie die Partikel überhaupt so stark beschleunigt werden. Der
Solar Orbiter soll 2017 mit einer Atlas-Trägerrakete von Cape
Canaveral aus starten.
Bei der zweiten jetzt ausgewählten Mission, Euclid, handelt es sich
im Grunde genommen um ein Weltraumteleskop, mit dem die großskalige Struktur des
Universums genau vermessen werden soll. Bis in eine Entfernung von 10 Milliarden
Lichtjahren wollen die Wissenschaftler so ermitteln, wie sich das Universum in
der Vergangenheit ausgedehnt hat und wie Strukturen in ihm gewachsen sind.
Euclid soll, so zumindest die Hoffnung, neue Informationen über die
geheimnisvolle Kraft liefern, die dafür sorgt, dass unser Universum sich immer
schneller ausdehnt - eine Erkenntnis, die gestern mit dem Physik-Nobelpreis
ausgezeichnet wurde (astronews.com berichtete). Bislang wird dafür eine "Dunkle
Energie" verantwortlich gemacht, von der man allerdings nicht weiß, um was genau
es sich dabei handelt. Durch die Beobachtung, welchen Effekt diese Dunkle
Energie auf Galaxien und Galaxienhaufen hat, hoffen Astronomen nun auch mehr
über die Dunkle Energie selbst herauszufinden. Euclid soll 2019 mit
einer Sojus-Rakete vom europäischen Weltraumbahnhof in Kourou aus
gestartet werden.
Die Auswahl der beiden Missionen ist das Ergebnis eines längeren Prozesses:
2004 hatte die ESA die europäischen Astronomen um Vorschläge gebeten, welche
Ziele sich Europas Raumfahrt im kommenden Jahrzehnt setzen soll. Das Ergebnis
war der Plan Cosmic Vision 2015-2025, in dem vier wissenschaftliche
Fragestellungen formuliert wurden: Welche Bedingungen müssen zur Entstehung von
Leben und Planeten erfüllt sein? Wie funktioniert das Sonnensystem? Wie lauten
die fundamentalen Gesetzte des Universums? Wie entstand das Universum und woraus
besteht es? 2007 wurden die Astronomen dann um entsprechende Missionsvorschläge
gebeten, aus denen schließlich drei Kandidaten ausgewählt wurden. Mit Solar
Orbiter und Euclid werden nun zwei davon realisiert.
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